Mittwoch 2. März, bis Montag, 21. März
Auf dem sympatischen Campingplatz
Terre d'Ocean bei Agadir
genoss ich das Wetter, die Ruhe, die gepflegten Sanitärs, die perfekte Umgebung zum Arbeiten.
Die Zahl der Überwinterer wird jetzt weiniger, viele Plätze sind schon frei, noch vor 14 Tagen gab es kaum einen Platz,
erzählen einige. Wie schon zuvor beobachtet, fällt die Zurückhaltung der vielen Franzosen auf: ein bonjour
, kaum mehr.
Es gibt hier nun erstmals auch einige Deutsche, die empfinden genauso; eine Frau aus
Tauberbischofsheim sagt,
sie wolle deshalb nicht wieder nach Marokko kommen - schade. Mein ebenfalls deutscher Nachbar hat trotzig die Deutschland-Fahne
gehisst - ob das hilfreich ist, wage ich sehr zu bezweifeln.
Im Juli letzten Jahres schrieb ich hier nach der entscheidenden EU-Ratssitzung in
Sachen Griechenland: Merkel hat verloren, Griechenland bleibt im Euro
. In der deutschen Presse wurde das damals als
großer Erfolg dargestellt, die Kanzlerin habe sich durchgesetzt, die Haushaltsdisziplin gelte nun für ganz Europa. Das war
Wunschdenken: Europa hat damals gelernt, dass die Deutschen unbelehrbar sind und über Leichen gehen
- das kann man
angesichts des Zusammenbruchs des Gesundheitswesens in Griechenland, der vielen Griechen, die sich ihre Medikamente nicht mehr
kaufen können und der drastisch gestiegenen Selbstmordrate durchaus sogar wörtlich nehmen. Europa zahlt das nun Deutschland
heim in der Flüchtlingsfrage. Und unserer europäischen Mitbürger haben ihre Zurückhaltung wieder aktiviert. Von Adenauer über
Brandt bis Kohl: deutsche Politik hat 60 Jahre lang daran gearbeitet, dass uns die Leidgeprüften anderen es schließlich
geglaubt haben: Wir wollen ein Volk guter Nachbarn sein.
Merkel hat das konsequent zerstört, um der neoliberalen
Ideologie willen.
Die Zeit auf Terre d'Ocean
diente auch der Trauerarbeit meines Scheiterns in Mauretanien - eine der großen
Niederlagen meines Lebens, dennoch der richtige Schritt auch im Nachhinein betrachtet.
Wir geben Entwicklungshilfe, wir tun etwas, denn wir sind die Guten. Dachte ich. Und habe mir angesehen, was Deutschland in
Mauretanien tut - die Webseite der Gesellschaft für Internationale
Zusammenarbeit
listet das schön auf; man muss sich das anschauen:
• Polizeiprogramm Afrika – Mauretanien Ziel: Die Leistungsfähigkeit der nationalen Polizei
Mauretaniens ist insbesondere in Hinblick auf die polizeiliche Grenzsicherung sowie Professionalisierung in Teilbereichen
gestärkt. … Fünf Grenzstationen sind inzwischen voll funktionsfähig: Eine Grenzstation wurde neu errichtet und zusammen
mit vier weiteren Grenzstationen mit spezieller Ausrüstung etwa zur Personenkontrolle und -erfassung ausgestattet.
• Menschenrechtsförderung und -dialog Das Vorhaben ist Teil der Sonderinitiative zur Stabilisierung und Entwicklung
in Nordafrika und Nahost. Mit den Projekten der Sonderinitiative trägt das Ministerium dazu bei, wirtschaftliche und soziale
Perspektiven für die Menschen in der Region zu schaffen. Im Fokus stehen dabei die Themenbereiche Jugend- und
Beschäftigungsförderung, wirtschaftliche Stabilisierung, Demokratisierung sowie die Stabilisierung von Nachbarländern in
Krisensituationen.
• Unterstützung der Reformprozesse in den Bereichen Öffentliche Finanzen und Dezentralisierung in Mauretanien Ziel:
die Partizipation der Bevölkerung wurde gestärkt. Durch die Veröffentlichung staatlicher Haushaltsinformationen auf der
Internetpräsenz des Schatzamts erhalten Bürgerinnen und Bürger einen verbesserten Zugang zu staatlichen Haushalts- und
Finanzinformationen sowie zu Rechenschaftsberichten von Institutionen des öffentlichen Finanzmanagements.
