Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Reformierte und katholische Schweiz

   J. Schäfer          

Sonntag, 5. Juli, und Montag, 6. Juli

Entgegen meiner ursprünglichen Absicht verbrachte ich auch noch den Sonntag auf dem Campingplatz in Lugrin; unweit ist dort am Ufer des Genfer Sees ein schöner, schattiger Badeplatz, der bei der Hitze natürlich von vielen besucht wurde.


Am Montag wandere ich dann durch das glühheiße Genf, zuerst zum frisch renovierten, ab 1558 von Johannes Calvin erbauten Kolleg, an dem Theodor Beza lehrte und u. a. Johann Valentin Andreä und Kaspar Olevianus die reformatorischen Lehren studierten.

Die Kathedrale, heute der Tempel St-Pierre, habe ich schon vor einigen Jahren besucht; hier am Place Bourg de Four im Stadtzentrum stand das Klarissenkloster, in dem Claudia von Genf Äbtissin war.

Vorbei an Calvins Auditorium, direkt neben dem Tempel St-Pierre, in dem Bernardino Ochino, Georg von Ghese, Luigi Pasquali sowie die Märtyrer von Lyon unterrichtet wurden und John Knox die Bibel ins Englische übersetzte, und am Rathaus, wo 1864 die Genfer Konvention zum Schutz von Soldaten in Kriegen unterzeichnet wurde, komme ich zum Denkmal für den Gründer des Roten Kreuzes, Henri Dunant, 1963 errichtet - und merkwürdigerweise ohne sichtbaren Bezug auf den Geehrten.

Johannes Calvin, Theodor Beza und John Knox am Reformationsdenkmal in Genf.

Wilhelm Farel neben Johannes Calvin am Reformationsdenkmal.

Das Relief am Reformationsdenkmal zeigt, wie Preußenkönig Friedrich der Große die Hugenotten in seinem Land aufnahm.
Mehr als 250 Jahre sind seitdem vergangen; gelernt haben wir wenig: gestern meldet die Zeitung neue CSU-Hetze gegen Asylbewerber; Markus Söder ist Finanzminister, wenigstens rechnen müsste er können; auch der Alte Fritz war kein Philanthrop, sondern nur ein kühler Rechner.

Unweit des Parks mit dem Reformationsdenkmal steht das Pfarrhaus, das Karl Barth in seiner Genfer Zeit bewohnte.

Die Villa Clothilde, heute von den Ursulinen geführtes Wohnheim, erinnert an Clothilde.

Die Universität, an der Nikolai Velimirović promovierte, ging 1872 aus Calvins Kolleg hervor.

Ein schöner Park ist heute der alte Friedhof des Rois mit Calvins Grab - auf seinen Wunsch hin ohne Grabstein, weil er keine Ehren wollte.

Die Basilika Notre-Dame ist heute wieder katholischer Bischofssitz - als Konkathedrale des Bischofs von Fribourg. Diskutiert wird, das reformierte Rom Genf wieder zu einem eigenständigen katholischen Bistum zu erheben.

Maria Immaculata wird im Zentrum der Kirche verehrt …

… und Sissi, Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn, die 1998 in Genf bei Familie Rothschild zu Gast war und dabei durch den italienischen Anarchist Luigi Lucheni ermordet wurde, ist ein Glasfenster gewidmet.

Auch Mathilde von Tuscien, die im Investiturstreit zwischen Papst und Kaiser vermittelte, wird in einem Glasfenster dargestellt.


Die anglikanische Kirche; Pfarrer der englischen Anhänger der Reformation in Genf war 1556 bis 1559 John Knox.

Auch in Lausanne war ich schon einmal und erledige nun Restarbeiten; großartig ist die riesige Kathedrale.

Auch wenn es inzwischen Abend ist: die Hitze ist noch immer drückend. In einem türkischen Laden gibt es die echte Uludağ-Limonade. Hinter dem ehemaligen Seminar, an dem Theodor Beza lehrte und wo u. a. Antoine Court und Claude Brousson lernten, verschwindet die Sonne.

Neben dem Seminar und aus diesem hervorgehend entstand die Universität, an der auch Roger Schutz studierte.

Vor dem Schloss, ab 1396 der neue Sitz der Bischöfe von Lausanne, ist dummerweise Baustelle.

