Donnerstag, 2. März
In Ribera bei Agrigent gab es 1950 eine Marienerscheinungen. Die Hauptkirche des Ortes ist völlig schmucklos, diese - für mich namenlose - nicht viel besser, Hinweise auf die Erscheinung von 1950 gibt es nicht.
Die Vitus geweihte Mutterkirche in Burgio bei Agrigent ist nicht wie gedacht die Kirche des ehemaligen Kapuzinerklosters, in dem Franziskus von Camerata Laienbruder war …
… und auch die Joseph geweihte
Kirche ist es nicht. Erst jetzt erfahre ich beim
neuen Recherchieren, dass ich an der richtigen - etwas außerhalb des Ortes - vorbeigefahren bin.
Das ist immer wieder eine Schwierigkeit: bei der Vorbereitung meine ich an einem gewissen Punkt, das Gesuchte gefunden
zu haben - hier: die Kapuzinergasse und ein kommunales Gebäude in einem Haus, das nach ehemaligem Kloster aussieht; vor
Ort bestätigt sich das nicht, die nachträgliche Recherche in Kenntnis der Örtlichkeiten gibt dann das bessere Ergebnis -
aber ist zu spät für ein Foto.
Unterwegs: herrliche Natur …
… Frühling in voller Pracht.
Eigentlich liegt mein nächstes Ziel Caltabellota
hinter diesem Gebirgsbach, aber die Brücke gibt es nicht mehr. Das Wasser könnte ich wohl durchfahren, aber der Weg führt
zuvor durch 300 Meter Schlamm - da bräuchte man mindestens Allrad. Also zurück, nach einigen Kilometer die nächste Abzweigung
zum Ziel, aber mit Schild, dass die Straße geschlossen sei - was nicht viel zu bedeuten hat, solche Schilder gibt es des
öfteren und man kommt trotzdem durch. Aber dann: eine unpassierbare Baustelle für eine neue Brücke. Wobei Baustelle
das falsche Wort ist: die Stelle lässt erkennen, was es werden soll, bauen aber tut keiner. Vielleicht irgendwann einmal
…
Erst am Abend werde ich merken, wie großartig das jetzt verpasste Ziel ist!
Wie meist: hoch am Berg: Giuliana.
Zuerst aber, auch ins Tals blickend: das ehemalige Kloster San Maria del Bosco bei Chiusa Sclafani, in dem Hieronymus von Paterno lebte.
Am schon lange säkularisierten und jetzt durch Erdbeben beschädigten Kloster fließt immerhin noch die reich sprudelnde Quelle.
Intakt auch die Benedikt-Statue am Eingang zur ehemaligen Kirche …
… deren abgesperrtem Inneren man den einstigen Reichtum ansieht.
Ich habe Glück: das Tor ist offen, ich kann die beiden Kreuzgänge anschauen - der Protest des Bauarbeiters ist nur verhalten. Es sind Renovierungsarbeiten im Gang - durch rumänische Arbeiter.
Im Bergdorf Giuliana ist Waschtag. Ich muss mit meiner etwas höheren Kiste aufpassen, nicht an der Wäsche zu streifen.
An der Spitze in Giuliana natürlich: das Kastell.
Daneben, ebenso wehrhaft: die Mutterkirche …
… und der gegenüber noch eine Kirche. Der Reichtum ist woanders zuhause.
Die eigentlich gesuchte Kirche läge im
Hauptort Chiusa Sclafani, von dort stammte
Innozenz von Chiusa; wieder einmal Pech
gehabt.
Aus der Entfernung - jetzt von Westen - sieht Giuliana eindrücklich aus.
Mächtig prächtig war die ehemalige Mutterkirche in Sambuca di Sicilia, wo Klara von Sambuca lebte; sie wurde ab 1642 erbaut an der Stelle des alten Kastells, beim Erdbeben 1968 zerstört …
… und ersetzt durch dieses Kirchlein am Ortsrand.
Erdbeben und die hinterlassenen Schäden sind hier allüberall zu erkennen, was dabei an Kultur und Reichtum immer wieder
aufs Neue verloren geht, ist unermesslich, von den menschlichen Opfern ganz abgesehen; mit der ständigen Gefahr zu leben,
das Leben oder Hab und Gut zu verlieren, würde mich krank machen.
Ganz anders als in Spanien: auch die Zeit unter den Muslimen wird hier durchaus geschätzt - hier die Erinnerung an die Wurzeln des Ortes in einer arabischen Burg. Diese Zeit war ja nicht die schlechteste: Wohlstand, Kultur und Toleranz gegenüber Christen und Juden wie zuvor und danach nur selten.
Und dann erreiche ich in der Abendsonne doch noch
Caltabellota, knapp 1000 Meter hoch, auf der
einzigen intakten Straße von Süden her, wobei auch intakt
das falsche Wort ist: jede Menge Abbrüche und Engpässe auf
der kurvenreichen Bergstraße - aber passierbar. Und die Fahrerei hat sich gelohnt!