• Steigerung der Kapazitäten zur Anpassung an den Klimawandel im ländlichen Raum Es werden zunächst
kontextspezifische und gendersensible Verwundbarkeitsanalysen (Vulnerabilitätsanalysen) durch das Consultingunternehmen
adelphi consult GmbH erstellt. Auf deren Grundlage werden Optionen entwickelt, wie eine angepasste klimasensible Bewirtschaftung
der natürlichen Ressourcen erfolgen kann, und entsprechende Beratungskonzepte entwickelt, um die lokale Bevölkerung besser über
die Risiken des Klimawandels für die Ernährungssicherung zu informieren.
• Regionales Netzwerk für integrierte Abfallwirtschaft im MENA-Raum (= Ägypten, Algerien, Jemen,
Jordanien, Libanon, Marokko, Mauretanien, Palästinensische Gebiete, Tunesien) Das regionale Netzwerk SWEEP-Net (Solid Waste
Exchange of Information and Expertise Network in the MENA Region) bringt Fachleute aus nationalen öffentlichen Einrichtungen,
Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen. Es wurden vier Regionalkonferenzen durchgeführt, bei denen
sich rund 600 Fachleute austauschten. Rund 1400 Fachleute nahmen an über 40 nationalen und regionalen Workshops teil.
• Management natürlicher Ressourcen 1. Die Leistungsfähigkeit des Umweltministeriums wird durch Politik-, Fach-
und Organisationsberatung gestärkt. 2. In Kooperation mit internationalen Naturschutzorganisationen wird ein Programm zum
Biodiversitätserhalt im Erdöl- und Erdgassektor unterstützt. Darüber hinaus beteiligt sich das Vorhaben an der Einrichtung
einer intersektoralen Kommission zum Erhalt der Meeres- und Küstenbiodiversität. 3. Das dezentrale Management der natürlichen
Ressourcen in den Agrar-, Wald- und Weidegebieten im Süden des Landes wird ausgebaut. Die direkte Unterstützung der
Nutzervereinigungen wird dabei reduziert und der Kompetenztransfer an die Ministerien und Kommunen ausgebaut.
• Anpassung mauretanischer Küstenstädte an den Klimawandel Schutz der Stadt Nouakchott vor den Folgen des
Klimawandels. Ausgangspunkt aller Aktivitäten ist eine Konsolidierung des vorhandenen Wissens. Seit 2004 wurden zahlreiche
Studien vorgelegt, jedoch jeweils nur zu punktuellen Fragestellungen. Das Vorhaben entwickelt ein Informationssystem
(AdaptNKC), das allen beteiligten Organisationen Zugriff auf entscheidungsrelevante Daten gestattet und bietet einfachen
Zugriff auf über 1000 themenrelevante Dokumente. Auf einer Studienreise nach Norddeutschland Ende 2013 konnte die Kompetenz
der Stakeholder zum Küstenschutz gestärkt werden. 12 Teilnehmende – Delegierte des Umweltministeriums sowie Vertreter aus
Küstenkommunen – konnten ihr Wissen über Anpassung an den Klimawandel vertiefen sowie sektor- und institutionenübergreifende
Zusammenarbeit kennenlernen.
Die Aufzählung ist vollständig.
Das sind alle derzeitigen Projekte der deutschen Entwicklungshilfe. Ich möchte wirklich nicht ungerecht sein und
ich gönne all den deutschen Sozialwissenschaftlern, die die Projekte verwalten, ihren Arbeitsplatz von Herzen. Aber für mich
sind das alles reine Kopfgeburten, schon die Terminologie ist entlarvend genug. Das Polizeiprogramm
dient der
Unterbindung von Migration, also den deutschen Interessen. Für Jugendliche wird die Menschenrechtsförderung
bereit
gehalten; sie hätten gerne aber Arbeitsplätze, Lohn, Einkünfte. Schön, dass die Reformprozesse
den Staatshaushalt
transparent machen, die Menschen in Mauretanien werden das sicher alle im Internet nachvollziehen. In Sachen
Anpassung an den Klimawandel
sind Vulnerabilitätsanalysen durch das Consultingunternehmen
natürlich hilfreich:
zwar haben die Leute nichts mehr zu essen, aber sie sind nun besser über die Risiken des Klimawandels für die
Ernährungssicherung
informiert; sie wussten ja noch gar nicht, dass sie Hunger haben. In der Abfallwirtschaft
können afrikanische Bürokraten an Kongressen teilnehmen, dann müssen sie nicht für die Einführung einer Müllabfuhr sorgen.
