Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Spanien ohne König

   J. Schäfer          

Donnerstag, 29. Mai

Meine Kiste läuft, das Wetter wird etwas besser - es wird Zeit, die Stadt anzuschauen. In der Kathedrale von Barbastro gibt es diese hier hoch verehrte Christusfigur aus dem 13. Jahrhundert. Eines ist mir jetzt schon klar: die Kirchen in Spanien quellen über vor Ausstattung und Reichtum im Vergleich zu denen in Frankreich; keine Revolution mit Bildersturm und dazu die katholische Kirche als Staatsreligion bis zum Ende der Franco-Diktatur - das macht einen Unterschied!


Die Kathedrale ist nicht nur riesig, sondern auch in allen Details bestens instandgehalten.

Die Claretiner-Kirche in Barbastro. Barbastro war gleich zu Beginn des spanischen Bürgerkrieges 1936 eine Hochburg antiklerikaler Umtriebe. Nachdem die Franco-Putschisten im Nordosten vormarschierten, kamen regierungstreue linke Miltärs aus Barcelona, um die Republik zu verteidigen; sie machten in Barbastro Station und ihr Wüten kostete den Bischof, 51 Ordensmänner, die im Kolleg der Claretiner lehrten oder ausgebildet wurden, und weitere Katholiken wie Zephyrinus Giménez Malla schon in den ersten Tagen das Leben. Insgesamt starben in der Diözese beim Bürgerkrieg der Bischof, 13 Domherren der Kathedrale, 113 der 131 Diözesanpriester, 5 Seminaristen, die 51 Claretiner, 9 Piaristen und 18 Benediktinerordenmönche des Klosters San Victorián.

Auch riesig: die recht neue Franziskanerkirche, im Grundbestand aus dem 13. Jahrhundert.

Mit Abstand das am besten gepflegte Haus der Stadt ist das Elternhaus von Josef-Maria Escrivá de Balaguer y Albás, dem Begründer des Opus Dei, am Marktplatz in Barbastro. Es ist heute mit dem Nachbarhaus verbunden und eine Einrichtung des Opus Dei, die nicht besucht werden kann - darauf hatte mich schon die Mitarbeiterin in der Ford-Werkstatt hingewiesen; ich könne ja versuchen zu läuten. Versuchen wollte ich es, habe aber keine Glocke gefunden ...

der Marktplatz

Den Friedhof besuchte ich, weil hier die meisten der 51 Märtyrer der Claretiner erschossen wurden. Die Grabstätten sind hier alle wie in Häusern angeordnet.

Dass nicht nur KlerikerEin Kleriker ist in der => orthodoxen, katholischen, anglikanischen und altkatholischen Kirche ein geweihter Amtsträger, der eine der drei Stufen des Weihesakraments - Diakon, Priester oder Bischof - empfangen hat. Im Unterschied zu den Klerikern bezeichnet man die anderen Gläubigen als Laien. Angehörige von Ordensgemeinschaften gelten, wenn sie nicht zu Priestern geweiht sind, als Laien und in der Orthodoxie als eigener geistlicher Stand. In den protestantischen Kirchen gibt es keine Unterscheidung von Klerus und Laien. Opfer des Bürgerkrieges wurden, zeigt dieser Gedenkstein auf dem Friedhof: Der Kampf für die Freiheit kostete uns das Leben. Über eine halbe Million Menschen starben in diesem Bürgerkrieg.

In Monzón - hier wurde ein Priester der Piarist im Bürgerkrieg ermordet - überragt wieder ein gewaltiges Kastell die Stadt. Die Araber haben es gebaut, die Spanier bei der Reconquista 1089 erobert und bald schon den Templern übergeben, nach deren Ende kamen Malteser, dann war es wieder rein militärische Festung, bis 1892 Waffenlager.

Die Kirche von Monzón von der Festung aus gesehen. Wichtiger an diesem Bild: es zeigt, dass fast alle Häuser neu oder kürzlich renoviert sind. Dass es in Spanien einen Immobilienboom - eine Blase, die zur Bankenkrise führte - gab, ist hier überall deutlich sichtbar: fast alle Häuser sind neu! Dass nun der Staat und also die Menschen die Zeche bezahlen, weil die Banker die Regeln der Kreditvergabe außer Acht ließen, ist der Preis der schönen Fassaden.

