Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Der Sonne entgegen ...

   J. Schäfer          

Montag, 26. Januar, bis Samstag, 31. Januar

Tatsächlich: am 26. Januar konnte ich losfahren, früh am Morgen, in Nässe und Kälte - kein Abschiedsschmerz! Zwischen Alb und Schwarzwald dickes Schneetreiben, die Autobahn weiß, 60 km/h, kein Vergnügen. Aber doch (fast) rechtzeitig kurz nach 12 Uhr bei meiner Tante am Genfer See angekommen zu einem leckeren Mittagessen. Am Nachmittag und Abend hat es auch dort kräftig geschneit, wir hatten Zeit für Gespräche über Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünftiges, Familie, Welt und Gott sowie ein - sehr gutes - Glas Wein.


Am nächsten Morgen lag auch im schönen Städtchen Aigle noch Schnee, der Tag bei meiner Tante verging wie im Flug.

Nach zwei Tagen im warmen Hotel begrüßte mich der Morgen zur Weiterfahrt mit strahlendem Sonnenschein. Bald war ich in Frankreich; in Annecy wollte ich die Schweizer Franken tauschen, die meine Tante mir geschenkt hatte. Aber in französischen Banken gibt es kein Geld mehr, nur einen Willkommens-Tresen und Beratungskammern. Dass in Frankreich überall mit Karten bezahlt wird, wusste ich, wie selten echtes Geld hier ist, noch nicht. Nach einigen Banken und längerem Suchen fand ich schließlich die Wechselstube. Und hier die nächste Überraschung: für 100 Schweizer Franken gab es gerade noch 87 Euro - mehr als 25% Wertverlust in wenigen Tagen. Wobei das Problem ja nicht der schwache Euro ist - der war von Anfang an eigentlich auf Parität zum US-Dollar angelegt - sondern der starke Franken; eine Katastrophe für die Schweizer Wirtschaft!
Auf dem kleinen Pass hinter Chambéry lag noch einmal Schnee, das Rhônetal begrüßte mich mit Sonne, Wärme, südländischem Flair und dem ersten Rentner-Wohnmobil.

Die Nacht verbrachte ich nahe Carcassonne bei höchst angenehmer Temperatur. Der Pyrenäen-Pass nach Andorra liegt 2408 Meter hoch, dort liegt richtig viel Schnee ...

... und einige Skifahrer genießen.
In Andorra läuft die Literanzeige beim Tanken wieder schneller als die der Euro - 89 Cent, da lohnt der Verzicht auf die Autobahn, deren Gebühr man obendrein spart.

In den südlichen Ausläufern der Pyrennäen sind die Orangen erntereif, die Sonne scheint, es ist herrlich warm. In Tarragona komme ich wieder ans Meer, wenige Meter vom Ufer übernachte ich nahe Valencia, zusammen mit anderen Wohnmobilen, bei wohliger Wärme.
Am nächsten Morgen scheint die Sonne, lästig ist nur der starke, böige Wind, schneller als mit 100 km/h geht es deswegen auch auf der Autobahn nicht. Mein Navi führt mich ab Valencia auf bestens ausgebauten, ortsumfahrenden Landtsraßen Richtung Südwesten, die Wärme und Sonne beflügelt. Bei der Fahrt über die Sierra Nevada, die schneebedeckte Bergkette, gibt es keine weiße Pracht mehr, stattdessen kilometerlang Nebel mit Sichtweite um 20 Meter; ich finde den Weg auf der vierspurigen Straße hinter den Rücklichtern eines LKW und komme in der Abenddämmerung - die ist hier erst um 19 Uhr, dafür beginnt (!) sie am Morgen erst um 8 Uhr - an die Küste. Entlang der Küstenstraße leuchten weiß die Touristenunterkünfte - Legehennenhaltung für Sommerurlauber. Nach einer halben Stunde erreiche ich mein Ziel, den Campingplatz in Torrox Costa, dem laut Eigenwerbung wärmsten Ort in Europa.

Er ist gut gefüllt mit Wohnmobilen, die meisten aus Großbritannien, kaum Deutsche. Hier werde ich die nächsten Tage bleiben, am Heiligenlexikon arbeiten, Sonne und Wärme aufsaugen. Das Leben ist schön.

