Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Marrakech

   J. Schäfer          

Montag, 1. Februar, bis Dienstag, 9. Februar

Ich bin dann doch länger als ursprünglich beabsichtigt auf dem Campingplatz in Mohammmedia geblieben, denn die Arbeitsbedingungen - Internetverbindung - waren ideal und alles Nötige vorhanden; auch mein Nachbar - ein ebenfalls Alleinreisender, Franzose - blieb die ganze Zeit; er hatte Katzen dabei - sonst haben alle Hunde.


Immer wieder schön zu beobachten: das Spiel der Wellen und Gezeiten - und dann dieser Kormoran (?), der am Strand stand, aber bei meinem Kommen abflog.

Schließlich gings dann doch weiter nach Marrakech. Als erstes Ziel dort hatte ich die Moschee Ben Youssef mit dem Stadtmuseum ins Navi eingegeben - und das leitete mich schnell ins Gassengewirr der Medina. Bald wurde die Straße immer enger, schnell hatte ich einen jugendlichen Führer, der nicht abzuschütteln war - und mich nicht davor bewahrte, bis an die Stelle zu kommen, an der die Gasse endgültig zu eng wurde. Also rückwärts - zwischen all den auf der Straße ausgebreiteten Handelswaren, hunderten Zweirädern und Tausenden Menschen hindurch - aber inzwischen betreut von drei Führern, die lautstark, wenn auch nicht nutzbringend halfen. Ganz schön heiß war es inzwischen auch …

… aber so bekam ich gleich das pralle Leben mit. Und wieder fast am Ausgang angekommen, konnte ich sogar parken und fotografieren.

Rechts sieht man den Hof mit der Holzhandlung, wo der Eselskarren offenbar Brennstoff holen will; die durfte ich partout nicht fotografieren, mehrfach hielt mich ein Jüngling davon ab.

Marokko ist jung, ⅓ der Bevölkerung ist unter 15 Jahre alt.

Außerhalb der Medina: breite Straßen und Wohnungen für die vielen Menschen. Ich habe genug für heute und fahre etwas außerhalb auf den laut Reiseführer besten Campingplatz Marokkos, betrieben von einem französischen Paar, tatsächlich ein Paradies mit vielen Pflanzen und Bäumen, Pool, gutem Restaurant und perfekten Sanitäranlagen.

Mittwoch, 10. Februar

Heute will ich die Stadt erkunden und finde einen Parkplatz im Zentrum beim Wahrzeichen der Stadt, der Kutubiya-Moschee, erbaut 1158 bis 1162, die also schon Berard von Carbio und die Marokkanische Märtyrer gesehen haben, als sie hier missionieren wollten.

Von hier führt der Weg - durch eine Fußgängerzone (!) …

… zum Djamâa-el-Fna, dem sagenumwobenen Platz der Gehängten, auf dem auch schon vormittags einiges los ist.

Natürlich wegen der vielen Touristen und dem von diesem erwarteten gift, es gibt sie alle noch: den Schlangenbeschwörer, den Wasserverkäufer, den Geschichtenerzähler, dazu Handleserinnen, Henna-Tätowiererinnen und die Verkäufer von allem, was Touristen kaufen könnten - viele offenbar aus Schwarzafrika.

Wieder aufgebaut: das Café Argana, in dem im April 2011 durch einen Bombenanschlag der Al-Qaida im Maghreb 17 Menschen, darunter zwölf Touristen, starben.

Ein in ganz Marokko verbreitetes Fahrzeug sind die Last-Motorräder, auch für Personentransport. Der Djamâa-el-Fna ist nicht mehr Fußgängerzone, Lieferwagen Taxis, Zwei- und Dreiräder kreuzen sich mit den Menschen.

Anschließend lasse ich mich durch das Gassengewirr treiben; hier ist viel marokkanischer Alltag, sind nur noch wenige Touristen.

Es ist heiß, inwischen Mittagszeit; später um 15 Uhr sind es auf dem kühlen Campingplatz immer noch 27°.

Man geht nur wenige Schritte, ohne angesprochen zu werden. Français?, Anglais?, Where do you come from? - Deutsche sind selten, stehen nicht (mehr) auf der Auswahlliste - und dann folgen das leckerste Essen, die billigsten Souvenirs, der beste Wechselkurs.

Dieser Schneider hat sich für seine Maschine sogar einen Motor geleistet; ich frage mich, wovon die unzähligen kleinen Händler und Handwerker, die stoisch auf Kundschaft warten, eigentlich leben. 10 DH - also knapp 1 €- Mindestlohn gilt seit 1996, aber sicher nicht hier. Knapp 200 US-$ betrage das monatliche Pro-Kopf-Einkommen, sagt die Statistik - aber was wird eigentlich erfasst? Man muss sich vor Augen halten: abgesehen von Brot - Stück 0,14 € - entsprechen die Preise fast den unsrigen, für Luxusgüter wie Fernsehapparate, Waschmaschinen etc. sind sie deutlich höher als bei uns.

