Samstag, 9. Mai
In der Bucht am Campingplatz nutzen viele Einheimische die Ebbe, um etwas im Wasser zu sammeln - vermutlich Krabben, jedenfalls sind sie stundenlang damit beschäftigt, halb im kalten Wasser stehend.
Padrón, wo der Überlieferung nach Jakobus der Große mit seinem Schiff anlandete, empfängt mich ein Stahlwerk; der Apostel hätte sich für seine Ankunft in Spanien einen schöneren Ort aussuchen können, denn auch sonst macht der kleine Ort nicht viel her; die Kirche Santiago Apostolo direkt neben der Flussmündung bewahrt den Stein, an dem Jakobus sein Boot festgemacht habe. Sie wurde im 10. Jahrhundert erbaut und im 19. neoklassizistisch neu errichtet.
Jenseits des Flusses, gegenüber der Jakobuskirche, wurde ein großes Karmeliterkloster errichtet, das heute leersteht.
Im Zentrum dieses Städtchens: ein altes Kreuz …
… und die erste Gruppe von Wallfahrern
:
Süddeutsche - Ältere reden gerne laut - auf Erlebnistour beim Einkehren.
Eine Einsiedelei mit Kapelle, in der das Grab eines Gregor ist, wurde im 15. Jahrhundert dort errichtet, wo Jakobus dereinst predigte; früher gab es dort eine heidnische Kultstätte.
Die Maria geweihte Kirche in Iria Flavia bei Padrón war früher die Kathedrale des Bischofs der Region, bevor 1095 das Bistum nach Santiago de Compostela verlegt wurde. Rudesindus von Dumio war hier Bischof.
Hier begegnen mir nun die ersten echten Wallfahrer.
Endlich ist das Wetter jetzt ordentlich, auch an die erneute Zeitumstellung habe ich mich so langsam wieder gewöhnt;
Jakobus wirft seinen Segen
voraus …
… und dann bin ich am späten Vormittag da: am von so vielen so sehnlich erwarteten Ziel, der Kathedrale in Santiago de Compostela - leider mit Gerüst.
Neben der Kathedrale:
das ehemalige Kloster San Marin von Pinario, dessen Ursprünge sehr alt sind: 912 wurde es gegründet von Bischof Sisnando,
einem Verfechter der apostolischen Ursprünge seines Bistums
Iria Flavia; die
Ursprungskirche des Klosters, Santa Maria la Antigua de la Corticela
, heilige
Maria die Alte vom Gartenzaun
ist heute eine Kapelle an der Nordseite
der Kathedrale.
In der Kapelle Santa Maria la Antigua de la Corticela
kann man diesen Sarkophag aus dem 6. Jahrhundert bewundern;
die Kathedrale - somit der Fundort von
Jakobus
Gebeinen - liegt an der Stelle zweier Nekropolen, einer
vorchristlichen und einer frühchristlichen.
Südlich der Kathedrale steht das frühere Benediktinerkloster
San Pelayo de Ante Altares
, heiliger Pelagius vor den Altären
, heute Museum für sakrale Kunst …
… mit beeindruckendem Tor …
… und strenger Fassade zur Kathedrale hin.
Natürlich dürfen fliegende Händler und Bettler auch hier nicht fehlen …
… und auch die Gaukler nicht.
Merkwürdig: am Eingang zur Krypta mit den Reliquien
von Jakobus wartet niemand; an der Treppe, die hoch zum Hinterkopf der Statue am Hochaltar führt, stehe ich in der Masse
mehr als ½ Stunde Schlange; die Menschen fassen den schmucklosen Hinterkopf an und geben dann etwas in den Opferkasten;
ich umarme den abgegriffenen Hinterkopf des Apostels nicht, also bekomme ich auch nicht den Segen - der hier nicht wie in
Lourdes tatsächlich
zugesprochen und mit Kreuzeszeichen bekräftigt wird, sondern einfach stumm per Zettel vom diensthabenden Priester verteilt.
Die Westseite des Platzes vor der Kathedrale bildet der Palast de Raxoi
, im 18. Jahrhundert für den
KlerusEin Kleriker ist in der orthodoxen, katholischen, anglikanischen und altkatholischen Kirche ein geweihter Amtsträger, der eine der drei Stufen des Weihesakraments - Diakon, Priester oder Bischof - empfangen hat.
Im Unterschied zu den Klerikern bezeichnet man die anderen Gläubigen als Laien. Angehörige von Ordensgemeinschaften gelten, wenn sie nicht zu Priestern geweiht sind, als Laien und in der Orthodoxie als eigener geistlicher Stand. In den protestantischen Kirchen gibt es keine Unterscheidung von Klerus und Laien.
gebaut, heute das Rathaus der Stadt.
