Donnerstag, 5. Juni
Zum Abschied vom Campingplatz in Huesca noch ein Blick auf die dortige Elektrotechnik - aber es funktioniert und ich habe mich hier wohlgefühlt.
In Jaca wird
Eurosia verehrt, die im Kampf gegen die
Muslimen das Martyrium erlitten habe - eine typische Legende aus der Reconquista; die Verehrung bewirkte zudem, dass
der Pilgerpfad nach Santiago
de Compostela nun durch diese Stadt führte - was wirtschaftlich bedeutsam war.
Jaca wurde dann auch Bischofssitz; der Altar in der Kathedrale zeigt den Kämpfer
Michael und unten die Legende der Eurasia.
schöne Kanzelbrüstung im mozarbischen Stil
Vor der Kathedrale wird eine Gruppe Behinderter vorbeigeführt. Auch später an einem Altersheim fällt mir auf, wie eine ganze Gruppe beim Ausgang begleitet wird. Es gibt offenbar viel Personal und / oder Freiwillige, sich um die schwachen zu kümmern.
Eine kilometerlange Fahrt bergauf durch den Wald mit großartigen Aussichten bringt mich ins Kloster
San Juan de la Peña,
das der Legende zufolge auf Johannes von
Atarés sowie Votus und Felix zurückzuführen
ist. Es ist vom Felsen überdacht, als wollten sich die Gesteinsmassen jeden Augenblick wie ein zähflüssiger Brei über
das Gebäude ergießen,
schreibt der Reiseführer zurecht.
Auf dem Rückweg, fast schon wieder am Fuß des Berges, sind die Häuser des Dorfes Santa Cruz de la Serós denen in den Alpen ähnlich. Und der Kamin erinnert an ein Minarett - fast wie ein Überbleibsel aus der Maurenzeit.
Die Dorfkirche, Santa Maria, strebt eindeutig nach Höherem.
Zurückgekehrt folge ich wieder dem Tal des Flussus Argón - daher der Name des Landes - und meine Strecke ist wieder Jakobsweg, jetzt durchgehend mit Kennzeichen an der Straße und am neben der Straße herlaufenden Pilgerpfad - manchmal allerdings müssen die geplagten Pilger auch die Autostraße benützen.
Die erste Brücke über den Aragón ins danach benannte Städtchen
Puente la Reina de Jaca
wurde im 14. Jahrhundert errichtet, um den von Norden kommenden Pilgern die Flussquerung zu erleichtern.
807 km sind es noch nach
Santiago de Compostela.
Die Pilger, die ich jetzt sehe, können von hier aus einigermaßen bequem in genau 50 Tagen, am 25. Juli zum
Jakobusfest, dort sein.
Auch die Kirche des Klosters San Salvador de Leyre beherbergt königliche Gebeine: jene der ersten Könige von Navarra aus dem 9. / 10. Jahrhundert.
Die fast ausstattungs- und schmucklosen romanischen Kirchen - in Spanien eher selten, in Frankreich die Regel - sind für mich sehr viel eindrücklicher als jene mit barocker Wucht.
Großartig auch das Portal aus dem 12. Jahrhundert, hier der Mittelteil mit dem Martyrium von Nunilo und Alodia.
Nächste Station ist eine Burg wie aus Bilderbuch: die Geburtstätte von Franz Xaver. In ihr haben die Jesuiten ein sehr sehenswertes Museum eingerichtet und ich kann schöne Bilder machen.
Am Spätnachmittag bin ich in Sangüesa, einem netten Städtchen, wieder überragt vom segnenden Christus.
Die mächtige Kirche Santa Maria la real ...
... hat wieder ein großartig gestaltetes Eingangsportal; die vielen Pilger auf dem Jakobsweg brachten Reichtum mit sich.
Aus Sangüesa
stammt das erste Zeugnis vom Pelota
-Spiel, dem baskischen Nationalsport, der auch weiter im Osten gebräuchlich ist
- eine Art Sqash, gespielt in Gruppen als Wettbewerb.
Jakobus und die Muschel - hier an der ihm geweihten Kirche - sind jetzt ebenso allgegenwärtig wie die Pilger ...
... und die barocke Pracht.
Abends in Olite, abseits des Jakobswegs und in meinen Reiseführern nicht verzeichnet, entdecke ich ein überaus bezauberndes Städtchen, hier das Portal der Petruskirche.
Der Mann in der roten Schürze ist der Metzger, auf Kundschaft wartend ...
Das Portal der Marien kirche, gestaltet 1285 ...