Die natürlichen Ressourcen
werden aufblühen ob neuer Leistungsfähigkeit des Ministeriums. Und die Küstenstädte
- im Untertitel ist es nur noch eine,
Nouakchott, wird
ihr Versalzungs- und Versandungsproblem lösen, nachdem afrikanische Beamte an norddeutschen Deichen gesehen haben, wie man
diese mit ordentlich grünen Wiesen schützt; sie werden es an den von Überschwemmung heimgesuchten Sanddünen in ihrer Heimat
nachmachen können: einfach Gras sehen und auf Regen warten.
Das Problem - ich weiß es zwar nicht, bin mir dennoch sicher - ist dabei erst durch Entwicklungshilfe
entstanden:
die Idee, Nouakchott
versöhnend an diese Stelle zu platzieren, hinter den vom Meer schützenden Sanddünen, kam von den Beratern. Die ethische Idee
war sicher gut; vergessen haben die Berater, dass die Dünen ständig Nachschub
brauchen: von Westen knabbert das Meer sie
ab, von Osten aber werden sie durch den Sand des Harmattan genährt. Wenn man nun aber östlich der Dünen eine Stadt baut, kommt
der Nachschub nicht mehr an, der Sand bleibt - sichtlich! - in der Stadt liegen, die Dünen verfallen. Einheimische hätten das
gewusst, aber die wurden natürlich nicht gefragt, Wissen haben ja nur die ausgebildeten Experten
.
Es ist absurd! Für die Menschen in Mauretanien kommt bei alledem nichts 'rüber. Interessant auch, dass auf der Webseite alle
Zahlen über die aufgewendeten Gelder fehlen.
Aber, unter den abgeschlossenen Projekten könnte eines wirkliche Hilfe bedeutet haben? Zwei Beispiele:
• Nachhaltige Bewirtschaftung der Fischereiressourcen Die Bewirtschaftungspläne legen genau fest,
wann, wo und wie viel von welcher Fischart gefangen werden darf. Sie bestimmen die Auflagen für Boote (sic !) und die Schonzeiten.
• Verbesserung von Energiedienstleistungen Ziel: Verteilung von energieeffizienten Herden in der Guidimakhan-Region
zu fördern. Bis Dezember 2014 konnten in Mauretanien bereits 54 Produzenten in Herstellung und Vertrieb verschiedener
Energiesparherde ausgebildet und 3781 Herde verkauft werden.
Damit wird der Holzeinschlag und die damit einhergehende
weitere Versteppung vermieden.
Beim ersten Projekt wird also der Mangel an Fischen für die einheimischen Fischer - hoffentlich gerecht - verteilt. Am
eigentlichen Problem, der Ausbeutung der Fischbestände durch die EU-Trawler, ändert sich nichts. Beim zweiten, gewiss
sehr hilfreichen Projekt, wurden 3781 Herde verkauft
. Mauretanien hat 3 Millionen Einwohner, also geschätzt 600.000
Familien und ebensoviel Herde. Für 0,63016 Prozent wurde nun tatsächlich ein Problem gelöst - wenn auch mit dem eigenen Geld der
Leute vor Ort. 0,63016% des Problems gelöst, bezahlt von den Mauretaniern - beim einzigen Projekt, das tatsächlich eine
Lösung darstellt. Toll! Wir sind die Guten!
Kritiker mögen einwenden: Ich sei polemisch, das stimmt nicht: ich bin sarkastisch. Oder: Erkenntnis sei doch die Grundlage für Problemlösungen. Das muss man einem Theologen nicht sagen (gewiss: es gab und gibt Theologen, die reden, ohne das Problem zu kennen; sie sind keine Theo- sonder Ideo-logen). Wenn Menschen hungern, geht es nicht um Analyse, sondern um Brot. Wir fördern bestenfalls die einheimischen Eliten, also unsere (potentiellen) Geschäftspartner. Ich möchte Schreien.