An der Nordseite des Platzes vor der Kathedrale steht das Hospital der katholischen Könige
, errichtet 1492, mit
Fassade aus dem 17. Jahrhundert, heute Parador-Hotel.
Dass die Bischöfe durchaus zu leben wussten, zeigt im Museum der Raum voll von Tapsisserien des jungen Francisco Goya, um 1785, allesamt mit weltlichen Motiven.
Keine Frage: Santiago ist Welt-Kulturerbe …
… und bot Künstlern vielfältige Möglichkeiten. Einer hat sich mit seinem Haus unweit der Kathedrale selbst ein Denkmal gesetzt.
Auffällig war, dass unter den Touristen aus aller Welt nur wenige Leute als Pilger erkennbar sind. Ich habe auch eine spirituelle Atmosphäre vermisst: die architektonisch wirklich beeindruckenden und schönen, bei aller Pracht - ausnahmsweise - nicht protzigen, sondern maßhaltenden Gebäude könnten demnach auch die eines geschmackvollen Fürstenschlosses sein. Natürlich gibt es viele Messen in vielen Sprachen und in zwei Beichtstühlen warten Priester - dennoch wirkt alles eher geschäftsmäßig. Vielleicht waren auch meine Erwartungen zu hoch - aber das Ziel ist m. E. den langen Fußmarsch nicht wert. Und der örtliche Campingplatz nicht das Geld.
Sonntag, 9. Mai
Ich fahre nach Norden, Richtung Atlantik. Angekündigt war für heute wolkenloser Sonnenschein, bis fast Mittag aber herrscht dichter Nebel. Dann lichtet es sich und gibt den Blick auf die bergige und zunehmend spartanische Heidelandschaft frei. Es gibt hier viel Regen und Wind, deshalb viele Windräder, aber wegen der Winderosion auch kaum fruchtbaren Erdboden.
Im Küstenort Viveiro an der nördlichsten Spitze Spaniens gibt es ein
Kloster, das mit der
Legende des Seefahrers Amarus verbunden ist. Mein
Entschluss, die Messe nicht in der
Kathedrale von Santiago,
sondern hier zu besuchen, war richtig: ein atmosphärisch schöner Gottesdienst eines recht jungen Priesters und sehr nette
Dominikanerinnen - das Kloster ist noch
bewohnt.
Und wenn ich schon hier bin, muss ich mir auch den Hafen anschauen, der in einer Bucht weit vom offenen Meer entfernt
liegt; der Anzahl der großen Fischfänger nach lohnt sich das Geschäft mit den Meerestieren doch noch.
Sogar eine eigene Werft gibt es hier.
Nahe der Küste fahre ich durch hohe Berge gen Osten, um den Weiler
Santa Cecilia del Valle
de Oro zu suchen, der bei Valadouro liegt, aber auf keiner Karte verzeichnet ist;
Innozenz von der unbefleckten Empfängnis
Canoura Arnau wurde hier geboren. Schließlich finde ich nach manchem Fragen und mit Hilfe dieser Frau von einer anderen
Kirche in der Gegend unter all den vielen Streusiedlungen - denn hier in einem Tal ist fruchtbares Land - die Kirche von
Santa Cilla
- man spricht und schreibt hier eben galicisch; Santa Cilla ist kein Ort, sondern die Bezeichnung der
Gruppe der zur Kirche gehörenden Weiler - das kann keine Karte verzeichnen.
Mir fällt auf, dass die Heimatorte der Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges, die ich bislang besuchte, alle tiefste
Provinz sind; die intelligentesten der Bauernbuben bekamen eine Chance, ausgebildet zu werden, in die Stadt zu kommen,
Priester zu werden - und starben dann meist noch sehr jung.
Ob diese Tonfigur an der richtigen Kirche in Santa Cecilia Innozenz von der unbefleckten Empfängnis darstellen soll, konnte ich leider nicht in Erfahrung bringen.
Auch nicht in meinem Navi, aber immerhin bei Google-Maps verzeichnet: die alte
Kirche San Martin de Mondoñedo in O Caritel, früher
Bischofskirche, an der Rudesindus von Dumio
amtierte; 1112 wurde das Bistum ins Landesinnere in die Stadt Dumio, die nun demnach
Mondoñedo benannte
wurde, verlegt.
Dass der Wetterbericht
mit wolkenlosem Sonnenschein
leicht übertrieben hatte, sieht man.
Zum Inventar der Kirche gehört diese alte Standuhr.