Dienstag, 7. Juli

In den nach ihm benannten Höhlen bei Beatenberg lebte der Überlieferung zufolge Beatus. Der Eingang liegt oberhalb eines Sturzbaches am Felshang.

Von dort ist die Aussicht über den Thunersee auf die gegenüberliegenden Berge großartig.

Nachdem man in der Reformation die Kapelle an den Beatushöhlen geschlossen hatten, um die Wallfahrten zu unterbinden, wurde oben im Ort Beatenberg die neue Kirche gebaut.

Ihr gegenüber gibt es jetzt auch wieder eine katholische Kirche.

Das Schloss in Interlaken, früher gab es hier ein Augustinerkloster.

Direkt daneben wirbeln die Gleitschirmflieger durch die Luft.

Im nahen Wilderswil bekommt man als Technik-Nostalgiker alte, aber in Betrieb befindliche Züge der Schynige Platte-Bahn zu sehen. Die älteste Lok dieser Zahnradbahn stammt aus dem Jahr 1891 und ist noch immer in Betrieb, die jüngste ist aus dem Jahr 1914; 2005 wurden Testfahrten mit einem modernen Zug durchgeführt, aber die konstant sehr steile Strecke war eine zu große Belastung für den modernen Zug, der 2006 verschrottet wurde.

In Grindelwald wurde die Kirche durch Amadeus von Lausanne geweiht.


Hinter Grindelwald kann man die Veränderungen durch den Klimawandel hautnah betrachten: noch vor einigen Jahrzehnten war die Schlucht ganz vom Gletscher ausgefüllt, was auch die abgerundeten Felsen beweisen.

das Wetterhorn

Ansonsten ist der Ort fest in der Hand von Touristen.

Herlich: der Blick von der Brünig-Passstraße auf Lungern und den gleichnamigen See.

Mein Ziel in Lungern: die Beatus-Kapelle, gebaut jenseits des Passes im katholischen Obwalden, nachdem das reformatorische Bern die Wallfahrt zu den Höhlen unterbunden hatte.

Als Kloster für arme Mägde wurde 1868 das Kloster in Melchtal unter dem Patronat von Nikolaus von Flüe gegründet.

Blick auf die Alpe Chlisterli im Melchtal, wo Nikolaus nach seiner gescheiterten Flucht einige Tage verbrachte.

Der Blick auf Flüeli, Nikolaus' Heimatort, mit der Kapelle St. Barromäus

Nikloaus' Geburtshaus in Flüeli.

Bild in Nikloaus' Geburtshaus in Flüeli.

Obwohl es schon Abend ist: der Weg zur obere Ranftkapelle mit der Einsiedelei von Nikolaus von Flüe und der für die Wallfahrer errichteten unteren Kapelle ist wahrhaftig schweißtreibend.

Unterwegs: ein Denkmal, errichtet 1940 von drei Infanterieregimentern der sich wehrhaft verstehenden Schweizer.

Zurück im Ort begeistert mich das im Jugendstil gebaute Hotel. Ich übernachte etwas billiger auf dem Dorfplatz mit - wie immer und überall in der Schweiz - gepflegter Toilette. Und ich freue mich am aufziehenden Gewitter mit heftigem Regen und Temperatursturz. Eine Labsal!

Mittwoch, 8. Juli

Am nächsten Morgen komme ich zum Nikolaus-Museum gegenüber der Kirche im Hauptort Sachseln.

In der Kirche besuche ich die Messe - natürlich ist der Priester alt, wie überall - aber Predigt und Feier sind wohltuend.
Vor der Kirche ist Nikolaus als Marienverehrer - tatsächlich war er dies nicht in herausragender Weise - dargestellt …

… und als Ratgeber bei der Tagsatzung von Stans - an der er tatsächlich nicht physisch, sondern nur durch seinen vom Pfarrer überbrachten, den Durchbruch schaffenden und den Frieden sichernden Lösungsvorschlag teilnahm.

Ex votosMit Ex voto (lateinisch: „aufgrund eines Gelübdes”) oder Votivtafel bezeichnet man Tafeln, die nach erfolgreicher Hilfe zur Erfüllung eines Gelübdes an den Ort der Gnade gebracht und dort ausgestellt werden, oft mit Darstellung der abgewendeten Notsituation. in der ab 1600 über Nikolaus' Grab erbauten Kapelle neben der Kirche in Sachseln

Liegefigur, 1934 von Manfred Burch geschaffen, im Volksaltar der Kirche in Sachseln

Dunkle, aber regenlose Wolken sind heute der Preis für die angenehmen Temperaturen. In Sarnen wurde Lukas Etlin geboren, dort im Kloster Charitas Brader ausgebildet.

