Freitag, 2. Mai
Heute ist Freitag, Fastentag - also der richtige Tag, den Papstpalast in Avignon zu besuchen. Dunkel stellt er sich dar gegen die Sonne - und mit unzähligen Menschen. Was sofort auffällt: die meisten sprechen Italienisch. Auch später in der Stadt: überall Italiener, auch die Werbung vieler Geschäfte und Restaurants ist an erster Stelle Italienisch. Als ob die in Rom noch nicht genug Päpste hätten - erst am letzten Wochenende waren ja sozusagen vier bei der Heiligsprechung von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. gleichzeitig zugange ...
Der Palast, ab 1316 Sitz von Päpsten, 1352 fertiggestellt, seit 1995 UNESCO-Weltkulturerbe, ist riesig. Die Schlange am Eingang auch - ich werde mich heute nicht anstellen.
Gegenüber der Barockbau des Hôtel des Monnaies, 1619 von einem Kardinal in Auftrag gegeben - man sieht, da hatte das Geld wirklich ein Domizil gefunden. Heute ist es die Kultur: das Gebäude beherbergt die Musikschule.
Direkt neben dem Papstpalast erhebt sich auf dem Felsen die Kathedrale, die Kirche des Bischofs von Avignon, an der Stelle der ersten christlichen Kirche der Stadt aus dem 4. Jahrhundert. Oben hinter der Kirche erstreckt sich ein großer Park oberhalb der Rhône, in dem es sich lustvoll wandeln lässt.
Auf dem steilen Weg dorthin wird an die fast 300 Juden - darunter 54 Kinder - erinnert, die das Vichy-Regime 1943 / 1944 den Deutschen auslieferte; wenige haben überlebt. Der französische Anteil an den Verbrechen wird klar benannt.
Von dort oben ergibt sich ein erster Blick auf den berühmtten Pont d'Avignon
, den der Überlieferung zufolge
Benedikt von Avignon baute. Dass man
darauf tanzte, wie das Lied behauptet, stimmt natürlich nicht - man tanzte auf der Insel zwischen den beiden
Flussarmen der Rhône, die die Brücke überspannte. Ihre Fortsetzung über die Insel hinweg und zur anderen Flussseite nach
Villeneuve-lès-Avignon
verlor die Brücke im 17. Jahrhundert, nachdem sie zuvor schon immer wieder einmal den Fluten der Rhône zum Opfer
gefallen war.
Weil der Palast so umlagert ist, gehe ich durch die Stadt, wo es deutlich gemütlicher zugeht. Hier war früher der Armenfriedhof der Stadt 1395 kam der Cölestinerorden und baute hier sein Kloster - nicht gerade nach Armut aussehend und sicher nicht im Sinne des Ordensstifters, Papst Coelestin I., des ersten und bis Benedikt XVI. einzigen Papst, der von seinem Amt zu Lebzeiten zurücktrat.
Der Rundgang durch die Stadt leidet etwas unter dem starken Wind, dennoch gibt es schöne Ecken zu genießen - und etwas abseits vom Papstpalast ist die Stadt auch weitgehend touristenfrei. Der Park war früher das Benediktinerkloster, ein Schild verspricht freies Internet - funktioniert auf meinem Handy aber nicht, weil der Empfang zu schlecht ist.
Natürlich war früher jeder Orden hier vertreten - es galt, Einfluss und Macht auszuüben und abzusichern; das setzte sich auch fort, nachdem die Päpste die Stadt wieder verlassen hatten. Hier die Kirche der Oratorianer, erbaut 1714 bis 1750.
An einer Straßenecke, fast versteckt: Reste der römischen Stadt, die als Avenio
nicht bedeutsam war. Der Name
stammt von der Urbevölkerung der Kelto-Ligurier und heißt übersetzt Stadt des Wassers
oder Stadt des Windes
.
Am Ende des Rundgangs stehe ich dann wieder vor der
Brücke, jetzt von unten und von der anderen Seite. Der Wind
wird immer heftiger, aber es ist trocken und die Temperaturen sind noch immer angenehm.
Die Altstadt ist noch immer weitestgehend von ihrer 4330 Meter langen und 8 Meter hohen mächtigen Stadtmauer umgeben, erbaut von 1355 bis 1372 und damals von Wasser umflossen. Sie umschließt 150 ha, hatte 36 Türme, 56 Wachttürme und 12 Tore - natürlich: wie das himmlische Jerusalem. 1860 wurde die durch Krieg und Hochwasser - an vielen Stellen der Stadt finden sich Hochwassermarken - oft zerstörte Mauer komplett restauriert.