Lugo, wieder im Landesinnern, ist auch eine Stadt mit fast komplett erhaltener Stadtmauer rings um die Altstadt, 2 km lang, 15 m hoch, mit sieben erhaltenen Toren, in Teilen noch aus dem 3. Jahrhundert stammend.
Die Kathedrale der Stadt, deren Patron Froilan ist.
In ihr wird Maria mit den großen Augen
verehrt.
Zwar schon alt, aber in Gebrauch am Eingang der
Kathedrale: der
Opferstock zur Segnung der Seelen im Fegefeuer
.
das Rathaus
der Begründer der Zeitschrift der Fortschritt
Ruitelan bei Lugo ist ein ganz kleiner Ort in einem herrlichen Tal; Froilan lebte hier als Einsiedler in dieser Kapelle, zu der Zeit, als die Wallfahrten nach Santiago de Compostela, deren Weg durch dieses Tal führt, gerade begannen.
Der Hauptweg der heutigen Jakobspilger geht noch immer durch den Ort, auch wenn inzwischen oben am Berg die Autobahn entlangführt und ihren Anblick und ihre Geräusche herunterschickt. Aber ich habe sie bis zur Ausfahrt auch benützt … In jedem zweiten Haus werden Zimmer angeboten, der Jakobsweg ist ein wirtschaftlicher Segen für die einsame Gegend.
Etwas weiter westlich liegt am Jakobsweg die kleine Stadt Villafranca del Bierzo, wo Laurentius von Brindisi auf dem Friedhof des Klarissenklosters bestattet wurde; sein Grab wurde später im Krieg von den Franzosen geschändet und zerstört. In dem Städtchen am Pilgerweg haben sich die Orden mit großen Klöstern niedergelassen, hier das ehemalige Jesuitenkloster von 1620, heute von Paulanern bewohnt.
Auch die Kirche des Augustiner-Chorherrenstiftes kann Eindruck machen. Schon früher war der Jakobsweg eine gute Einnahmequelle: die Pilger spendeten für Unterkunft und Verpflegung und so mancher, der den Beschwerden der Wanderung nicht standhielt, änderte nach einem Beichtgespräch sein Testament …
Bis heute verstehen die Menschen hier zu leben, am Sonntagabend sind die Gaststätten am Hauptplatz gut gefüllt.
Das ist im Vergleich zu meiner Reise im vorigen Jahrdieses Jahr
auffallend anders: die Leute sparen nicht mehr ganz so offensichtlich an allem, sie leben auch. Ob das daran liegt, dass
südlich der Pyrenäen die Menschen herber und damit auch weniger lebenslustig sind als im Süden in
Andalusien,
aber jetzt auch hier im Norden in
Galicien und
Kastilien,
wo ich inzwischen angekommen bin, oder ob es in einer besseren Wirtschaftslage begründet ist? Die Daten der spanischen
Wirtschaft sprechen dagegen, aber dieses Jahr sind Wahlen - zunächst schon Ende Mai Kommunalwahlen - vielleicht gab es
Wahlgeschenke?
Montag, 11. Mai
In Ponferrada ist in der Schule gerade große Pause - die man auf dem Rathausplatz vor der Schule verbringt.
Auch Ponferrada liegt
am Jakobsweg. Die massive Festung stammt von den Templern,
erbaut im 13. Jahrhundert. Der Ortsname eiserne Brücke
stammt von der für die Pilger im 10. Jahrhundert gebauten und
mit Eisen verstärkten Brücke. Eisen wurde in der Gegend schon von den Römern abgebaut - und Gold, tonnenweise, bis zu
100.000 Sklaven waren damit beschäftigt.
Die Kirche Nuestra Señora de la Encina
, Unsere
liebe Frau von der Steineiche
, hat ihren Namen von dem Marienbild, das Bischof
Turibius von Astorga von einer
Wallfahrt nach
Jerusalem mitgebracht
hatte, das dann vor den Arabern versteckt wurde, als verschollen galt, schließlich um 1200 von einem
Templer unter einer Steineiche wiedergefunden wurde.
Pons ferrata
Von Ponferrada fahre ich nach Süden in die Berge: schmale Straße, herrliche Gegend, kleine verschlafene Dörfer, bald schon hohe Berge, Schneereste auf ihrer Spitze.
Das Kloster Montes di Valdueza wurde im 7. Jahrhundert von Fructuosus von Braga gegründet und nach der Zerstörung durch die Muslimen durch Gennadius von Astorga wieder eröffnet. Erhalten blieb die Kirche …
… für die wenigen Bewohner des Bergdorfes auf fast 1500 m Höhe.