Alle fünf Sekunden verhungert in dieser Welt ein Kind unter zehn Jahren - in einer Welt, die einen irrwitzigen Überfluss produziert und eigentlich viel mehr Menschen ernähren könnte. Für Jean Ziegler ist Welt-Hunger vor allem ein Verteilungsproblem, ein Systemfehler, eine Schande, ein Skandal, ein organisiertes Verbrechen, ein Massenmord. Er kennt die Hirnschäden und Behinderungen, mit denen Kinder auf die Welt kommen, deren Mütter unterernährt sind. Er weiß, was Hunger anrichten kann: die Auszehrungen, die Mundparasiten, die infizierten Atemwege, die sich selbst aufzehrenden Muskeln, die Schmerzen. Und schlimmer noch: Er weiß, wie wenig es braucht, um all das zu verhindern. Tatsächlich geschieht genau das Gegenteil: Laut Oxfam-Berechnungen wurden seit 2001 in Entwicklungsländern rund 230 Millionen Hektar Land verkauft - eine Fläche, die etwa der Westeuropas entspricht. Am stärksten war bislang Afrika von den Landaufkäufern betroffen. Länder mit schlechten landwirtschaftlichen Bedingungen beziehungsweise schnell wachsenden Bevölkerungen wollen sich so für die Zukunft Nahrungsmittelsicherheit erkaufen; aber was auf den Feldern wächst, kommt nicht den Einheimischen zugute, sondern wird exportiert. Auch in der Ukraine bringen sich inzwischen die cash-cop-Investoren in Stellung.
Es sind dann ganze vierzehn Tage geworden auf
Terre d'Ocean, bis es
- bequem auf der Autobahn - wieder nach Norden ging: über Marrakech, das mich mit sengender Hitze emfing und mit schneebedeckten
Bergen des Atlasgebirges, aber auch mit dem
Campingplatz mit dem guten
Essen und der Unterkunft für Nicht-Camper im Kasbah-Stil, kam ich schließlich nach
Fès. Hinter Marrakech wurde die Landschaft
dann wieder grün: Bäume, Sträucher, schließlich sogar Wiesen mit Gras - grün, die seit Wochen fast nicht mehr gesehene Farbe -
fast wie zuhause. Ach, wie schön ist es, ein reicher Europäer zu sein! Auf dem
Campingplatz in Fès
gibt es richtig hohe, alte Bäume mit viel Schatten - er heißt entsprechend Diamant vert
, grüner Diamant
, empfängt
mich aber nicht glitzernd, sondern mit vielen Wolken und beschert am Montag grauen Himmel und Dauerregen. Inzwischen hat ja die
Karwoche begonnen, es ist Ferienzeit und deshalb sind viele
Urlauber hier: Familien und junge Paare - es gibt also nicht nur Menschen jenseits der 60, wie seither auf den Campingplätzen,
wo das Altenheim-Feeling spürbar war -, auch viele aus Deutschland, Holland, sogar Spanier.
Dienstag, 22. März, bis Donnerstag, 24. März
Es hat die ganze Nacht hindurch geregnet, auch der Wetterbericht sagt bis Donnerstag Regen und Kälte voraus, und der Tag ist
grau und kalt. Dennoch wage ich den Ausflug nach
Volubilis, der größten
Ausgrabungsstätte in Marokko, 40 n. Chr. - nach den Sieg der Römer über die Phönizier - übernommen und zur Hauptstadt der westlichen
römischen Provinz Mauretanien gemacht. Sie erlebte ihre Blütezeit um 200; um 285 wurde die Hauptstadt wegen der zahlreichen
Überfälle durch die Berber nach Tingis - dem heutigen
Tanger - verlegt. Bald darauf wurde die Stadt
christianisiert und dann von Berbern erobert, die Christen wurden, bis sie dann Ende des 8. Jahrhundert sich den muslimischen
Eroberern geschlagen geben und deren Glauben annehmen mussten.
Die Fassade der Basilika, der Versammlungshalle am Forum, ist beeindruckend.
Es gibt schöne Mosaiken, hier der Akrobat
, weil er rückwärts auf dem Esel reitet.
Wenig spektakulär: Reste der ehemaligen Kathedrale.
Mächtig: der Triumphbogen aus dem Jahr 217.
Herrschaftlich: der Innenhof eines vornehmen Hauses.
Verspielt: das Mosaik im Haus der badenden Nymphen
.
Repräsentativ: der Palast des Regenten Gordianus am decamus maximus
, der Haptstraße, 4488 m² Grundfläche, gebaut 238 bis
244.
Seit 1997 ist Volubilis
UNESCO-Weltkulturerbe
In Sichtweite von Volubilis liegt am Berg die Stadt Moulay Idris. Sie hat ihren Namen von Moulay Idris, der 789 als Asylbewerber auf der Flucht vor den Schiiten hierher kam, schnell Anführer der Berber wurde und deshalb als Gründer des Köingreiches Marokko gilt. 791 gründete er die Stadt Fès, 792 wurde er von seinen Verfolgern doch ermordet und unweit von Volubilis begraben; am Grab entstand die nun nach ihm benannte Siedlung, ein wichtiger Wallfahrtsort bis heute: dreimal nach Maouly Idris gekommen zählt wie eine Hadsch nach Mekka. Die Menschen zogen dann zunehmend um in die neue Stadt, im 14. Jahrhundert wurde Volubilis endgültig aufgegeben.
