Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Der Rhône entlang

   J. Schäfer          

Sonntag, 29. Juni

Ein Nachtrag ist nötig zum Fest in Chanac: gegen Abend spielte die örtliche Blaskapelle - drei Stunden lang bliesen sie kräftig an gegen die laute Popmusik aus den Lautsprechern der Boxauto-Bahn. Nie habe ich eine solch schlechte Blaskapelle gehört, fast kein Ton wurde getroffen, aber das Engagement war aller Ehren wert. Nur einmal stimmte die Tonfolge: als der Gewitterregen aufzog, bliesen sie dagegen an mit der Marseillaise, da sangen die Leute lautstark mit; der Regen wurde dennoch heftig.


In La Canourge, diesmal dem richtigen Ort, finde ich wieder nicht, was ich suche, dafür erlebe ich eine sehr schöne Messe in der Stiftskirche. Beim Austeilen helfen Frauen (!), allerdings will die Mehrheit der Leute die heilige Hostie aus der Hand des Priesters; mich lächelt er gezielt an - ob das dem Fremden oder dem Protestanten gilt, bleibt unklar. Die französischen Priester haben bislang alle sehr schöne Messen gehalten, alle Achtung!
Und dann finde ich doch noch einen Heiligen, obwohl ich den gar nicht suchte: Frodoald von Mende.

Die Fahrt geht dann weiter oberhalb der höchst eindrücklichen Gorges du Tarn.

Die Ardèche kenne ich, das hier ist noch eindrucksvoller.

In den Schluchten liegt mein Ziel, Ste-Enimie.

Enimia lebte hier als Einsiedlerin, hoch oben in den Felsen, was wieder einmal mühsamen aber eindrucksvollen Anstieg zu Fuß bedeutet. Wasser aus dem Felsen heilte der Legende zufolge ihre Lepra - was man sich bei diesen Farben durchaus ausmalen kann.

Sie haben Ihr Ziel erreicht.

Brücke über die Tarn in Ste-Enimie und Blick auf die Einsiedelei.

Eine lange Fahrt auf schmaler Straße durch eine völlig einsame, bergige und waldreiche Gegend bringt mich nach Grizac, wo Papst Urban V. geboren wurde. Der einsame Ort besteht aus vielleicht 10 Häusern - und dies ist die 1860 errichtete, 1981 eingestürzte und 1990 wieder aufgebaute Kirche - rund 10 qm, ohne Ausstattung. Ein wahrhaft päpstlicher Ort!

Nachdem ich das Umweltbewusstsein der Franzosen schon einmal gelobt habe: selbst in diesem Weiler kurz vor dem Ende der Welt gibt es die Sammelstelle zur Mülltrennung. Auf Campingplätzen gibt es deshalb meist keinerlei Mülleimer, man muss sich schon zur nächsten Sammelstelle bequemen.

Es sieht nach friedlicher Idylle aus neben der Geburtsstätte des Papstes.

Eine lange Fahrt durch die großartigen Berge der Hohen Cevennen bringt mich Richtung Osten, gen Rhônetal.

Unterwegs wieder eine der unzähligen Burgen, hier auf dem Pass in Portes. Sie war bis ins 20. Jahrhundert bewohnt und stürzte dann teilweise ein, weil darunter Kohle abgebaut wurde; in Privatinitiative kümmert sich ein Verein nun um Unterhalt und Wiederaufbau.

Noch immer herrschaftlich bewohnt ist das Schloss in Uzès.

Aber auch das gemeine Volk genießt am Sonntag Abend das Leben.

Montag, 30. Juni

Von Châteauneuf-du-Pape, dem Sommersitz der Päste aus Avignon, überdauerte fast nur der Bergfried. Das Schloss zerfiel, nachdem die Päpste Avignon verließen; was damals übrig war, versuchten die Deutschen bei ihrem Abzug im 2. Weltkrieg zu sprengen. Geblieben aber ist der berühmte Wein ...

Hinter der weiten Rhôneebene grüßen - leider schon wieder - die Alpen.

Die Kathedrale in Carpentras ist nach Bischof Sifredus benannt. Sie enthält auch eine besondere Reliquie: das heilige Zaumzeug. Kaisermutter Helena ließ dieses Zaumzeug für ihren Sohn Konstantin aus einem Nagel des Kreuzes Christi schmieden. Es lag dann in Konstantinopel - dem heutigen Ístanbul -, verschwand dort während der Plünderungen durch die Kreuzfahrer 1204 und tauchte 1260 in Carpentras wieder auf ...
Da sind die heutigen Spiele doch unblutiger: beim gestrigen Stadtfest führte ein Motocross-Rennen mitten durch die Altstadt, die deshalb heute noch mit riesigen Baumstämmen, Felsbrocken und anderen Hindernissen geziert ist. Ideen haben die Leute ...