Samstag, 3. bis Sonntag, 4. Mai
Die Schlange vor dem Papstpalast war heute deutlich kürzer. Dafür hat es mich am Eingang erwischt: fragt mich die Kassiererin
doch glatt, ob ich über 60 Jahre alt sei. Irgendwann ist es immer das erste Mal - wenigstens gibt's dann Ermäßigung.
Auch der Innenhof des Palastes beeindruckt ob seiner Monumentalität.
Wie alles hier ist auch die Kirche riesig, aber weitestgehend inventar- und schmucklos, denn nach der Rückkehr der Päpste nach Rom verfiel der Palast; in der Französischen Revolution war er Gefängnis, dann Kaserne; in jener Zeit wurden die verbliebenen Ornamente und Kunstwerke größtenteils geraubt oder zerstört; seit 1906 wird er nun konserviert.
Avignon im 16. Jahrhundert.
Das Portal zur Kirche im Palast. Insgesamt lohnt der Besuch kaum. Viel Monumentalität, wenig Inhalt, dafür lange Wege und Treppen - das muss man sich als offensichtlich alter Mann nicht unbedingt antun. Und dass überall nur italienisch gesprochen wird, obwohl ich in Frankreich bin, dass die Massen der Bustouristen alles verstellen - auch das bessert meine Laune nicht.
Der Bischofspalast neben dem Papstpalast, heute ein Museum.
Ein weitere Rundgang durch die Stadt - hier die Kollegiatskirche und päpstliche Basilika St-Pierre - ist wesentlich erbaulicher und schöner.
Schon im 13. Jahrhundert gab es in Avignon ein Judenviertel, hier die 1765 bis 1767 erneuerte Synagoge.
Der Penner, der da jetzt vor der Tür sitzt, hat mich kurz davor in perfektem Deutsch angesprochen und um eine
milde Gabe für einen Pilger
gebeten. Deutsch sehe ich also aus, und alt - noch was?
Der nach Jakobus dem Älteren benannte Turm, Rest des einstigen Ordenssitzes der Templer, in dem später Kardinäle ihren Palast hatten.
Auch vom früheren Augustinerkloster ist nur mehr der Turm übrig. Die Bilder zeigen jetzt alle schönen blauen Himmel, aber eben nicht den furchtbaren Wind, der heute das Atmen schwer macht, den Staub ins Auge drückt und kalte Luft mit sich bringt. Bei der Rückkehr zum Campingplatz auf der Rhône-Insel musste ich mich am Brückengeländer festhalten, damit ich nicht in den Straßenverkehr geblasen werde. Meine Brille allerdings holt der Wind aus dem Pullover und wehte sie in den Fluss. Ja, der Mistral, seit Tagen schon am Werk, aber heute wirklich als Sturm!
Was es nicht alles gibt ...
Die Kirche des früheren Jesuitenkollegs ist heute das Museum für die alten Steine. Ich zahle den kompletten Eintritt mit 2 € und frage nicht nach Ermäßigung für Rentner ...
Grabrelief des jungen Mannes namens Doryphoros aus Zeugma - da war ich letztes Jahr, 2. Jahrhundert v. Chr..
Ananias und Saphira, die Geldgierigen aus Apostelgeschichte 5, 1 - 10, mit Petrus ...
... und der verleugnende Petrus ...
... der hier seinen Schlüssel erhält.
Der bemalte und vergoldete Glasteller unter der Umschrift: Rogatus, Julia und Letania leben mit Gott
, Rom (?), ums
4. Jahrhundert.
Schließlich: Tarasgue, das Verderben bringende Ungehauer, das Martha schließlich zähmte ... Die Statue stammt aus dem 1. Jahrhundert v. Chr.
Und dann wird es Zeit, Abschied zu nehmen von der Festung
des Papstes/p>. Den Sonntag verbringe noch ich auf dem
sehr preiswerten und schattigen Campingplatz.
Montag, 5. Mai
Der Montag lässt mich morgens bei Wärme und strahlendem Sonnenschein erwachen. Endlich hat jemand den Schalter gefunden,
um den Wind abzustellen. Ich besuche den berühmten Pont du Gard
, das vollständig erhaltene Meisterwerk römischer
Baukunst, wohl unter Kaiser Augustus errichtet, auch zur Demonstration der römischen Ingenieurskunst gegenüber den
einheimischen Barbaren. Obwohl ich schon öfter an der Ardèche war, habe ich den noch nicht gesehen - leider, denn früher
war die Brücke frei zugänglich. Jetzt ist dort ein Besucherzentrum; der Zugang ist nach wie vor kostenlos, aber die
Parkgebühr beträgt 18 €! Eine andere Zugangs- oder Parkmöglichkeit habe ich trotz intensiver Suche nicht gefunden.
