Am Mittwoch, dem 8. Mai 2013, soll nun meine erste große Reise losgehen. Das Ziel ist Israel / Palästina und Jordanien,
vielleicht auch Ägypten, ich freue mich und bin gespannt auf viele bereichernde Eindrücke.
Zunächst fahre ich auf dem Landweg nach Iskenderun (ja, dort wo jetzt auch die Bundeswehr ist) im Südosten der Türkei,
denn von dort aus geht die derzeit einzige Fähre nach Israel, genauer: nach Haifa. Das sind 3300 km - der Umweg über
Ungarn ist den sehr hohen Autobahngebühren in Kroatien geschuldet, sonst wäre der Weg der gute alte Autoput.
Wenn's gut geht will ich nächsten Montag die Fähre erreichen, die nur alle 8 Tage fährt, sonst heißt es warten und die
Gegend um Antakya - das alte Antiochia am Orontes - erkunden.
... denn darin lebt ja sozusagen das alte Jugoslawien - wenn auch nur als ein trauriger Rest - fort. Jugoslawien
war meine Jugendliebe, und der wird man nicht untreu. Und außerdem
haben die Serben damals auf dem Amselfeld /
Kosovo Polje für
uns im Westen das Christentum gegen die heranstürmenden Türken gerettet. *
Sechs Tage bin ich jetzt in der Türkei und nun im Paradies gelandet - oder gestrandet, das ist Auffassungssache.
Montag, 13. / Dienstag, 14. Mai
Nachdem ich letzten Sonntag gerade 'mal bis kurz hinter
Ístanbul
gekommen war, war die am Montag abgehende Fähre unerreichbar. Also habe ich den Tag auf dem Parkplatz verbracht und die
Internet-Verbindung zum Arbeiten benutzt. Am Dienstag ging's dann weiter an
Ankara vorbei. Auch hier
sieht man wie in Istanbul wieder unzählige und sämtlich neugebaute Wohnblocks in einer Menge, wie das für Deutschland
unvorstellbar ist. Es ist
höchst beeindruckend, wie die Türkei Wohnraum für die in die Städte drängende Landbevölkerung schafft! Dass sie auch das
Bevölkerungswachstum bekämpft, habe ich im schon erwähnten Buch Glückseligkeit von Zülfü Livaneli gelernt: selbst
in den hintersten anatolischen Dörfern werden die Frauen informiert und werden Liebesballone verteilt. Die Mullahs
sind jedenfalls an dieser Stelle klüger als der Papst! Am Abend erreiche ich einen Rastplatz am
Tuz Gölü, dem
zweitgrößten See der Türkei mit einer Fläche von 1500 km², fast drei Mal so groß wie der
Bodensee. Der See
ohne Abfluss ist nur 1,5 Meter tief, hat mehr als 32% Salzgehalt, liefert 90% des in der Türkei verbrauchten Salzes und
Produkte für Schönheit und Gesundheit, die am Rastplatz verkauft werden.
Am Pfingstdienstag haben der Campingplatzbesitzer Fergin, seine perfekt Deutsch sprechende Freundin Swetlana aus
St. Petersburg und ich
einen Ausflug entlang der Küste und nach
Antakya unternommen,
der sich als sehr persönliche Pilgerfahrt herausstellen sollte.
Nun bin ich also doch noch mit der Fähre gefahren - und hatte auch einen sehr netten Begleiter!
Mittwoch, 22. Mai / Donnerstag, 23. Mai
Ich hatte es schon nicht mehr geglaubt und mir deshalb am Mittwoch Abend überlegt, was ich unternehmen werde, wenn
ich nicht nach Israel komme: klar, der Osten der Türkei ruft, vielleicht auch Armenien und Georgien. Am Donnerstag wollte
ich dann den letzten Tag im Paradies verbringen, morgens noch arbeiten
und dann detailliert planen. Ich habe auch schon gar nicht mehr nach meinem Schiff geschaut: es lag all die Tage im Hafen
in Haifa wie
festgewachsen. Ja, wäre die Einspritzpumpe nicht gewesen, wäre ich am vergangenen Montag in
Iskenderun gewesen,
dann wäre ich längst in Israel! Um die Mittagszeit habe ich mehr aus Langeweile auf die
Schiffskarte geschaut - und siehe da: mein Schiff bewegt sich, ist schon
fast in Iskenderun.
