Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Kalabrien

   J. Schäfer          

Freitag, 1. April, bis Samstag, 9. April

Auf der Fahrt zur Fähre Richtung Festland gibt's ein letztes Ziel auf Sizilien, die Sarazenische Höhlen bei Rometta, in denen wohl Leo von Catania eine Zeit lang im Exil lebte.


Das Festland empfängt mich mit Stark-, nein: Stärkst-Regen, Blitz, Donner und die Straße überschwemmenden Wassermassen, die auch den - hier üblicherweise überall am Straßenrand zuhauf liegenden - Müll mit sich führen. Gestern hatte ich die Kiste gewaschen.
Zwei Stunden später, nahe des inzwischen im Meer versuckenen Punta Calamizzi, wo Cyprian von Calamizzi Abt war, bricht die Sonne wieder kurz durch und es zeigen sich rechts die Berge Siziliens.

Nach weiteren Zielen in Reggio - darunter diese ebenso monumentale wie geschmacklose Kirche des Kapuzinerklosters, das ursprünglich Ludwig von Reggio zur strengen Einhaltung der Regel der Franziskaner gegründet hatte -, verbringe ich an der Raststätte San Giovanni eine eher unruhige Nacht: es sind viele Sattelzüge mit ihren lauten Kühlaggregaten unterwegs nach Norden, um den Supermärkten das frische Obst und Gemüse aus dem Süden zu bringen.

Von der Veneranda geweihten Kirche in Pavigliana oberhalb von Reggio, wo Cyprian von Calamizzi ebenfalls lebte, geht der Blick über die Stadt und den Stretto nach Sizilien.

In Pentedattilo, einem heute verlassenen, aber als Museum touristisch geschätzten Bergdorf, dessen griechischer Name fünf Finger sich aus der Form des Berges selbst erklärt, wirkte Gaetano Catanoso als Pfarrer.

Das Dorf - schon von Weitem beeindruckend - musste in den 60-er Jahren geräumt werden, weil die Behörden Felsstürze durch die in dieser Gegend häufigen Erdbeben befürchteten. Inwischen haben alle Ortschaften der Region - oft schwerste - Erdbebenschäden erlitten, nur Pentedatillo nicht. Die Weisheiten über Kalabrien habe ich aus dem empfehlenswerten, kundigen Reiseführer von Peter Amann: Kalabrien - Basilikata, 3. Aufl. Reise Know-How Verlag Peter Rump, Bielefeld 2008.

Dann weiß mein Navi wieder einmal den schnellsten Weg: den soll es finden, so ist das eingestellt. Die KArten sind Open Street Map - meist die besten, aber eben nur, wenn die Straßen dort auch klassifiziert sind. Und wenn nicht: dann nimmt das Navi die kürzeste Verbindung, so auch nun auf dem Weg nach Bova. Die führt an dieser verfallenden Sebastianskirche vorbei ist hier noch harmlos, schraubt sich dann immer enger und steiler werdend von 60 auf fast 900 m Höhe, ist durchgängig im 1. Gang zu befahren und ich brauche für 2 km Luftlinie fast eine Stunde; glücklicherweise ist der Regen noch nicht da, denn die Abschnitte mit Erdboden hätte die Kiste bei Nässe nicht geschafft.