Im Fluss Gard kann man auch unter der Brücke baden - wenn das Wasser etwas wärmer ist.
Das ist nicht der Aufmarsch zum Volksfest, sondern der Besucherstrom an einem ganz normalen werktag außerhalb der Saison!
Der Pont du Gard
lag auf dem Weg nach
Uzès,
einem schönen Provinzstädtchen, das heilige Bischöfe hervorbrachte und Sitz eines Herzogs war. Die Flagge signalisiert
auch heute noch seine Anwesenheit./p>
Das ist er: Tarasque, das schröckliche Ungeheuer, das Mensch und Tier im Rhônetal heimsuchte, bis
Martha von Bethanien das Ungeheuer
endlich zähmte und so dem Christentum in der Gegend den Weg bahnte. Die Statue stammt von Pascal Demaumont, errichtet
auf Initiative eines Ritters der Tarsaque
- was es nicht alles gibt - im Jahr 2005.
Das - gezähmte - Ungeheuer steht direkt neben dem mächtigen Schloss, das die Grafen der Provence 1400 bis 1435 zum Schutz vor dem französischen Königreich auf der anderen Seite der Rhône bauten. Vom 17. Jahrhundert bis 1926 war es Gefängnis.
Gegenüber, in der Martha-Kirche, kann ich gerade noch rechtzeitig
schöne Fotos machen; vor der Kirche versammeln
sich schon Leute, offenbar steht eine Beerdigung an, dem trauernden Mann entsprechend wohl eine Frau mittleren Alters aus
besseren Kreisen. Als ich aus der Kirche komme ist Polizei da und die Straße gesperrt - scheint eine bedeutendere
Persönlichkeit gewesen zu sein. Auch unbeteiligt ist man dennoch irgendwie betroffen ...
Auf der anderen Seite der Rhône ist die Kleinstadt Beaucaire, wie man sieht: sehr touristisch. Stierkampf, lese ich im
Reiseführer, ist auch hier üblich, aber in der Regel nicht wie in Spanien mit dem Tod des Stieres endend, sondern die
Männer müssen - gefährlich genug - Gegenstände von seinen Hörnern pflücken
, die unterschiedlichen Wert haben, den
sie dann ausbezahlt bekommen. Der Stier überlebt - und ist hier im Unterschied zu Spanien auch der wahre Held: auf den
Plakaten werden die Namen der Stiere, nicht die der Kämpfer angekündigt. Na also ...
Am frühen Abend komme ich in die Camargue - Ebene so weit das Auge reicht - und viele unter Wasser stehende Reisfelder. Da braucht man sich im Sommer über die Mücken nicht wundern - ich muss noch keine erdulden.
Stiere gibt's ...
... und Heidelandschaft ...
... und natürlich Pferde - für die Toristen, zum ausreiten - dabei ist die meiste Fläche landwirtschaftlich genutzt - das Bild vom schnellen Ritt durch die freie Camargue stimmt nicht ...
Viele kleinere und einge größere Ètangs
- Binnenseen, die auch vom Meer gespeist werden und deshalb salzhaltig sind
- prägen die Camargue.
Abends komme ich ins berühmte
Saintes-Maries-de-la-Mer
- leider drei Wochen vor der berühmten Wallfahrt der
Sinti und Roma, die Tausende hierher lockt, um ihre
Heilige
Sara-la-Kâli zu feiern.
Sara kam der Legende zufolge mit Maria Magdalena, Martha von Bethanien sowie der Maria des Kleophas und (Maria) Salome von Galiläa im Schiff hierher; das Schiff mit den beiden letztgenannten steht in der Kirche und ist umgeben von Ex votosMit Ex voto (lateinisch: „aufgrund eines Gelübdes”) oder Votivtafel bezeichnet man Tafeln, die nach erfolgreicher Hilfe zur Erfüllung eines Gelübdes an den Ort der Gnade gebracht und dort ausgestellt werden, oft mit Darstellung der abgewendeten Notsituation.; es wird bei der Wallfahrt jedes Jahr wieder ans Meer getragen.
Eine Nische der Kirche ist gefüllt mit gemalten Ex Votos.
Vor der Kirche und im ganzen Ort herrscht bereits reges Urlauber-Treiben, da ist von Heiligkeit wenig zu spüren. Ich mag
mir gar nicht vorstellen, wie das im Sommer hier aussieht ...
