Samstag, 2. Mai
Für heute hatte der Wetterbericht Trockenheit versprochen; ich fahre deshalb ins Landesinnere nach Amarante, wo Gundisalvus Amaranthus lebte - und fahre durch Regen, ja teilweise Nebel. Amarante empfängt mich dann doch mit etwas Sonne - wenn sie durchkommt, ist es auch gleich warm. An der Stelle von Gundisalvus' Einsiedelei wurde ein Dominikanerkloster gegründet, daneben ist heute großer Markt mit vielen Leuten und Amarante ein nettes Provinzstädtchen - na also!
Man kann Gundisalvus auch kaufen …
… oder am Brunnen im Kloster Wasser aus diesem Totenkopf zapfen.
Die Fahrt zu der Stelle
des Hauses in Tagilde, wo Gundisalvus
geboren wurde, führt durch tiefste Provinz. In den Städten in Portugal sind die meisten Straßen gepflastert - mit Hebungen
und Senkungen, es ruckelt und schuckelt und macht einen Höllenlärm, die Kiste windet sich, und wenn es nass ist, ist es
auch schlüpfrig - Feeling wie damals in der DDR. Jetzt sind auch die Landstraßen gepflastert, dazu eng, bergig, kurvig:
man braucht Geduld.
Auf der Suche nach der Kirche, an der Gundisalvus wirkte, finde ich diese Kapelle.
Schließlich finde ich die Kirche im Dorf São Paio Vizela, an der Gundisalvus Pfarrer war - umrahmt von einem hypermodernen Neubau. Man beachte den Bankomaten im Kirchturm - wohl ziemlich einmalig!
Am Nachmittag in Guimarães, wo Gundisalvus angeblich in den Dominikanerorden eintrat, regnet es dann wieder …
… dabei könnte die Stadt eigentlich wohl ganz schön sein.
Guimarães war 2012 Europäische Kulturhauptstadt
; der Ort spielte in der Geschichte Portugals eine wichtige Rolle,
nennt sich Wiege der Nation
, denn hier wurde der erste König des Landes, Alfonso Henrique, wohl 1109 geboren. Und in
diesem Haus stand auch die Wiege des Medizinprofessors und Malers Abel de Lima Salazar, der sich im Widerstand gegen den
gleichnamigen Diktator hervortat.
Die Suche führt mich auch auf den Friedhof der Stadt: pompös, wie im Süden üblich. Was mich überrascht, ist die große Menge der Besucher an diesem Samstag - auch wenn das Bild dies zufällig nicht zeigt: man würdigt die Toten!
Der Innenhof des Wohnhauses von Alexandrina Maria da Costa im Dorf Balasar ist heute eine Wallfahrtsstätte.
Die Vorrichtung zum Wasserschöpfen aus dem Brunnen zeigt, wie beschwerlich das Leben auch in diesem noblen Haus war.
Ich bin wieder auf einem Jakobsweg. Der Weg aus Portugal nach Norden ist nicht wirklich empfehlenswert, es gibt nur die
Straße, keine seperaten Fußwege, auch keine Pilgerunterkünfte. Dementsprechend sehe ich auch nur einmal ein nach
Wallfahrt aussehendes Wandererpaar. Die Nachrichten melden
heute den ganzen Tag, dass ein Auto in eine nach
Fátima wandernde
Pilgergruppe raste, fünf Menschen in den Tod riss und weitere verletzte.
Heute, am Brückentag, fällt auch mir auf, dass manche wirklich rasen. Die Quote der tödlichen Unfälle liegt in
Portugal über der in Deutschland - das liegt wohl an den oft mäßigen Straßen und dem Zustand der Autos: in Deutschland
sind Privatautos im Schnitt 9 Jahre alt, hier - gefühlt - deren 18. Die Todesquote in Spanien ist dagegen sehr niedrig:
es wird recht langsam gefahren, auf bestens ausgebauten und sehr mit Sicherheitsmerkmalen ausgestatteten Straßen: viele
Fahrthinderer
an Gehwegen, Geschwindigkeitsempfehlungen (nicht -beschränkungen!) vor Kurven, klare Verkehrsführung.
Die Kirche der Jesuit in Braga; aus dem Kolleg gingen die Missionare Franziskus Aranha und Michael Carvalho hervor.