Über Hergiswil, wo Werner Sylten geboren wurde, begebe ich mich auf die Fahrt zum Pilatussee am Pilatusberg, in dem der Legende zufolge Pontius Pilatus versenkt wurde und bis heute spukt.
Die einspurige Straße ist nach langer Fahrt schließlich gesperrt, weil sie frisch geteert wird; ein Metzgersgang also, aber mit schöner Aussicht.

Zufällig ausgewählt: der Bahnhof von Alpnachstad. Aber irgendwann muss man ja das Loblied singen auf renovierte, saubere Bahnhöfe mit sauberen Toiletten, meist mit (natürlich kostenfreiem) Internetempfang - Orte, an denen man sich willkommen und wohl fühlt.
Und was lese ich jetzt: in Deutschland wird Ronald Pofalla nun vorzeitig Bahn-Vorstand und ist designierter Nachfolger des Vorstandsvorsitzenden. Ronald Pofalla!

täglich kontrolliert!

Auf den Berg führt von hier aus die mit 48% Steigung bis heute steilste Zahnradbahn der Welt, 1889 in Betrieb genommen.

Am Kolleg der Kapuziner in Stans wirkte Apollinaris Morel. Das hier abgebildete Rathaus steht für die Tagsatzung der Schweizer Kantone, bei der Bruder Klaus 1481 vermittelte zwischen den uneins gewordenen Eidgenossen, die sich untereinander zu bekriegen drohten, womit er die damals aus acht Kantonen bestehende Eidgenossenschaft rettete.

In der Pfarrkirche in Wolfenschießen ist das Grab von Konrad Scheuber.

Deckenbild

Die Wanderung zur Kapelle auf dem Bettelrüti, dem Ort der Einsiedelei von Konrad Scheuber, ist dank der erträglichen Temperatur angenehm.

In Engelberg überkommen mich nostalgische Gedanken: als Kind war ich mit Eltern, Schwester und Tante in diesem Hotel im Urlaub. Drei Erwachsene und zwei Kinder fuhren damals samt Gepäck im Fiat 600 (deutlich kleiner als ein VW Käfer) dorthin. Inzwischen sind die Autos größer und komfortabler geworden, das Hotel aber ist ziemlich heruntergekommen - das gilt übrigens irgendwie für den ganzen Ort.

Wirklich interessiert hat mich natürlich das Kloster in Engelberg, das Konrad von Seldenbüren stiftete, Adelhelm, Bertold von Engelberg und Frowin als Äbte leiteten und wo Lukas Etlin das Gymnasium besuchte.

Im KlosterEngelberg besonders verehrt: Unsere Liebe Frau von Engelberg, Figur aus der Zeit um 1600, 1954 überarbeitet.

Donnerstag, 9. Juli, bis Samstag, 11. Juli

Die Tage verbringe ich zum Arbeiten auf dem schönen Campingplatz in Horw bei Luzern, direkt am Vierwaldstätter See und unterhalb des nach Pilatus benannten Berges, der abends mit Alpenglühen auf den Platz grüßt.

In Brüssel wird derweil über Europa entschieden. Griechenland spielt in Wahrheit schon lange nur noch eine Rolle am Rande. Die entscheidende Frage ist: Opfert Merkel Europa - und damit die Zukunft Deutschlands - den Stammtischen, die man jahrelang mit Lügen gefüttert hat?
Der Beschluss, Griechenland nicht aus dem Euro zu schmeißen, wie das Finanzminister Schäuble seit langem will - und nun durch das gestern bekannt gewordene Papier endgültig offenbart hat; entwürdigend findet das Österreichs Kanzler Faymann - würde das gesamte Lügengebäude der vergangenen Jahren zu Einsturz bringen:
• die Lüge, dass Griechenland vor fünf Jahren nicht bankrott war; Sarkozy und Merkel leugneten, um damit ihre Banken zu retten. Der leibhaftige Varoufakis hat das in letzter Zeit immer wieder betont.
• die Lüge, dass Griechenland Hilfe erhielt; 90% des Hilfsgeldes wurde tatsächlich an die Banken nur durchgereicht - allen voran an die Deutsche Bank unter Merkels Freund Ackermann und die französische BNP.
• die Lüge, dass Griechenland eben sparen müsse, dies aber bislang verweigerte; in Wahrheit hat keines der Krisenländer so harte Eingriffe vorgenommen, allein die Renten wurden um über 30 % gekürzt.
• die Lüge, das Austeritätsprogramm könne helfen: der IWF hatte bei Durchführung des Programms einen Rückgang des BIP von 0,3 % prognostiziert - tatsächlich wurden es 25 %. Um 8000 % verrechnet! Einen Grundschüler würde man damit auf die Sonderschule verweisen.