Die Menschen im Ort sind mit der Zeit gegangen: waren es im letzten Jahrtausend die Pilger, sind es heute eben die
Badetouristen - egal, Geschäft ist Geschäft.
... und auch am Strand ist selbst am Abend noch einiges los. Meine Absicht, hier zu übernachten, lässt sich nicht verwirklichen: alle Parkplätze sind mit Höhenbeschränkungen ausgestattet, da komme ich nicht hinein. Es gibt auch Stellplätze für Wohnmobile - für 10 € die Nacht, einfach nur der Parkplatz, aber auch schon gut gefüllt - das muss ich mir nicht antun.
Also fahre ich weiter durch die Camrgue, wieder Richtung Landesinneres.
Dienstag, 6. Mai
Auch St-Gilles, die legendäre Gründung des Ägidius, war ein berühmter Wallfahrtsort. In den Religionskriegen des 16. Jahrhunderts wurden v. a. die Gesichter der Statuen an der großartigen Fassade zerstört - Schande über die Bilderstürmer!
Auch St-Gilles, die legendäre Gründung des Ägidius, war ein berühmter Wallfahrtsort. In den Religionskriegen des 16. Jahrhunderts wurden v. a. die Gesichter der Statuen an der großartigen Fassade zerstört - Schande über die Bilderstürmer!
In der Kirche ausgestellt ist der Karren, der - gezogen von einem Schaft - an Weihnachten beim Krippenspiel
in der
Mitternachtsmesse mitwirkt; dabei werden die Schafe gesegnet.
Etwas nördlich der kleinen Stadt liegt diese frühere Einsiedelei, heute Mas
, übersetzt Haus
, die Bezeichnung
für ein Landgut.
Neben der Kathedrale in Nîmes: ein großer Brunnen: das Wasser - man sieht es auf dem Foto kaum - läuft reichlich über die Stufen, dazwischen ist der rollstuhlgerechte Aufgang - eine schöne Idee!
Mächtig prächtig: die frühere Jesuitenkapelle.
Auch prächtig: der Maler Jules Salles-Wagner, er lebte 1814 bis 1900, ließ sich dieses Haus als Atelier und Galerie bauen.
Römische Reste in Nîmes: das Augustus-Tor. Die Stadt lag an der Via Domitia, der wichtigen Straße von Italien nach Spanien.
Mein nächstes Ziel sind die Cevennen, das
meernahe Gebirge, in dem sich die Französischen Protestanten die ganze Zeit über halten konnten und wo es auch heute noch
viele Tempel
- so heißen hier die evangelischen Kirchen - gibt. Im kleinen, abseits gelegenen Bergdorf
Les Montèzes - keine
20 Häuser, ang aneinandergebaut - tagte 1715 die 1. SynodeSynode (altgriech. für Zusammenkunft) bezeichnet eine Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten.
In der alten Kirche wurden "Konzil" und "Synode" synonym gebraucht. In der römisch-katholischen Kirche sind Synoden Bischofsversammlungen zu bestimmten Themen, aber mit geringerem Rang als Konzile. In evangelischen Kirchen werden nur die altkirchlichen Versammlungen als Konzile, die neuzeitlichen Versammlungen als Synode bezeichnet.
der verfolgten Kirche.
Es ist wunderschön hier: viel Wald, viel Ruhe, eine verfallene Burg - das Château de Fressac -, eine freundliche Frau, die sich erkundigt, was der Fremde hier wohl suche.
Und bei der weiterfahrt ist nach wenigen Kilometern für mein Auto Pause angesagt, Schafe haben Vorrang. Wie in der Türkei ...
In Le Vigan: Es ist
Abend geworden, also spielen die Männer Boule. Boulodroms
gibt es hier überall, auch auf den Campingplätzen.
Mittwoch, 7. Mai - Freitag, 9. Mai
Ich muss arbeiten - an einer Autobahnraststätte, wo es freies Internet gibt. Und viel zu sehen! Am Donnerstag, dem 8. Mai, ist in Frankreich Feiertag - Kriegende 1945 - das wäre für uns auch besser als der Kohl-Feiertag 3. Oktober. Jedenfalls haben die Franzosen - nach dem 1. Mai schon wieder - ein langes Wochenende, und das Wetter ist prächtigst - heute Abend um 18 Uhr hatte es 27°, letzte Nacht habe ich das erste Mal ohne Pullover geschlafen. Also scheint ganz Frankreich unterwegs, viele in Bussen, dazu kommen die deutschen und holländischen Rentner mit ihren Wohnmobilen auf dem Rückweg vom Überwintern in Spanien
Die Tracks:
St -Gilles
Montpellier
geschrieben am 7. und 9. Mai 2014