Zurück fahre ich durch die Berge des Djabal Zerhoun mit herrlicher Landschaft, sogar einem Sonnenstrahl. Wobei ich Glück hatte: in Volubilis war es die ganze Zeit trocken, wenn auch lausig kalt mit eisigem Wind - ich war die letzten Wochen an Hochsommer gewöhnt!
Am Mittwoch zeigt sich das Wetter besser als im Bericht - ich fahre in die Stadt, zum Place Baghdadi, der die alte Stadt
aus dem 9. Jahrhundert mit der neuen
und dem Königspalast verbindet, beide umgeben von der 16 km langen Stadtmauer. Fès
war lange die Hauptstadt und bis ins 20. Jahrhundert das geistige Zentrum Marokkos; die Karaouyine-Moschee war Sitz der für den
Islam nach Kairo
bedeutendsten Gelehrten. Hier hatte auch die Widerstandsbewegung gegen die französische Besetzung ab 1911 ihr Zentrum.
Der Park Jnane Sbil, eine Oase mitten in der Stadt, speist sein Wasser aus dem Fluss Fès. Die Stiftung von König Mohammed VI. ließ ihn herrichten.
Im Norden des Landes gibt es jetzt wieder viele wilde Hunde und Katzen - im Unterschied zum Süden fällt hier offenbar genug für sie ab. Eine wilde Katze lag heute Abend auf dem Campingplatz in meinem - soeben frisch bezogenen! - Bett. Auffallend sind auch die vielen bettelnden Schwarzafrikaner, die es bis hierher geschafft haben.
Das Tor zum Königspalast ist von Polizei und Militär bewacht. Auch Ferdinand von Portugal wurde hier dereinst bewacht; er hatte 1437 erfolglos einen Kreuzzug gegen die Mauren geführt, war gefangen genommen worden und wurde schließlich getötet.
Direkt neben dem Königspalast: die Mellah
, das frühere Judenviertel; sie standen - gegen hohe Sondersteuer - unter des
Königs Schutz, dafür dienten sie ihm als Finanzexperten. Später war dies das Viertel der französischen Beamten, heute sind die
alten Häuser eher von einfacher Bevölkerung bewohnt. Wie immer faszinierend: die Geschäftsstraßen - hier die Rue Fès Djedid,
die Hauptstraße des neuen
Fès -, ob gedeckt …
… oder offen.
In den Seitengassen bieten die Händler ihre Waren an, die sich keinen Laden leisten können.
Das Bab Boujeloud
führt in die Altstadt, die Medina. Auch davor haben fliegende Händler ihre Stände aufgebaut.
Mein Gang durch die Altstadt findet dann ein schnelles Ende: am Nachmittag kommt der große Regen wieder.
Somit wird dieser schöne Hauseingang mein letztes Marokko-Foto. Der Wetterbericht meldet weiterhin Regen und Kälte, in Spanien
soll es deutlich schöner sein - also fahre ich schon am Donnerstag zur Grenze, besuche in Ceuta noch schnell die
Kirche Nuestra Señora de África, die leider
geschlossen ist - es ist Gründonnerstag
und heute Abend gibt es eine Prozession, weshalb auch die Innenstadt schon abgesperrt ist - und dann geht's wieder übers Meer zum
Campingplatz in Tarifa.
Der spanische Zoll kontrolliert gleich dreimal: an der Grenze, bei der Auffahrt auf die Fähre und nochmals nach deren Ankunft -
die Festung Europa hält ihre Mauern dicht - dabei hat ja schon Marokko im Süden einen 2500 km (!!) langen und 3 m hohen Wall,
gesichert mit Stacheldraht und Wachtürmen in Sichtentfernung - da kommt kein Schwarzafrikaner durch, im Zweifel wird von der
Schusswaffe Gebrauch gemacht. Früher nannte man eine solche Anlage Schandmauer
- aber diese diente ja auch nicht zur
Verteidigung des Wohlstandes. (Für Marokko dient der Wall zugleich der Fernhaltung von Sahauris aus Algerien und Mauretanien.)