Unweit, noch etwas höher, liegt Peñalba de Santiago, dort wurde das Kloster von Gennadius von Astorga gegründet. Das Örtchen ist im Unterschied zum vorigen in gutem Zustand, offenbar von Liebhabern und Künstlern bewohnt.
Auch hier an der ehemaligen Klosterkirche zu sehen wie so oft: die abgetrennte, den Turm ersetzende Frontfassade als Glockenträger.
Zurück in Ponferrada folge ich der Empfehlung des Reiseführers (schon älter, aber gut: Werner Schäfke: DuMont-Kunstreiseführer Nordwestspanien, Köln 1987) und fahre nicht über die Autobahn nach León, sondern auf einer - eher schlechten - Straße entlang des traditionellen Pilgerweges über die Berge. Überall am Rande des Weges stehen nun alte Kirchen …
… und zunehmend begegnen mir nun Wallfahrer - allein, zu zweit, in kleinen Gruppen, oft auch mit dem Fahrrad unterwegs; die besser Situierten müssen kein Gepäck mit sich schleppen, sondern lassen es von Unterkunft zu Unterkunft transportieren.
Der Pilgerpfad - immer neben, teilweise abseits der Straße - ist mal besser, mal wie hier weniger gut ausgebaut.
Dass die heutigen Wanderer auch um die Mittagszeit unterwegs sind, verstehen die Einheimischen wohl kaum; jedenfalls steht vielen die Anstrengung ins Gesicht geschrieben, da es zwar nicht heiß ist, aber die Sonne doch schon brennt; Rasten hilft.
Viele Kreuze säumen den Weg. Man legt an ihnen einen Stein ab zum Zeichen für die Sünden, von denen man sich durch die Wallfahrt befreien möchte, und mit der Bitte um Geleit auf dem weiteren Weg. Früher lauerten oft Räuber und verführerische Frauen an der Strecke: die Leute hatten ja viel Geld bei sich, als es noch keine Bankomaten gab.
Manche Häuser am Weg sind inzwischen verfallen.
5 Meter hoch ist das Eisenkreuz
, umgeben von einem großen Haufen von Steinen, auf der Passhöhe des Monte Irago
,
des zornigen Berges
, der den Pilgern im Winter mit Schnee, im Sommer mit Hitze, immer mit Verpflegungsmangel und
Einsamkeit zusetzte.
Die heutigen Wanderer lassen nicht nur Steine, sondern allerlei Andenken dort. Im Hintergrund ist am Boden eine Sonnenuhr.
Etwas unterhalb des Passes liegt
Foncebadon, 1440 m
hoch. Der Reiseführer aus dem Jahr 1987 erzählt von den aufgegebenen Häusern des damals verlassenen Dorfes, das 1900 noch
215 Einwohner hatte. 30 Jahre später sind viele der Häuser eingestürzt, aber es gibt auch wieder Neubauten: vier Pensionen,
drei Restaurants, eine Bar, einen kleinen Supermarkt - der in die Mode gekommene Jakobsweg bringt wieder Geld und Leben in
die Berg. Schon 1103 gab es zwei Herbergen, zwei Hospitäler und ein Kloster.
Das Kreuz erinnert an ein Konzil, das im Jahr 946 hier
stattfand um zu beraten, wie man den Pilgerweg sicherer machen und das Räuber- und anderes Unwesen eindämmen könne; König
Ramirus II. stiftete dann ein Kloster als Unterkunft für die Reisenden.
Auch die abseits der Autostraße durchs Dorf führende Straße, der eigentliche Pilgerweg, wird nun wieder instand gesetzt.
Ob Rundhütten hier wirklich traditionell sind? Dazu strohgedeckt, das es hier weit und breit nicht gibt? Aber die Fremden
freut's, und weil die anderen es fotografieren, tue ich es auch.
Vielleicht ist es aber doch Tradition: die Menschen in dieser Gegend, so lese ich, sind eine besondere Volksgruppe: die
Ethnologen deuten auf einen hier in den Bergen bei der Reconquista vergessenen
Berberstamm. Also doch ein
afrikanischer Gral?
Die frühere Kirche des Dorfes ist jetzt kirchliche Pilgerherberge.
Von Foncebadon geht es wieder bergab, in die Ebene nach Astorga.
Sendo heißt der Künstler, der 2014 diesen Pilger nahe des
Kreuz des
Turibius
bei Astorga schuf.
Dieses Traumschloss hat nicht der bayerische Kini
, sondern der Bischof von
Astorga als seine
Residenz in Auftrag gegeben, nachdem 1886 der Vorgängerbau abbrannte. Noch vor seiner Fertigstellung starb er 1893, der
Nachfolger durfte den Palast aufgrund einer Einsprache des Domkapitels nicht beziehen.