... liegt neben dem Schloss, von dem ein deutscher Reisender im 15. Jahrhundert sagte: Ich bin sicher, dass kein König
einen schöneren Palast oder ein schöneres Schloss hat mit so vielen goldenen Räumen.
So jedenfalls stehts auf der
Infotafel und er hat wohl nur ein wenig übertrieben.
Man verbringt den Abend auf dem Platz vor dem Schloss, die Kinder spielen, der Polizist schaut nach dem Rechten, man redet und scherzt - konsumieren tut keiner, man hat ja im Krisenland kein Geld. Ich dagegen gehe Essen - gut und sehr reichlich -, bin der einzige Gast und kann deshalb die Frage, ob sie den Fernseher anschalten soll, verneinen. Später arbeite ich im Auto, es hat um 23.30 Uhr noch immer 25°, da kann man nicht meckern, aber auch nur schwer einschlafen ...
Freitag, 6. Juni
In Pamplona lässt sich die Kathedrale im Gegenlicht der gleißenden Sonne wieder nicht recht fotografieren ...
... der Kreuzgang dagegen schon.
Im ausgezeichneten Diözesanmuseum, das die Geschichte des Christentum im Westen nachzeichnet, gibt es diesen triumphierenden Michael ...
... und diesen unidentifizierten Bischof aus dem 14. Jahrhundert.
Unweit der Kathedrale, im früheren Jesuitenkonvent, ist das Pilgerzentrum untergebracht und der Ansturm ist enorm.
Erst kürzlich in Huesca hatte ich mich über den Büchermarkt gewundert - und jetzt ist hier wieder einer. Es gibt auch auffallend viele Buchhandlungen, selbst in kleineren Städten - Spanien, ein Lesevolk.
das Rathaus - schmuck
Eine der Gassen, durch die der berühmt-berüchtigte Stierlauf in den Tagen vom 6. bis 14. Juli stattfindet - die Utensilien hierfür werden schon jetzt verkauft.
In Puente la Reina
- dem Ort der königlichen Brücke
- schon wieder eine, gebaut für die Jakobspilger -, grüßt in der Jakobuskirche
eben dieser ...
... auch am Hochaltar.
Großartig ist wieder das Portal der Kirche. Und man betritt jetzt keine Kirche mehr, ohne auf Jakobspilger zu treffen - hier einer mit Fahrrad.
Die Petruskirche an der dem Ort namengebenden Brücke hat wieder ein schönes Kruzifix, geschaffen vor 1328. Die Kapelle ist zugleich Gedenkstätte für den im Spanischen Bürgerkrieg getöteten Johannes Maria vom Kreuz, dessen Reliquien hier verwahrt werden.
die Brücke aus dem 11. Jahrhundert
Im Kloster Irache wurde 1615 eine Universität eingerichtet.
Auch hier gibt es wieder ein fein zisiliertes Portal, das vom Kreuzgang in die Kirche führt.
Am Abend komme ich nach Logroño, die
Hauptstadt der Provinz La Rioja (sprich: Riocha
!) - aus der die mit Abstand berühmtesten Weine des ganzen
Landes
, so mein Reiseführer, herkommen. Der im Reiseführer und vom ADAC gelobte Campingplatz ist ein schlechter
Witz: der Platz reicht gerade für meine Kiste, größere Wohnmobile dürfen auf den Weg reichen, mein Stuhl steht schon in
der Ausfahrt des Nachbarn - der größte Teil des Platzes ist mit Mobilhomes belegt und in denen tummeln sich lärmende
Jugendliche: es ist Stadtfest, die jungen Gäste aus Polen und Frankreich wohnen hier und feiern hier auch. Für diese
Superleistung ist der Preis hoch, die Internetverbindung niedrig. Dass es auch noch schlimmer geht, ahnte ich nicht ...
Mit der Sprache komme ich jetzt besser klar; Lesen ging schon immer, aber beim Hören verstand ich kein Wort.
Bis mir klar wurde: Französisch ist klingend: deux
, Italienisch singen: due
; Spanisch aber ist Latein
mit arabischem Einschlag, hart und männlich: dosss!
Tatsächlich sind die Spanier - Ausnahme: die Basken, das einzige
ureuropäische Volk auf dem ganzen Kontinent! - eine Mischung aus Berbern und Kelten, also lange vor den Mauren schon
arabisch. Der Machismo ist spürbar - allerdings wehren sich die Frauen auch lautstark. Und die Sprache ist also kehlig,
polternd, scharf.
Ich bin ja nicht freiwillig, sondern als Flüchtling gekommen, aber langsam fange ich an, das Land zu lieben ...
geschrieben am 10. und 11. Juni 2014