Monzón hat heute 17.000 Einwohner, ist keine Metropole. Aber es gab hier 11 Hospitäler zur Versorgung der durchziehenden Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela; an dem des Franziskanerordens - heute Musikschule - prangt dieser schöne Franziskus.

Der Geburtsort von Josef von Calasanz, Peralta de la Sal - vier Ortschaften, 217 Einwohner insgesamt -, hat schon bessere Zeiten gesehen. Schon in den französischen Pyrenäen verfallen Dörfer, weil die Menschen anderswo besseres Auskommen suchen. Hier trifft das auch die Ausläufer des Gebirges.

Ich komme nach Gabasa, hier muss ich schätzen: 12 Häuser, die Hälfte davon bewohnt, aber eine Kirche - und im Bürgerkrieg zwei ermordete Priester. Idyllisch ist es hier - nur als Wohnort ...
Ich bin schlau genug, nicht in die Dorfstraße hinabzufahren - meine schöne neue Kupplung! Auch an der am Dorf vorbeiführenden Landstraße gibt es keine Parkmöglichkeit; ich stehe also auf der Straße, während ich in den Ort hinabsteige; aber Verkehr ist hier ja keiner.

Aber auch in Gabasa ist die Kirche erstklassig in Stand gesetzt, wenn auch verschlossen. Sie wurde 1080 nach der Reconquista geweiht - das Jahr der Rückeroberung eines Ortes von maurischer Herrschaft ist hier überall genau angegeben.

In Azanuy sehe ich, wie man sparsam ein Haus baut: man nutze den freistehenden Felsen als Rückwand.

Am Abend komme ich nach Alquézar, den Campingplatz hatte ich im Internet gefunden als einzigen in der Gegend. Er liegt direkt an einem Bach, dessen aus dem Gebirge kommendes Wasser so leuchtend-frisch grünblau ist, wie man das sonst nur aus manipulierten Werbebildern kennt. Und nicht weniger herrlich ist diese alte Brücke, die - gerade mal einen Meter breit - noch bis in die 30-er Jahre des letzten Jahrhunderts die einzige Verbindung zum Dorf auf dem Berg war, deshalb bestens erhalten ist.
Heute ist nun Christi Himmelfahrt - ich weiß: es war nicht, wie ich schrieb, schon vor 14 Tagen, ich hatte inzischen nachgerechnet, aber Danke für die Mails! - und das merkt man: in Spanien ist heute kein Feiertag (dafür an Fronleichnam), aber in Frankreich (dafür arbeiten die an Fronleichnam - beide Feiertage haben nur wir Deutschen, woran man 'mal wieder die faulen Südländer erkennt). Und deshalb ist jetzt der Campingplatz voll mit Franzosen, die das lange Wochenende genießen. Ob es auch in Frankreich die Unsitte des Vatertages gibt, weiß ich nicht; Benehmen und Lautstärke sprechen dafür.

Freitag, 30. Mai bis Samstag, 31. Mai

Nach einem lauten, aber sonst geruhsamen Arbeitstag bei anhaltend schlechtem Wetter auf dem Campingplatz komme ich nach Huesca und traue meinen Augen kaum: ein großer Platz, viele Stände - und was wird auf diesem Markt verkauft? Bücher. Nichts als Bücher!

Huesca ist ein lebendiges Städtchen; besonderes Kennzeichnen: die bunt bemalten, kopflosen Frauengestalten, die überall in der Innenstadt verteilt stehen.

Es ist Samstag, da wird geheiratet. Und nach der Trauung wird direkt am Eingang zur Kathedrale Flamenco getanzt - laut, wild, schön, öffentlich für alle Passanten. Und weil die Kirche noch offen ist, spare ich sogar die 4 €, die der Eintritt normalerweise kostet.
Das haben die Spanier offenbar von den Franzosen gelernt: dort kosten (die alten) Kirchen Eintritt, weil sie in der Regel in Staatsbesitz sind, und die Kirche ist ohne Steuer arm. Die reiche spanische Kirche, bis kürzlich Staatskirche und Besitzer der Gebetsstätten, scheint aber mit dem Verlangen auch keine Scheu zu haben.