Aber dann bin ich glücklich angekommen und sehe den Stolz von Bova: die auf dem Zentralplatz aufgestellte Dampflok. Die hat der damalige Bürgermeister aufstellen lassen in diesem Bergdorf, das einst eine stolze Stadt war, aber natürlich meilenwert davon entfernt, in dieser Gebirgshöhe einen Eisenbahnanschluss zu haben; Ziel war, dennoch die Verbundenheit mit der Welt zu symbolisieren; zur Anlieferung der Lok hat man extra die Straße - die eigentliche Erschließungsstraße, nicht meine Anfahrtspiste - ausgebaut. Dem Bürgermeister hat so viel Weltoffenhait und Tatendrang geschadet: die 'Ndrangheta, die kalabrische Mafia, hat ihn ermordet.
In dieser Region mit offiziell 21 % Arbeislosigkeit und 41,1 % bei jungen Menschen zwischen 18 und 29 Jahren (2019), findet sie reichen Nährboden. Touristen stört sie einen nicht, ihre Geschäfte macht sie mit Drogenhandel, Müll, Schutzgelderpressung, Waffenschiebereien und inzwischen in großem Stil mit unterwanderten Firmen, öffentlichen Aufträgen und Korruption. Beispiel: die Erneuerung der Autobahn A2 del Mediterraneo von Salerno nach Reggio di Calabria. Sie begann 1997, 2003 sollte sie fertig sein - bis heute ist das noch nicht der Fall. Eine Untersuchungskommission des italienischen Parlamentes bezeichnete das Bauvorhaben als Inbegriffe der Modernisierung der Tätigkeit der'Ndrangheta. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Reggio Calabria zeigten, dass es der ’Ndrangheta in fast jeder Hinsicht von Planung über Auftragsvergabe bis hin zu Personaleinsatz und Ausschaltung von Kontrollen gelungen war, das Dauerprojekt zu infiltrieren. Unternehmen wurden bedroht, Schutzgelder verlangt, dazu wurden in der Bauzeit rund dreißig Morde begangen. Allein bis Anfang 2016 wurden mehr als 70 Personen, darunter Unternehmer, Gewerkschafter und Lokalpolitiker, wegen Zusammenarbeit mit der ’Ndrangheta, Betrug, Korruption und anderer Straftaten bei der Erneuerung der A2 gerichtlich verurteilt.

Die Stadt Bova mit heute noch 400 Einwohnern gilt als kulturelle Hauptstadt der griechischen Kultur in Kalabrien. Griechische Siedler kamen schon im 8. bis 6. Jahrhundert v. Chr. in die Gegend, bis heute hat sich in einigen Bergdörfern die griechische Sprache bewahrt, bis 1573 war auch die griechisch-orthodoxe Liturgie üblich.

Bova war Sitz eines Bischofs, in die Felsen hinein wurde die Kathedrale errichtet; Leo als Patron und Lukas von Isola di Capo Rizzuto werden hier verehrt. Erst 1986 wurde Bova mit der Erzdiözese Reggio di Calabria vereinigt.

Über Bovalino Superiore, dem Geburtsort von Franziskus von Bovalino und Kamillus Costanzo komme ich nach Mammola in die Friedhofskirche, die zeitweise das ursprünglich von Nikodemus von Mammola gegründete Kloster beherbergte. Deren Altar ziert dieses geschmachsvolle Blasius von Sebaste-Bild - es blinkt, was das Foto nicht zeigen kann - leider .
Zum Abseits gelegenen Santuario an der Stelle des ursprünglichen Klosters von Nikodemus fahre ich nicht nach der Empfehlung des Navi über die Bergstraße - genug gekurvt für heute.

In Melicuccà wurde Lukas von Isola di Capo Rizzuto geboren. Nahe des Ortes ist die Höhle zu sehen, in der Elias Speleota lebte und dann sein Kloster gründete, in dem auch Fantinus der Jüngere und Lukas von Isola di Capo Rizzuto lebten; bei Regen ist der Gang durch den Wald kein Vergnügen. Auch die Nacht an der Raststätte Rosarno ist wieder wenig ruhig, es sind - auch in der Nacht zum Sonntag - einfach zu viele LKWs unterwegs, der Norden will Obst und Gemüse.

In Motta Filocastro, wo Ludwig Comi von Reggio starb, sind die Straßen so eng, dass der Ort automatisch Fußgängerzone ist - und am Sonntagmorgen fast wie ausgestorben.

In der Kathedrale in Vibo Valentia erfahre ich Neues über Leo Lukas. Hilarion von Monteleone ist in der Stadt geboren. Zudem sehe ich dort diese Installation: Maria Magdalena betrauert den toten Jesus (??)