Legendenumwoben ist die Geschichte von
Peregrinus von Caltabellotta,
der hier in einer Höhle lebte, über der später dieses
Kloster gebaut wurde. Weil es jetzt wieder
Baustelle ist, ist es für mich leider geschlossen.
Der Parkplatz davor ist der Treffpunkt der Liebespaare, wie ich feststelle; die engen Gassen im Ort erlauben ja keine
Heimlichkeiten …
Am anderen Ende des Ortes steht die an den Berg gelehnte Kathedrale, 1998/1999 restauriert.
Überreich dekoriert: die Kapelle der Madonna delle Catene, der Madonna der Ketten.
Darin: dieser Sebastian, der Jünglingstraum, von Antonino Ferraro, aus dem 16. Jahrhundert.
Der Bewacher der Kathedrale bekommt ein ordentliches Trinkgeld - es ist ausdrücklich angeschrieben, dass er es direkt bekommt.
Freitag, 3. März
Ich übernachte an der Calogerus von
Sizilien geweihten Wallfahrtskirche, die hoch über
Sciacca auf dem nach Kronos, dem griechischen Herrn der Zeit, bennaten Berg errichtet wurde über der
Höhle, in der Calogerus angeblich lebte und
starb. Kronos gönnt mir eine sehr ruhige und lange Nacht.
Die Kirche ist dann am Morgen reines Barock, das große Hotel und das Museum sind geschlossen und haben offenbar ihre
besten Jahre hinter sich.
Die Kirche in Camarro, einem Ortsteil von Partanna, wo Johannes von Camarro geboren wurde, verdankt ihre Entstehung ebenfalls dem Erdbeben von 1968.
Schon die Araber nutzten diesen Brunnen als Rastplatz vor der Eroberung von Partanna. Im 18. Jahrhundert wurde er in der heutigen Form als Waschplatz errichtet, beim Erdbeben 1968 zerstört und in den 1990-er Jahren renoviert. Und heute …
Nur weil zufällig jemand hier arbeitet, kann ich das sonst geschlossenen Ausgrabungsgelände in
Mazara del Vallo kurz besuchen.
Vitus (Veit) wurde hier geboren.
Auch für diese Anlage gilt: aufwändig angelegt, aber es kommt kaum einer, deshalb aus Geldmangel wieder geschlossen, nun
zerfällt das Ganze wieder. Auf der Webseite des Geländes - wenige Sätze umfassend - wird die baldige Eröffnung
angekündigt.
Die Kathedrale in Mazara del Vallo ist nicht dem
Stadtpatron Vitus (Veit) geweiht; das gehe darauf
zurück, dass ihr Stifter Roger I. nach der Eroberung von den Arabern 1072 sie dem
Erlöser weihen wollte, obwohl die Bevölkerung
- auch in der Umgebung - Vitus besonders verehrte. Deshalb wurde diesem eine andere Kirche
in der Stadt
geweiht, angeblich an der
Stelle seines Geburtshauses.
Detail am Bischofspalast neben der Kathedrale.
… und so wurden die Muslimen besiegt: Relief an der Kathedrale.
An der Stelle, wo Vitus,
Crescentia und
Modestus angeblich zur Flucht ins Boot stiegen, steht
die Kirche San Vito a Mare.
Auch Papst Johannes Paul II. war hier;
ich komme ja viel 'rum, aber er war wirklich überall!
Auch die Nachbildung des Bootes kann man bewundern …
Auch in Marsala - arabisch: Hafen von Allah
-, wo
Gregor von Marsala angeblich Bischof war,
gibt es Ausgrabungen, sogar geöffnet und von
einer italienischen Busgruppe besucht.
Daneben steht die Johannes dem Täufer
geweihte Kirche, 1555 an der Stelle eines
früheren Basilianerklosters erbaut. Sie steht
über der Höhle der Sibilla Cumana oder Sibilla Sicula, der wahrsagenden Sibylle. In ihr entspringt eine Süßwasserquelle: wer
von ihr trinkt, kann wahr und falsch unterscheiden! Welch ein Segen in Zeiten von angeblichen Fake News
, die heute
immer das sind, was den Herrschenden nicht passt. Wahr ist leider, dass die Kirche nur an Johannes' Gedenktag geöffnet ist.
Marsala ist die Stadt des nach ihr benannten Dessertweines, erfunden
im 19. Jahrhundert von Engländern, um das Monopol
des süßen Weines aus Porto zu brechen.
Das brachte der Stadt Reichtum, den man ihr ansieht, hier das Stadttor, das jetzt nach Italiens Nationalheld Garibaldi benannt ist; er zog am 11. Mai 1860 durch das Tor in die Stadt, damit begann der Befreiungskampf und die Einigung Italiens.
Schön, auch innen: der Dom aus dem 17. jahrhundert an der Stelle des normannischen Vorgängerbaus von 1076. Bei Bombenangriffen 1943 zerstört, wurde er 1947 bis 1954 wieder aufgebaut. Sizilien litt schwer bei den Vorbereitungen zur Landung der Alliierten.
Mächtig: das ehemalige Kloster der Benediktinerinnen, ab dem 15. Jahrhundert der Dominikanerinnen, 1866 säkularisiert.