Kein Wunder also, dass unsere alten Apparate hier landen.
Als der Händler bemerkt, dass ich fotografiere, wehrt er ab; ob Holz- oder Fernsehhändler: die Leute wissen um ihre Armut und schämen sich. Schämen müssten sich aber eigentlich wir, die die Not verschulden …
Die radikale Umverteilung von unten nach oben, von der öffentlichen in die private Hand und von Süd nach Nord funktioniert. Vor einem Jahr sagte die Nichtregierungsorganisation Oxfam voraus, im Jahr 2016 werde das reichste Prozent der Weltbevölkerung, also rund 70 Millionen Menschen, mehr besitzen als die restlichen 99 Prozent (rund sieben Milliarden Menschen) zusammen. Tatsächlich wurde diese Schwelle schon ein Jahr früher erreicht. Inzwischen besitzen die 62 reichsten Einzelpersonen – vor einem Jahr waren es noch 80 Personen - genauso viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Noch einmal Jean Ziegler: Der deutsche Faschismus brauchte sechs Kriegsjahre, um 56 Millionen Menschen umzubringen – die neoliberale Wirtschaftsordnung schafft das locker in gut einem Jahr.

Spärlich sind die Reste des El-Badi-Palastes, ab 1578 erbaut von Sultan Ahmed el-Mansour, dem Siegreichen, um 1700 abgetragen zur Errichtung des neuen Königspalastes in Meknes. Hier wurde Johannes von Prado, der Anfang des 17. Jahrhunderts zur Mission nach Marokko aufbrach, enthauptet.

Das Eindrücklichste sind wieder die Störche …

… und sehenswert dieser Minbar aus dem Jahr 1137, gefertigt in Córdoba für die Kutubiya-Moschee aus Zedern-, Eben- und Sandelholz und bis 1962 in Gebrauch.

Von der Plattform über dem Eingang blickt man auf die Stadt …

… für die die vielen Touristen natürlich ein Segen (und immer zugleich Fluch) sind.

Auf der Rückfahrt zum Campingplatz, auf dem Parkplatz des Marjane-Supermarkts - die einheimische Kette, riesige Einkaufszentren nach französischem Vorbild - kommen dann scharenweise die Bettler, die es in der Innenstadt nicht gab. Es sind Schwarzafrikaner, die auf ihrem Weg nach dem Traumkontinent Europa überleben müssen. Am Ziel ist das Federvieh auf dem Rückweg in seinen Stall.

Donnerstag, 11. Februar und Freitag, 12. Februar

Nach einem Ruhe- und Arbeitstag auf dem Campingplatz mache ich mich am Freitag zum zweitenmal auf zur Medersa Ben Youssef; inwischen weiß ich, wo ich parken muss und wie ich weiterkomme durch die Gassen.

Das Minarett der Moschee Ben Youssef, die wie alle Moscheen in Marokko tabu ist für Nicht-Muslime; später kann ich einen Blick hineinwerfen auf den schönen Innenhof und die nicht sehr zahlreich zum Freitagsgebet Versammelten.

Daneben, im Innenhof eines großen Hauses, gibt es eine Fotoausstellung des offenbar Deutschen Thomas Ladenburger über die menschlichen Schätze auf dem Djamâa-el-Fna.

Die ehemalige Medersa, die Koranschule, ist heute Museum und Touristenmagnet - zu Recht!

Die einst größte und bedeutendste Koranschule des Maghreb wurde im 14. Jahrhundert gegründet, ihre heutige Gestalt stammt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. An ihr wurde bis 1960 unterrichtet, v. a. Studenten aus ländlichen Gebieten, die hier wohnen konnten.

Die Schnitzereien (Zedernholz) …

… und die Stuckarbeiten sind grandios.

die Gebetsnische

eine der 132 Kammern für die Studenten, jeweils von 2 bis 3 von ihnen bewohnt

Die Flure vor den Kammern sind beleutet und belüftet durch die großen Dachluken …

… und aus den Fenstern geht der Blick auf den Innenhof.

Gleich neben dem Ben-Youssef-Komplex wurde 1948 die Koubba, das Grab- und Heiligendenkmal der Almoraviden-Dynastie in Marrakech, errichtet um 1120, wieder entdeckt und dann ausgegraben.
Im Islam gibt es theoretisch keine Heiligenverehrung, praktisch aber sehr wohl und besonders in Marokko. Marabouts, Grab- bzw. Gedenkstätten, gibt es an viele Orten, sie werden aufgesucht, dort wird um Hilfe gebeten, es werden Gaben dargebracht - kein Unterschied zu unseren Wallfahrtsstätten, sieht man von der Bilderlosigkeit der Marabouts einmal ab.

Und dann der Abschied von der Stadt - der Süden ruft!

Die Tracks:
Marrakech
den 1. Ausflug nach Marrakech gibt's nicht
Marrakech - 2. Ausflug

geschrieben am 11. und 12. Februar 2016



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