Der Turm neben der Jesuitenkirche
ist Teil der ehemaligen Stadtmauer und mit einem Maria
geweihten Oratorium ausgestattet, weil man ihrer
Fürsprache die Verschonung beim Erdbeben von 1755 verdanke.
Braga ist seit jeher das religiöse Zentrum des Landes. In Braga wird gebetet, in
Coimbra studiert, in
Porto verdient man Geld, in
Lissabon gibt man es
aus
, sagt der Volksmund. Braga soll 365 Kirchen, Kapellen, Klöster und sonstige Heiligtümer haben, eines für jeden Tag
des Jahres.
Sonntag, 3. Mai
Morgens besuche ich die Victor von Braga
geweihte Kirche -
sie ist überfüllt, obwohl es schon die dritte Messe an diesem Morgen ist und noch zwei weitere folgen werden. 60 % der
Einwohner der Stadt besuchen jeden Sonntags die Messe - absoluter Landesrekord!
Auch diese Kirche ist mit Azulejos geziert - das Wort kommt übrigens aus dem Arabischen: al-zuleiq
, kleiner,
polierter Stein
.
Den Gottesdienst besuche ich in der
Kathedrale. Dass es
- wie jetzt immer - heftig regnet, sieht man, ich kann das Objektiv gar nicht so schnell putzen, wie es nass wird.
Die Messe ist richtig wohltuend. Der Erzbischof hat eine sehr angenehme Stimme, die romantische Orgel macht schöne Töne
und ein richtig guter Chor - ca. 20 Frauen und 5 Männer - singt ansprechende Melodien. Richtig beschwingt gehe ich - in den
Regen.
Ein erhaltener Stein zeigt, dass die im 13. Jahrhundert gebaute Kathedrale an der Stelle einer Kirche aus römischer Zeit errichtet wurde.
eine Seitenkapelle: Barock und Azulejos.
Petrus hält den Gekreuzigten. Und ich dachte immer, es sei umgekehrt.
Bartholomäus von den Märtyrern Fernandes war Erzbischof in Braga, ebenso wie zuvor Gerald von Braga, Martin von Braga und der angeblich erste Bischof, Petrus von Rates.
Es war schön hier. Und ergiebig dazu.
Im Kloster der nun nach ihm benannten
Kirche war
Fructuosus von Braga Abt und Bischof.
Habe ich eigentlich schon einmal erwähnt, dass es hier ständig regnet?
Auch Martin von Braga ist im Stadtteil Dume eine Kirche geweiht, neben der 1950 ein schönes Denkmal errichtet wurde …
… und in der Nähe hängt dieses Azulejo mit seinem Sinnspruch an einer Gartenmauer: Das Haus ist nie zu klein für viele
Freunde.
Das ehemalige Dominikanerkloster in Viana do Castelo gründete Bartholomäus von den Märtyrern Fernandes.
Die Stadt am Meer nannten schon die Römer die Schöne
, mit ihrem mittelalterlichen Stadtkern kann sie
auch heute bezaubern. Es sei denn, es regnet.
Die Stadt könnte ohne Regen schön sein. Der Campingplatz am Meer dagegen ist, was die Ausstattung betrifft, unerträglich.
Dem bayerischen Ehepaar, das seine erste Nacht in Portugal verbringt, antworte ich auf ihre Fragen, dass die
Campingplätze des Landes normalerweise besser seien, das Wetter aber in diesem Jahr nicht. Sie tragen es mit Fassung.
Portugal ist das Land des Fado, der Musik vom Schicksal
- schwermütig, melancholisch. Fado handelt von
saudade
, dem Weltschmerz, der ewigen Sehnsucht nach der Ferne und mehr noch - wenn man weg ist - nach der Heimat,
singt von unglücklicher Liebe, Trennung, Tod, von dem verlorenen Weltreich, von den Seeleuten, die aufs Meer hinausfahren und
nie zurückkehren, von den Frauen, die auf sie warten - und für mich dieses Jahr eben auch vom trostlosen Wetter, auch in
dieser für mich letzten Nacht in diesem Land.
Montag, 4. Mai
Ich fahre durch die - eigentlich wunderschöne, aber verregnete und nebelbedeckte - Bergwelt in das kleine Dorf Torneiros bei Ourense in Spanien, weil Francisco Míguez Fernández dort geboren wurde.