Wunderschön ist es in Fontaine-de-Vaucluse, wo die ertragreichste Quelle in ganz Frankreich und die fünftkräftigste der Welt zu bewundern ist; Veranus von Cavaillon lebte hier als Einsiedler. Leider ist es auch entsprechend touristisch; auch heute, am Werktag und vor der Saison gehen die Leute in Schlangen zur Quelle.

Ich suche Prébayon und finde es nicht, sondern nur den netten Ort Séguret mit engen Gassen - jetzt Heimat vieler Künstler in den von den ursprünglichen Einwohnern verlassenen alten Häusern und eines der schönsten Dörfer Frankreichs, so die staatliche Auszeichnung.

Die Kirche stammt aus dem 10. Jahrhundert ...

... die Berge - Dentelles de Montmirail - sind noch ein bisschen älter.

Und er grüßt bald schon von ferne: der legendäre Mont Ventoux, auf den ich nun hinauffahre - noch einmal ein bisschen Tour de France per Auto.

In diesem Jahr bleibt die Tour im Tal, die Spuren vom letzten Jahr sind aber noch deutlich.

Natürlich haben sich wieder viele Radfahrer hier hochgequält - 21 km mit bis zu 10,2 % Steigung am Ende; mit dem Auto geht es auf der großzügig ausgebauten Straße dagegen sehr flott.

Großartig ist der Ausblick auf das Rhônetal im Südwesten ...

... und die Ausläufer der Alpen im Nordosten. Nicht die schiere Höhe ist es, die den Ventoux schon vor Urzeiten zum heiligen Berg machte, sondern dass er singulär in der Landschaft steht. Hinzu kommt die Kahlheit, entstanden durch die Abholzung im Mittelalter, im vorletzten Jahrhundert weitgehend in einer großen Staatsaktion wieder aufgeforstet; nur der Gipfel behielt sein Nacktheit.
Inzwischen gibt es viele belgische Urlauber - offenbar haben dort die Ferien schon begonnen. Und plötzlich auch viele belgische Rentner - vier durfte ich vor dem Berg fotografieren. Dass Rentner gerne in Urlaub fahren, wenn das alle machen, habe ich schon in den vergangenen Jahren zuhause beobachtet. Offensichtlich wollen auch sie endlich einmal ausspannen, wenn die anderen nicht arbeiten. Und im Stau stehen, wenn alle über die Autobahn fahren. Und Hochsaisonpreise bezahlen. Und sich durch überfüllte Sehenswürdigkeiten drängeln. Und das genervte Personal genießen. Gleiches Recht für alle! Verstehen muss ich es ja nicht ...

Im kleinen Dorf Faucon, wo Johannes von Matha geboren wurde, steht dieses schöne schmiedeeiserne Kreuz.

In Vaison-la-Romaine, einer der ersten christlichen Gemeinden in Südfrankreich, steht die Alte Kathedrale auf den Mauern einer früheren römischen Kultstätte.

Nach der Völkerwanderung wurde die römische Stadt in der Ebene aufgegeben und auf den Berg verlegt, wo sich Schutz bot. Im 12. Jahrhundert errichteten die Grafen von Toulouse die Burg.

Um die Burg gruppieren sich nun an engen Gassen die Häuser - ohne Autos, es sei denn, man ist Hotelgast aus England.

Neben die Burg musste nun auch die Kathedrale verlegt werden - die neue Kathedrale, von außen kein Schmuckstück. Aber wohl einige der wenigen Kirchen mit der Inschrift Liberté, Égalité, Fraternité über dem Hauptportal.

Abends gehe ich Pizza essen, komme zur zweiten Halbzeit des Spieles Frankreich - Nigeria. Alle Gaststätten haben Fernseher und sind gut besucht. Kurz vor Schluss gelingen den Franzosen nach zähem Spiel die zwei Siegtore - allgemein bejubelt. Nach Spielschluss gehen alle schnell nach Hause, aber es gibt auch einen Autocorso: drei Autos, ein paarmal Hupen, zwei Runden um den Marktplatz - das war's. Das Deutschland-Spiel um 22 Uhr ist für mich zu spät, ich gehöre schließlich zur arbeitenden Bevölkerung, außerdem habe ich kein Internet und im Radio wird nichts übertragen. Am nächsten Morgen höre ich dann im Radio das knappe Ergebnis - nicht ganz ohne eine gewisse Schadenfreude kommentiert.

Dienstag, 1. Juli

Am Morgen noch ein Blick auf die Brücke in Vaison-la-Romaine, die im 1. Jahrhundert gebaut wurde und alle Jahrhunderte überstand - mit Ausnahme der Zerstörung durch die Deutschen beim Abzug 1944.