Nach ausführlichem Mittagsschlaf geht es über Satriano bei Catanzaro und Petrizzi, wo Jakobus von Petrizzi geboren wurde, nach Stalettì, wo das Kloster Gregor „Thaumaturgos” geweiht und er der Ortspatron ist. Diese Ruinen der dortigen ehemaligen Pfarrkirche gelten als Denkmal.

Amaroni und die für mich im Gebüsch nicht zu entdeckenden Ruinen des Klosters von Lukas von Isola di Capo Rizzuto beschließen den Tag vor der Übernachtung auf der Raststätte Lamezia Terme.

Am nächsten Morgen steht Catanzaro auf dem Programm, wo Angelus von Acri vom Kapuzinerkloster aus als Volksprediger wirkte; in dieser Kirche entdecke ich auch Gaetana Tolomeo. Nach weiteren Zielen in Catanzaro - darunter dieser Franziskanerkirche - geht es ins Bergdorf Taverna mit steilem Fußmarsch zur Pfarrkirche - wohl an der Stelle des früheren Klosters, in dem Falko von Palena und Nikolaus der Grieche lebten.

Im in Ruinen erhaltenen Kastell in Simeri wurde Bartholomäus von Simeri geboren; auch diese dazugehörige Kirche hat ihre beste Zeit hinter sich, sie stürzte 1744 bei einem Erdbeben ein.

Über das Gehöft Guido und Cropani bei Catanzaro, wo Franziskus von Cropani geboren wurde und lebte und ich zudem Paul D'Ambrosio von Cropani entdecke, komme ich nach Belcastro, woher Petrus von Belcastro stammte; die Pfarrkirche ist leider Baustelle.

Sehr ordentlich: das Franziskanerkloster in Mesoraca, in dem Franziskus von Cropani und Petrus von Belcastro lebten. Matthäus von Mesoraca ist dort bestattet, wie ich lerne - seither war der mit anderem Namen und anderem Ort verzeichnet, alle Quellen hatten wieder falsch voneinander abgeschrieben; wieder einmal zeigt sich, dass nichts die Recherche vor Ort ersetzen kann. Auch Papst Zosimus ist möglichweise hier geboren.
Beeindruckend zeigt sich von Weitem die Lage des Ortes Santa Severina auf dem Berg - und ich habe Glück: ausnahmsweise kann man ganz ins Zentrum hochfahren. Papst Zacharias stammte möglichweise von hier.

Nach Isola di Capo Rizzuto bei Crotone, wo Lukas von Isola di Capo Rizzuto Bischof war, hatte ich eine Arbeitsphase auf dem weit und breit einzigen geöffneten Campingplatz Alfiere eingeplant, obwohl ich von schlechten Bewertungen wusste. Ich war der einzige Gast - und schnell war klar: hier ist nicht zu bleiben, auch die Waschmaschine, die ich nun dringend brauchte: Schrott. Immerhin: die Nacht war stockunkel und ruhig, das liebe ich.

Frühmorgens bin ich deshalb schon in Crotone, aber auch um diese Zeit tobt der Verkehr. In Cirò veropasse ich das gesuchte Geburtshaus von Nikodemus von Mammola - zu eng sind die Gassen, zu ungenau das Navi - außerdem wird es offensichtlich immer wieder gestört, wie ich jetzt schon mehrfach feststellen musste - es ist eben Krieg! Aber dann erreiche ich vor Mittag noch den Campingplatz Onda Azzurra bei Sibari. Er ist gut gefüllt, fast nur deutsche Rentner, v. a. aus Bayern - Fahne inbegriffen - und hier kann man sich wohlfühlen und arbeiten, ich bleibe weitere vier Tage - und am ersten kann ich erstmals Pullover und feste Schuhe loswerden. Dann aber kommt wieder stürmischer, oft kalter Wind - Putin verliert den Krieg und schickt uns als Vergeltung seine sibirische Kälte.

Tracks
San Giovanni
Rosarno
Lamezia Terme
Alfieri
Onda Azzurra

Logbuch Reiselogbuch 2022-2-3

geschrieben vom 5. bis 8. April 2022


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