Es geht heute Abend um Europa - oder darum, dass sich Deutschland schon wieder überheben will.
Jakob Augstein hat auf Spiegel-online an Sebastian Haffner erinnert: der hat geschrieben, es sei das Unheimliche an der deutschen Geschichte, dass das Deutsche Reich fast von Anfang an seine eigene Zerstörung betrieben zu haben scheint. Mit seiner immer größeren und immer weniger berechenbaren Machtentfaltung schuf es sich die Welt von Feinden, an der es zerbrochen ist.
Matteo Renzi, der italienische Ministerpräsident hat heute deutlich gesagt in Richtung Deutschland sage ich: Genug ist genug. Und François Hollande, Frankreichs Präsident sagte: auf dem Spiel steht ganz Europa. Es geht nicht nur um Griechenland, auch wenn das sicherlich das Thema des Tages ist, aber es geht darum, welches Konzept wollen wir für Europa?

Es geht heute Abend um Demokratie - oder die Herrschaft der Märkte.
Frank Schirrmacher, der inzwischen verstorbene FAZ-Herausgeber, hat vor fast vier Jahren - als es in Griechenland schon einmal eine Volksabstimmung geben sollte, die dann auf Druck der EU - sprich Deutschlands - ganz schnell abgesagt wurde und die Regierung gleich mit abgelöst - geschrieben: Demokratie ist Ramsch. Wer das Volk fragt, wird zur Bedrohung Europas. Das ist die Botschaft der Märkte und seit vierundzwanzig Stunden auch der Politik. Wir erleben den Kurssturz des Republikanischen.

Es geht heute Abend um Frieden - oder eine wirtschaftlich wie politisch schwere Zukunft für unsere Kinder.
Bundeskanzlerin Merkel sagte heute vor Verhandlungsbeginn: Die wichtigste Währung sei in den vergangenen Monaten verloren gegangen – das Vertrauen. Sie meinte Griechenland. Aber Griechenland ist ein Randproblem. Auf dem Spiel steht das Vertrauen der anderen in die wirtschaftlich größte und politisch wie geografisch zentrale Macht in Europa. Die anderen werden unsere Rolle nicht vergessen!

Und es geht übrigens auch um Vernunft: 1 + 1 = 2, in Geldfragen wie in der Politik. Wenn ein Experiment so eklatant gescheitert ist wie das Sparen in Griechenland, dann war die Rechnung der Institutionen falsch. Dass es in Spanien oder Portugal funktioniert hat, ist ja auch eine Lüge: dort gibt es noch immer 60% Jugendarbeitslosigkeit, so funktioniert keine Gesellschaft. Und Besserung ist dort eben nicht in Sicht! Sich um 8000% verrechnen und sich damit auf die schwäbische Hausfrau berufen - solche Idiotie verletzt auch meinen Schwabenstolz.
Dieses System verstößt gegen den Plan Jesu, sagte Papst Franziskus vorgestern in Bolivien mit Blick auf eine allgegenwärtige Logik des Profits. Er kritisierte Freihandelsabkommen sowie aufgezwungene Sparprogramme und versicherte, der Wandel sei möglich.

Die Konferenz heute Abend wird zu Deutschland όχι! sagen, so wie die Griechen letzte Woche. Damit auch όχι! zum Lügengebäude der deutschen Regierung, Wirtschaftsweisen und Presse samt TV. Merkel hat verloren. Schäuble müsste eigentlich seit 10 Jahren Rentner sein. Und vielleicht müsste man den beiden Evangelischen einmal sagen, dass sie bei Katholiken - und Orthodoxen lernen sollten: Buße predigt man nicht, man tut sie - am eigenen Leib.

Tracks: gibt es keine

geschrieben vom 9. bis 12. Juli 2015


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