Bollène weckt Erinnerungen: das war die Autobahnausfahrt und der Beginn der letzten Kilometer bei den Urlauben an der Ardèche - zuletzt war ich dort vor rund 15 Jahren. Jetzt bin ich hier, weil hier die Märtyrerinnen von Orange verhaftet wurden; aber die Stiftskirche ist Baustelle und auch sonst finde ich nichts.

In Pont-St-Esprit, der vom Heiligen Geist inspirierten Brücke über die Ardèche, fällt das Portal der Saturninus von Toulouse geweihten Kirche auf.

Neben der Kathedrale: diese Straße. Das Foto zeigt nicht, wie eng und niedrig sie tatsächlich ist, aber man sieht die Aussparung links in der Mauer - da passt der Außenspiegel durch.
Ich selbst bin vorgestern über eine Brücke gefahren, die war keine 5 cm breiter als meine Kiste, die Spiegel ragten rechts und links über die Brüstung; die hatte unterschiedliche Höhen, aber auch an der höchsten Stelle gingen die Spiegel - sehr knapp - darüber hinweg. Leider kann man dann ja nicht aussteigen zum Fotografieren.

Die Zukunft des Einkaufens ist mir jetzt schon mehrfach begegnet, es gibt sie in den intermarchés: le DRIVE - welch großartiges Fenglisch! - geht so: man fährt auf den speziellen Parkplatz direkt neben dem Eingang, gibt per Sprechanlage seine Bestellung auf, schiebt zum Bezahlen seine Kreditkarte in den Schlitz - hier wird alles und jedes fast immer mit Karte bezahlt - und nach einigem Warten bringt ein dienstbarer Geist die Ware und lädt sie in den Kofferraum - soweit ich erkennen konnte ohne Aufpreis. Man braucht sein Auto auch zum Großeinkauf nicht mehr verlassen. Einmal habe ich gesehen, wie eine Mutter für ihr Kind so einen Becher Joghurt geordert hat. 1 Joghurt - eine lohnende Geschäftsidee!

Der Marktplatz in St-Paul-Trois-Châteaux zeigt: hier ist jetzt der Tourismus voll im Gange, die Ardèche-Region ist ein beliebtes Urlaubsgebiet. Außerdem ist Markttag - es ist erstaunlich, wie viele Märkte es gibt, die alle mit einer großen Zahl von Ständen über die Innenstädte verteilt sind und wo es alles zu kaufen gibt, was Menschen brauchen könnten - oft auch Bücher!

In der Kathedrale des Städtchens steht dieser Spieltisch der Orgel aus dem Jahr 1704 - erinnert irgendwie auch an Jahrmarkt.

Viviers ist wieder ein Städtchen mit mittelalterlichem Zentrum auf dem Berg, hier ein Haus aus dem 12. bis 15. Jahrhundert.

Mittwoch, 2. Juli bis Freitag, 4. Juli

Nach drei Tagen fahren, suchen, forschen und fotografieren sind wieder drei Tage der Aufarbeitung nötig, die ich auf einem netten Campingplatz in Tallard bei Gap verbringe, mitten zwischen den schon recht hohen Bergen bei schönem Wetter.
In Spaniens Norden, so lese ich, gab es heftigste Gewitter mit zentimeterdickem Hagel und Schneepflugeinsatz und das soll sich wiederholen - so gesehen muss ich nicht bedauern, nicht mehr dort zu sein ...
Aber hier ist auch nicht länger zu bleiben: heute war in Frankreich letzter Schultag - und schon kommen sie gegen Abend: die deutschen Rentner. Und noch je ein Paar aus England, Belgien und Frankreich - es ist nicht zu fassen.
Fußball habe ich heute natürlich geschaut; ich wollte im Ort Essen gehen und dabei TV genießen - es gibt aber kein Speiselokal im Ort, nur Bars, 3 Mal Pizza à emporté, 1 Mal Döner dito. Also war ich in der Bar, habe wie die Franzosen gebangt - nach dem 1 : 0 schon bald aber sehr viel entspannter als die. Noch heute Mittag hatte ich 2 : 1 für Frankreich getippt, weil die im Spiel gegen Nigeria gut waren. Nach der Niederlage waren die Leute in der Bar immer noch recht entspannt; der Wirt fragte mich, ob ich nicht eine Lokalrunde ausgeben wolle - es waren mir dann doch zuviele Gäste. Die Pizza habe ich dann importiert - die wohl schlechteste meines Lebens.

Die Tracks:
Villeneuve
Vaison-la-Romaine
Gap

geschrieben am 2., 3. und 4. Juli 2014


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