Limburg ist kein
Einzelfall, Tebartz van Elst nicht singulär, alles ist schon einmal dagewesen. Der märchenhafte Bau ist nun Museum des
Pilgerwesens
.
Auch die Kathedrale in Astorga ist nicht von schlechten Eltern - der rechte Turm erst vor einigen Jahren fertiggestellt worden.
Unweit der Kathedrale
ist die Pilgerherberge.
Astorga ist ein sehr nettes kleines Städtchen - mit Aha-Erlebnis der besonderen Art: es gibt jede Menge freier
Parkplätze auch im Zentrum!
Höher als die Bäume: Maria Immaculata
Ob sie sich traut? (Sie tat es nicht!)
Weinige Kilometer sind es jetzt noch nach León, der Hauptstadt von Kastilien. Als ich am Campingplatz ankomme, ist das Tor zu, kein Zettel, kein Hinweis, keine Telefonnummer, kein Mensch weit und breit - obwohl ich zuvor im Internet recherchiert hatte. Ich brauche jetzt aber dringend eine Waschmaschine - seit längerem war Waschen nicht mehr möglich - und eine Dusche - bei so wenig Sonne funktioniert meine nicht, ich habe eine Solar-, keine Pluviar-Anlage auf dem Dach. Auch zwei weitere Campingplätze in der Gegend sind zu: einer nur am Wochenende geöffnet, der andere ist inzwischen ein Freibad. So fahre ich kurz entschlossen gen Norden, an die Küste. Die Karte hatte Autobahn gezeigt, tatsächlich ist es zwar vierspurig, aber mit engen Kurven und großen Steigungen: es geht über die kantabrischen Kordillieren, die sind bis zu 2200 m hoch, der Tunnel durch den Pass liegt auf 1600 m; die Fahrt zieht sich, die Landschaft entschädigt.
Tatsächlich: in Gijón
ist der Campingplatz geöffnet, liegt direkt am Meer mit Blick auf die Stadt, nennt sich Sufer-Paradies
- wie man
sieht: zurecht. Die Einrichtung ist weniger paradiesisch, aber Waschmaschine und Dusche funktionieren und nach einigen
Versuchen schmeist es bei der vierten von vier Steckdosen auch nicht die Sicherung.
Dienstag, 12. Mai, bis Donnerstag, 14. Mai
In Gijón steht die Kirche San Pedro direkt am Wasser.
Schön ist anders, eine geschäftige Hafenstadt eben, aber stolz darauf, der Anfang der Römerstraße gewesen zu sein, die durch die iberische Halbinsel bis nach Sevilla führte.
Am ehemaligen Jesuitenkolleg erinnert eine Gedenktafel in faschistischer Architektur an die Märtyrer des Spanischen Bürgerkrieges.
Ich suche allerdings Märtyrer aus dem Augustinerorden; immerhin kenne ich
die Hinrichtungsorte: einen Fluss und diesen Wald am Stadtrand.
Am Campingplatz gibt es Internet, es funktioniert aber derzeit
leider nicht - wie soll ich weiter planen? Bei
McDonalds gibts immer Internet! Aber in
Gijón keine
Burger-Filiale, nur Werbeplakate (von dem anderen Junk-food-Brater). Fündig werde ich erst weit außerhalb, am Autobahnkreuz.
Mittwoch, der 13., geht dann doch noch versöhnlich zuende: mit diesem großartigen Sonnenuntergang.
Der Donnerstag brachte dann heftigsten Sturm, von früh morgens bis spät in die Nacht; teilweise konnte man sich kaum
auf den Beinen halten, die Wellen schlugen an den Felsen hoch, meine Kiste schaukelte wie auf hoher See, der Wind war
eisig kalt und drang durch alle Ritzen: der Atlantik zeigte, was er kann. Dazu schien hier zwar meist die Sonne - die aber
keine Wärme erzeugte -, an den nahen Bergen jedoch stauten sich tief graue Wolken.
Überhaupt war das Surferparadies
trotz seiner dürftigen Ausstattung ein Platz mit interessanter Aussicht: von
Bett und Schreibtisch ging mein Blick direkt in die Bucht, sah den Wellengang, die Gezeiten, zwei Surfer - mit Neoprenanzug
- und tatsächlich einen abgehärteten Schwimmer. Nicht erholsam also, aber spannend - genauso stelle ich mir auch das richtige
Paradies vor.
Die Tracks:
Santiago di Compostela
Bierzo
Gijon
Gijon2
geschrieben am 12., 13. und 14. Mai 2015