Noch vor der Fahrt mit der Fähre und nach
Sanlıurfa besuchte
ich nördlich von Kahta
das Tal des Euphrat, einer der vier Urströme bei der Erschaffung der Welt nach 1. Mose 2. Dort liegt der Karakus-Tepe,
der Adler-Hügel, von König Mithridates II. von Commagene um 25 v.Chr. als Grab für seine Angehörigen aufgeschüttet
und mit Säulen umgeben, von denen einige erhalten sind. Rechts vom Hügel ist das Tal des Euphrat, darüber der Nemrut Daği.
Nach einer geruhsamen Nacht im Villenviertel einer Provinzstadt erreiche ich
Diyarbakır, das Herzen
des kurdischen Teils der Türkei. Schon mehrfach wurde ich darauf angesprochen, dass der Krieg vorbei sei - gemeint
waren die Kämpfe mit den Kurden und der PKK; deren inhaftierter Führer hatte vor einigen Wochen eine Waffenruhe erklärt.
Tatsächlich sind die Polizeikontrollen jetzt weniger als
vor 23 Jahren. Und während wir damals
in Diyarbakır oft von Einheimischen angesprochen wurden, die uns Deutschen stolz erklärten, sie seien Kurden, scheint das
kein Thema mehr. Auffällig: hier sind nur selten Frauen mit Kopftuch zu sehen - Kurden sind liberale Muslime.
Wie in allen Städten, so auch hier: rund um die Stadt unzählige nagelneue oder im Bau befindliche Wohnblocks.
Ich habe das Wochenende auch deshalb im schönen
Muş verbracht, um am
Montag die große Ford-Werkstatt aufzusuchen, denn ich habe den Verdacht, dass meine Bremsen schlecht sind. Sofort empfängt
mich dort ein junger Mechaniker, offenbar sehr intelligent und fähig, aber kein Wort Englisch. Im Reiseführer hatte ich
nachgeschaut: frenler - versteht er aber nicht. Ich zeige aufs Pedal, sofort macht er sich an die Arbeit, tatsächlich
sind die Scheibenbremsbeläge fast verbraucht - wozu war ich vor der Abreise bei Inspektion und TÜV? Eine hübsche junge
Dame kommt, die kann Englisch, ist aber so heißer, dass sie kaum einen Ton herausbringt. Wir gehen lange Wege in ihr Büro.
Çaj für mich, den Mechaniker, die junge Frau. Wir sitzen. Sie tippt in den Computer - was wohl, sie hat keine Papiere von mir.
Sie tippt, er trinkt, ich warte. Wir gehen nach unten, ein Mann im schwarzen Anzug mit Lackschuhen kommt auf mich zu, gutes
Englisch: 25 € für die Beläge an den Vorderrädern, ob das ok sei? Und ob! Der Mechaniker macht sich an die Arbeit. Die
neuen Beläge passen nicht in der Türkei haben wir andere - kenne ich schon. Der Mechaniker versucht, sie passend zu
fräsen, was nicht gelingt. Sie werden versuchen, die richtigen aufzutreiben, ich gehe mit dem Schwarzbefrackten in sein
Büro.