Im Dorf davor steht die Kirche.
Das mächtige Kloster in Celanova gründete Rudesindus von Dumio.
In der kleinen Stadt fallen diese für Galicien typischen, aber auch schon im Norden Portugals häufig zu sehenden Getreidespeicher ins Auge.
Typisch für Galicien sind auch die immer überdachten, oft auch verkleideten Balkone, denn hier regnet es vom Atlantik her fast ständig.
Über Corvillón, wo
Francisco Míguez Fernández
geboren wurde, erreiche ich die Privinzhauptstadt Orense /
Ourense.
Zwar habe ich die portugiesischen Nasal- und Rachenlaute nun hinter mir, dafür bin ich wieder damit konfrontiert, dass
in Spanien nicht einfach spanisch gesprochen und geschrieben wird, sondern hier eben in
galicischer
Form. Nicht so häufig wie in
Katalonien,
aber doch verbreitet sind auch die blau-weißen Landesflaggen.
Die Kathedrale steht hier nicht wie üblich auf dem Berg, sondern in der Unterstadt, was ich trotz Navi aber erst
bemerkte, als ich den Berg mühsam zu Fuß erklommen hatte. Aber in der ehemaligen Hauptstadt des Königreichs der Sueben
ist mir natürlich keine Mühe zu groß und außerdem - die Heimat lässt grüßen - ist das Wetter recht gut!
Bischof Isidor von Antiochia wurde in der Schwabenhauptstadt von Arianern gemartert.
Im Weiler Casdemiro bei Ourense suche ich das Geburtshaus von Benedikt Feijóo y Montenegro und bleibe in einer engen Gasse fast wieder stecken, fahre aber rechtzeitig rückwärts. Erst heute morgen hatte ich eine Abzweigung verpasst und die vom Navi vorgeschlagene Ausweichstrecke war Dank einer Kurve zwischen Häusern so eng, dass es nicht ohne Schrammen an der Kiste abging.
Dienstag, 5. Mai bis Freitag, 8. Mai
Im kleinen Weiler Pazos Ermos bei Ourense wurde Manuel Formigo Giráldez geboren.
Im Haus der Dorotheenschwestern in Tui lebte Lucia de Jesus einige Jahre.
Von Tui fahre ich nochmals nach Portugal. Gleich hinter der Grenze liegt Ganfei Valença, der Geburtsort von Theotonius von Coimbra, wo ihm diese Kapelle und eine Statue gewidmet sind.
Der Fluss Miño, portugiesisch Minho, ist die Nordgrenze Portugals zu Spanien. Der breite Fluss war früher ein Hindernis für die Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela, heute überquert ihn diese Brücke: oben für die Eisenbahn, unten für den Straßenverkehr.
Portugal musste seine Grenze auch hier mit einem mächtigen Kastell schützen.
Ich verabschiede mich nun endgültig von diesem Land - einerseits mit etwas Wehmut, weil die höflichen, umsichtigen,
ja introvertierten Menschen mir gefallen, andererseits mit einer gewissen Vorfreude auf den Luxus
in Spanien.
Gestern hatten mir die Pflasterstraßen mit ihrer Schaukelei doch tatsächlich zum Anschluss noch die Hauptsicherung meiner
Elektroinstallation aus ihrer Fassung gewackelt!
Am ehemaligen Jesuitenkolleg in A Guarda wirkte Franz Gárate Aranguren.
Jetzt führen fast alle Wege nach Santiago de Compostela.
In Pontevedra - auch
hier lebte Lucia de Jesus im Konvent der
Dorotheenschwestern - fallen die Häuser mit ihren Stelzen
auf. Auch daran sieht man:
Galicien ist
der Landstrich des Regens, obwohl heute das Wetter ausnahmsweise ordentlich ist.
Der Atlantik ist nahe.
Ich verbringe die nächsten Tage schreibend - wieder mit Regen und oft kaltem Wind - auf einem
Campingplatz direkt
am Wasser in einer schönen Bucht. Das Meerwasser hat 15°, an Baden ist also nicht zu denken. Aber ruhig ist es hier - ich
bin all die Tage der einzige Gast.
Die Tracks:
Viano do Castelo
Braga, Ourense und Banio gibt's nicht.
geschrieben am 3., 6., 7. und 8. Mai 2015