Auch schön: die Kirche des Fegefeuers mit Fassade
von 1710.
Am Abend komme ich auf den Campingplatz in
Lido Valderice bei Trapani - der einzige geöffnete Platz in weitem Umkreis - und ich bin der einzige Gast. Hier machen - direkt
am Strand - ausweislich der meist radlosen und durchweg sehr (sehr) alten Wohnwagen einheimische Dauercamping, aber noch ist
es dafür zu früh. Und für Überwinterungs-Touristen ist der Westen Siziliens offenbar nicht attraktiv: weniger kulturelle
Highlights, raueres Wetter, sehr ursprüngliches - einfaches - Sizilien.
Mich begrüßt ein junger Schwarzafrikaner - auf Englisch -, sehr freundlich und sehr dankbar, dass ich seine Frage, ob
ich auch Französisch verstehe, bejahe. Englisch und auch Italienisch kann er kaum, Schreiben auch nicht, wie sich
herausstellt, als er mir das Internet-Passwort aufschreiben will. Er kam aus dem Senegal, sein Kollege aus Nigeria, beide
haben hier ein Zimmer, das ordentlich groß ist und es also fast geschafft; die Frage, wie weit es noch nach Deutschland ist
- denn: Allemagne, tres bien
, klar - kommt bald; meine Antwort plus de 2000 kilomètres
begeistert ihn nicht.
Unweit ist, wie ich später festelle, in einem alten Hotel eine große Flüchtlingsunterkunft mit Schwarzen.
Samstag, 4. März bis Montag, 6. März
Nach zwei Tagen Arbeit auf dem Campingplatz in Lido Valderice steht nun zuerst die alte, hoch auf einem Felsen gelegene Stadt Erice auf dem Programm; ich habe Glück: heute ist sie nicht im Nebel, wie in den vergangenen Tagen immer, was vom Campingplatz aus zu sehen war. Der Dom, gebaut 1314, mit dem älteren Wehrturm, war wohl Ziel für den Wallfahrer Gerhard Cagnoli; die Kirche beeindruckt von außen, das Innere bietet wenig Sehenswertes.
Auch keine Augenweide, die Albertus Magnus geweihte ehemalige Kirche der Dominikaner …
… und der Blick ins dazugehörige ehemalige Kloster.
Ebenfalls wenig Erhebendes: die ehemalige Karmeliterkirche aus dem 15. Jahrhundert, wo Aloisius Rabata in den Orden eintrat.
Irgendetwas Sehenswertes muss es doch geben in dieser spektakulär gelegenen und geschichtsträchtgen Stadt, in der schon in vorgeschichtlicher Zeit die Liebesgöttin, dann bei den Griechen Aphrodite und bei den Römern Venus verehrt wurde und die heute Touristenziel ist, zu dem sogar eine Seilbahn heraufführt. Das Rathaus???
Oder daneben die auf Touristen ausgerichtete Bar??
Oder die Kirche San Carlo, gebaut 1612 bis 1617, Karl Borromäus geweiht, deren Benediktinernonnen angeblich köstliche Süßigkeiten buken?
Nachdem auch die Julianus von Erice geweihte Kirche San Giuliano nicht wirklich begeistert: es ist wohl der Mittelalter-Flair, der in den Straßen weht, die alle schmale Gassen - oft Treppen - sind. Verkärte Armut …
… denn Bewusstsein für Historie ist es nicht …
… und Kunstfertigkeit war hier auch nicht zuhause: eines der drei Stadttore.
Von halber Höhe: der Blick auf Trapani. Ganz links sieht man die Felder, in denen bis heute Meersalz gewonnen wird, im Meer die Egadischen Inseln Favignana und Levanzo. Vom Hafen sind es gerade Mal um die 100 km bis nach Tunesien.
Eindrücklich dagegen: die Kirche des ehemaligen Karmeliterklosters in Trapani, wo Albert von Trapani Mönch wurde …
… mit riesigem Rosettenfenster.
Auch hier: die Hommage an Garibaldi.
Im Gassengewirr wieder kaum zu fotografieren: die Kathedrale in Trapani, wo neben Albert von Trapani als Patron auch Innocentia Riccio verehrt wird. Sie stammt im Ursprung von 1102, die Fassade von 1743.
Der Kontrast zum historisch viel bedeutsameren Erice könnte nicht größer sein, der Hafen brachte Reichtum zum Bau des Kollegs der Jesuiten im 17. Jahrhundert …
… wie zum Bau des Rathauses …
… und schon 1603, unter spanischer Herrschaft, zur Gestaltung eines Brunnens.
Die Rosette der Kirche der Augustiner.
50 Meter weiter wird so das Geld verdient: ein Schiff aus Bahrain …
… und am Ende der Halbinsel: mit Fischen.
Dort hat der Wohlstand dann ein Ende: das ehemalige Kapuzinerkloster, in dem Joseph von Trapani lebte, heute von der Universität genutzt.
Tracks
Sciacca
Lido Valderice
Trapani
geschrieben am 4., 5. und 6. März 2017