In der Kathedrale ist wieder die Fülle der Ausstattung überwältigend. Schön: dieser Gekreuzigte, in Huesca besonders verehrt, nachdem er 1497 eine Pestepidemie stoppte.

In der Kirche Pedro der Alte - früher zu einem Benediktinerkloster gehörend - steht diese Mutter der Hoffnung.

Die Kirche war auch unter der maurischen Besetzung genutzt - Juden und Christen durften ihren Glauben frei leben, mussten allerdings eine Sondersteuer zahlen. Das änderte sich mit der Reconquista und der Inquisition - nun mussten Muslime und Juden entweder Christen werden - und wurden dann immer noch misstrauische beäugt - oder das Land verlassen.

Der Kreuzgang hat wieder großartige Kapitelle ...

... mit der Mischung aus heidnischen und biblischen Motiven, hier der Einzug Jesu in Jerusalem.

Sonntag, 1. Juni bis Mittwoch, 4. Juni

Ich habe mich auf dem Campingplatz von Huesca einquartiert, will dort ein paar ruhige Tage verbringen und arbeiten, zudem ist Huesca der Geburtsort gleich zweier wichtiger Heiliger: Laurentius und Vinzenz von Valencia. Der Campingplatz liegt neben den letzten Hochhäusern der Stadt, ist aber dennoch sehr ruhig: die Leute leben hier sehr zurückgezogen, kaum Autoverkehr - hatte ich schon einmal bemerkt - in den Fenstern wenig Licht. Auf den Gehwegen bewegen sich sehr viele Menschen, aber wenige mit Einkaufstaschen; man bummelt, zeigt sich, genießt die Sonne - und spart. Spanien spart an allen Ecken und Enden.

Am Montag besuche ich die nahe Burg Montearagón, die zugleich ein von Victorinus gegründetes Koster war. In der Reconquista wurden Klöster zu mächtigen Burgen ausgebaut und in Burgen Klöster installiert - man hatte ja ein gemeinsames Ziel. Erhalten ist v. a. die Kirche, die leider verschlossen ist, wie sehr viele Kirchen hier - merkwürdig, ein katholisches Land!? Der Blick ins Land aber ist großartig.

Das Wetter hat sich deutlich gebessert - und der Wetterbericht ist gut, die Internetverbindung hier auch. Die Nachricht des Tages: Spaniens König Juan Carlos dankt zugunsten seines Sohnes Felipe ab. Wohin das Land sich bewegt? Katalonien will im November über seine Unabhängigkeit abstimmen; ich bin zwar hier schon im weiter östlich gelegenen Aragón, aber seit 1137 beide Länder (bis 1479) vereint wurden, spricht man auch hier Catalán und heute wehen auch hier überall die katalanischen Flaggen.

Die Sprache - ob spanisch oder katalonisch - macht mir einfach Probleme, ich verstehe nichts. Das ist nicht wie Französisch oder Italienisch ein klangvolles Latein, das ist eine harte, schwer wahrzunehmende Sprache. Deux oder due - das klingt wie Glockenklang, dos hört sich an wie ein Gewehrschuss. Ich verstehe nichts, kann selbst nichts sprechen, nicht einmal die Zahlen, und selbst buenos Diás hilft nicht weit, man sagt es nur vormittags. Aber sehr viele Leute sprechen hier glücklicherweise Englisch oder Französisch.

Als ich die Kirche San Lorenzo - angeblich an der Stelle seines Geburtshauses - besuchen will, ist dort ein Requiem, ich muss warten und bestaune das prächtige Gefährt für den Sargtransport.

In der Kirche wieder viel Ausstattung, wenig Kunst. Hier die Statue des Laurentius ...

... und mächtig prächtig Hippolytus. Wer's mag ...

Zum Schluss nochmals ein Foto der die Stadt überragenden Kathedrale, gesehen vom Friedhof der Märtyrer, wo Nunilo und Alodia starben.

Nach fünf Nächten auf diesem Campingplatz wird es Zeit, weiterzuziehen, sonst schlage ich noch Wurzeln und bleibe für immer. Huesca ist schön, das Wetter auch. Frankreich ist schöner.

Die Tracks:
Alquezar
Huesca
Montearagon
Huesca2

geschrieben am 2. und 4. Juni 2014


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