Shukran, Danke Marokko, es war schön hier! Die Menschen sind ausgesprochen freundlich - auch wenn dahinter natürlich in
aller Regel die Hoffnung auf ein Geschäft steht. Das Land hat sich entwickelt, es stimmt - der Schleuser bei der Einreise hatte
es mit sichtlichem Stolz verkündet, nachdem ich ihm gesagt hatte, dass ich vor 25
Jahren schon einmal hier war. Das Land ist jung: fast ein Drittel der Einwohner ist jünger als 15 Jahre, die über 65-jährigen
machen nur 6,1% der Bevölkerung aus, obwohl die Lebenserwartung bei 75,9 Jahren liegt (in Deutschland 2011: 80,2); das
Durchschnittsalter beträgt 26,9 Jahre. Das Bevölkerungswachstum liegt bei (nur) 1 %, damit unterscheidet sich Marokko deutlich
von anderen Entwicklungsländern; der Islam erlaubt Geburtenkontrolle, es gibt für viele jetzt eine Rentenversicherung: das Land
hat alle Chancen, den Lebensstandard weiter anzuheben.
Marokko weiß auch, dass die EU-Flüchtlingspolitik das Land in eine neue Lage bringt: nach dem Türkei-Deal wird die Bedeutung
Marokkos bei der Abschottung durch die Verschiebung von Fluchtrouten zunehmen, ebenso bei der Bekämpfung islamistischen Terrors.
Marokko kann selbstbewusst gegenüber der EU auftreten und nun selbst Forderungen erheben, ähnlich der Türkei. Schon im Januar
gelang es, durch die Verhinderung der Eröffnung des ersten IKEA-Marktes im Land, in
Casablanca, Schweden von
seiner beabsichtigten
Anerkennung der Westsahara als selbständigen Staat abzuhalten. Und nachdem mit Ban Ki Moon kürzlich erstmals ein UN-Generalsekretär
die Westsahara besuchte und dabei von einer Besatzung
durch Marokko sprach, traute Marokko sich, 81 zivile Angestellte
der UN-Friedensmission und drei Beobachter der Afrikanischen Union aus dem Land zu werfen und drohte sogar, alle Blauhelmsoldaten
zum Verlassen zu zwingen. Als Einladung zum Krieg
bezeichnete dies Ahmed Bujari, der Vertreter der Westsahara bei der
UNO, am 17. März. Dass dort die Spannungen stiegen, hatte ich ja bei der
Rückreise erlebt, jetzt weiß ich den Grund.
Das Denkmal vor der Kirche Nuestra Señora de África in Ceuta, das an einen siegreichen Feldzug der Spanier gegen Marokko im 18. Jahrhundert erinnert, ist deshalb ein Symbol: auf Dauer setzt sich Kolonialismus doch nicht durch - nicht damals, militärisch, und auch nicht heute, wirtschaftlich.
Freitag, 25. März
Der Karfreitag wird tatsächlich ein
herrlich warmer Tag. In Casares,
wo Jakob Joseph López Caamaño von Cádiz
in der Verbannung lebte, verbringen die Menschen den Tag auf dem zentralen Platz, später wird die Prozession stattfinden.
Ach ja: die Frauen sehen hier wieder wie Frauen aus und die Männer wie Männer. In Marokko gibt es in Städten wohl ein Drittel
westlich gekleideter, kopftuchloser Frauen; die anderen und praktisch alle auf dem Land tragen Kopftuch und bodenlange, weite
Kleider, auch viele Männer bodenlange Djellaba
mit Kapuze - was auf mich - bin ich überheblich? - etwas lächerlich wirkt.
Auch in Spanien werden noch Tiere genutzt …
… was für ein solches Städtchen am Berg keine schlechte Idee ist.
Über Yunquera, der Heimatstadt und Begräbnisstätte von Juan Duarte Martín, komme ich nach El Burgo, wo er einige Zeit gefangen gehalten wurde. Schon auf der Anfahrt fällt der Blick auf die Kirche, die wie überall hier an der Stelle und auf den Mauern des früheren maurischen Kastells steht.
Unterwegs sticht auch die Kirche in
Alozaina ins Auge.
Abends komme ich wie geplant auf den schon gewohnten
Campingplatz in Torrox.
Hier werde ich die nächsten Tage den Sand an und in der Kiste entfernen, den so verführerischen europäischen Luxus genießen und
die Weiterfahrt durch Spanien planen.
Die Tracks:
Marrakech
Fès
Volubilis
Tarifa
Torrox gibt's mal wieder nicht.
geschrieben am 18., 21. und 27. März 2016