Doğubeyazıt zu
verlassen fällt nicht schwer: außer dem Palast gibt es hier nichts, die Stadt ist schwül und staubig. Außerdem habe ich
gerade meine Krise: nach der Hochstimmung der vergangenen viereinhalb Wochen kommt die unausweichlich, jetzt ist sie da:
die Hitze, das ewige Weißbrot, kein Essig am Salat, Spätzle nur selbst gekocht und Schweinebraten gar nicht. Das ewig
nervige Autofahren, überall Menschen - man ist nie auch nur einen Augenblick alleine - und alle sprechen dieses merkwürdige
Türkisch. Der mehrmals täglich dröhnende Gebetsruf des Muezzin, meist wenig melodiös; die Armut der Leute, die mich zwar
nicht betrifft, aber dennoch belastet; der Staub - und nochmal Staub - und immer Staub. Ach, wäre es zuhause doch gemütlich
und behaglich ...
Ohne großen Plan schaue ich mir Sehenswertes in der Gegend an; noch nicht die ganz großen Highlights
Kappadokien mit den vielen
Touristen, sondern eher stillere Plätze, so den Ort
Ortahisar, der von
einem großen Wohnfelsen überragt wird.
Ich werde morgen nach sehr schönen Tagen und gut erholt Yaşar, den Besitzer, und seinen schönen Kaya-Camping verlassen -
noch nicht ahnend, dass mich die Kiste tatsächlich nicht liebt ...
Heute sehe ich mir noch die Feenkamine und die Kirche in
Paşabağ bei Göreme an, wo
angeblich Simeon Stylites der Ältere
lebte.
Ich stand über dem Schlund der Hölle und am Eingang zum Himmel; wer's nicht glaubt, wird es sehen. Zunächst erlebte ich
noch den himmlischen Sonnenuntergang am See von
Beyşehir; die
Sonnenuntergänge hier gehörten zu den weltweit schönsten, habe ich inzwischen gelernt aus dem Prospekt der Stadt, den mir
der Campingplatz-Besitzer stolz überreichte.
Am Morgen aber wurde es schwierig: Ich hatte es insgeheim befürchtet und es ist so eingetroffen: als ich aufbrechen wollte
in die Ford-Werkstatt nach
Beyşehir, ging die Kiste
gar nicht mehr an. Also bitte ich an der Rezeption des Campingplatzes, die Ford-Werkstatt anzurufen - es ist keine offizielle,
große, aber - so habe ich im Internet gefunden - eine auf Ford spezalisierte mit Computer-Diagnose und Fachwissen. Der
englische Sprechende nette Mitarbeiter des Campingplatzes lässt sich mit all den guten Worten, die ich vorbringe,
nicht bewegen, die von mit gewünschte Werkstatt anzurufen, sondern telefoniert mit einer anderen, die neben
allen anderen Automarken laut ihrer Visitenkarte auch Ford repariert; man macht hier die Geschäfte mit seinen Freunden.
Nach erholsamer Nacht besuche ich die Burg in
Silifke, deren Ursprünge
auf die Hethiter im 13. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen. Unter den Griechen enthielt sie einen Athene-Tempel, auch unter den
Römern war sie Kultstätte, dann Festung der Byzantiner gegen die Araber, ab 1210 für zwanzig Jahre Festung der
Kreuzfahrer, dann Burg der Ottomanen.
Ich breche auf, um Kolossä
zu finden. Ich weiß ziemlich genau, wo es liegen muss - viel ist nicht übrig, das weiß ich - aber ich finde es nicht. Hinterher
stelle ich fest, dass ich fast 80 km überflüssig in der Gegend herumgefahren bin: weil türkische Hauptstraßen v. a. in den
Zufahrten der Städte in der Mitte einen unüberwindbaren Grünstreifen haben; weil ich nirgendwo einen Wegweiser finde; weil ich
die Marmorsteinbrüche von weitem für Ausgrabungen halte; weil ich an der Stelle vorbeifahre ohne es zu merken, das
Schild steht nur in der Gegenrichtung; weil mein Navi die Orientierung verliert; kurzum: ich schwitze und ärgere mich. Als
ich schon aufgegeben habe, entdecke ich doch noch einen kleinen Wegweiser und dann diese Steine - dafür muss ich durch einen
Bach waten - wahrscheinlich Abwasser von den Sägen der Marmorfabriken.