Sonntag, 1. Februar, bis Montag, 16. Februar

Am ersten Abend war ich natürlich am Strand. Der Leuchtturm stammt aus dem Jahr 1864. Die Wärme tut gut, nur der Wind ist schneidig und kühl.
Bis zu 300.000 Menschen, haben sich am gestrigen Samstag trotz Regen und Kälte auf dem Platz Puerta del Sol in Madrid versammelt, berichtet Spiegel-online. Ein Wind der Veränderung beginnt durch Europa zu wehen, rief der Generalsekretär der neuen Protestpartei Podemos - deutsch: Wir können - angesichts des Ergebnisses der Griechenland-Wahl der Menge bei diesem Marsch für Veränderung zu. Er sprach vom Traum von einem gerechteren Spanien, vom Ende des Spardiktates, von einem Land, das seine Souveränität zurückerobert, in dem die Politik regiert statt der Märkte und der Troika. Kostenloser Strom für 300.000 Familien, die die Rechnung nicht bezahlen können, die Privatisierungen gestoppt, Wiedereinführung der Krankenversicherung für alle, Einbürgerung für alle Kinder, egal welcher Hautfarbe, Wiedereinstellung der entlassenen Lehrer …, zählte er die Maßnahmen der Syriza-Regierung auf. Wer hat gesagt, dass das nicht möglich ist? Wer hat gesagt, dass eine Regierung keine Veränderungen herbeiführen kann?
Spanien steht vor einem Superwahljahr mit Parlamentswahlen zum Jahresende. Podemos will es Syriza gleichtun. Bei Umfragen liegt Podemos, die neue Partei, die erst zur Europa-Wahl im letzten Jahr gegründet wurde, seit Ende 2014 vorn.
Wie im letzten Jahr schon ist die Krise hier an allen Ecken und Enden spürbar. Und die Menschen haben nun einfach genug. Frau Merkel wird sich noch wundern …

Das alte Städtchen Torrox liegt am Berg, etwas vom Meer entfernt. Der Sonnenschein täuscht; sie scheint, aber es ist inzwischen lausig kalt geworden. Tageshöchsttemperaturen von 10°, in der Nacht auch unter 0°, dazu ein eisig kalter Wind, der tagelang nicht abflauen will. Auf den nahen Bergen - 1300 Meter hoch - liegt seit Tagen Schnee - Sierra nevada, ganz im Sinne des Wortes. Aus Stuttgart höre ich, selbst dort liege Schnee, von der Schwäbischen Alb lese ich, es gab -20°; ganz so schlimm ist es hier nicht, aber ich bin heilfroh an meinem Winterschlafsack - am Anfang dachte ich, er sei überflüssiger Ballast.
Zeit online berichtet über Podemos und Spanien: Über 50 Prozent Jugendarbeitslosigkeit: Da haben viele junge Leute Gründe, Anlass und Zeit, sich in gemeinsamem Zorn zu versammeln. Podemos zieht die Trennlinie des politischen Kampfes statt zwischen rechts und links zwischen oben und unten, zwischen den Menschen und den Eliten. Hier geht es um das Ganze: das Volk gegen die Herrschenden. Gegen das Machtkartell. Die spanischen Wirtschaftsdaten sind besser als die griechischen, auch wenn - schreibt die Zeit; natürlich müsste es heißen: aber das ändert nichts daran, dass die Bevölkerung und vor allem die Arbeitslosen das bisher nicht spüren.

Auf dem Marktplatz von Torrox hat man Muhammad ibn Abi Amir, im Deutschen bekannt als Almanso, dem Alleinherrscher im Kalifat von Córdoba von 978 bis 1002, ein Denkmal gesetzt. Die muslimische Herrschaft war wahrlich nicht die schlechteste in Spanien.
Ich habe mich auf dem Campingplatz eingerichtet, warte hier aufs Frühjahr, das nun heute mit Temperaturen von über 20° wirklich angekommen ist. Es ist so ein bisschen wie im Betreuten Wohnen: wohlorganisiert, geputzt wird regelmäßig, die Leute über 60, viel schlafend, sonst fernsehend, Hund ausführend, Spazieren gehend, gerne plauschend. Und wenn's das Wetter zulässt, an der Strandpromenade Frühschoppen, Nachmittags-Cocktail und schließlich Schlummertrunk genießend. Sehr ruhig - ideal für mich zum Arbeiten.
Am vorvergangenen Samstag war ich in Málaga, weil ich eine Kaffeemaschine brauchte - meine schöne 12 V-Maschine habe ich per Kurzschluss unbrauchbar gemacht. Google-Maps verzeichnen 3 Media-Märkte - alle sind kleine Elektrogeschäfte, ab 12 Uhr geschlossen; im riesigen Carrefour werde ich schließlich fündig. Ansonsten sind auch am Samstag die Stadt und die Straßen fast leer; wenn nur die Ampeln nicht wären, die sind ständig rot - alle - immer - alle paar Meter - auch an Kreisverkehren - lange - jede - unbarmherzig - sinnlos dazu, weil kein Verkehr - ausdauernd - rot.

Ansonsten geht das Leben seinen Gang: zuhause verliert der VfB. Immer. Auf Griechenland wird geschimpft, gegen Putin gehetzt. Alles also ganz normal.
Paul Krugman, US-amerikanischer Professor für Volkswirtschaftslehre an der Princeton University und Nobelpreisträger, schrieb in der New York Times am 6.Februar 2015: Deutschland verlangt, dass Griechenland weiter versuchen soll, seine Schulden voll zurückzuzahlen, und deshalb erzwingt es eine unglaublich harsche Austerität. Griechenland den Stecker zu ziehen, wäre äußerst riskant, nicht nur für Europas Wirtschaft, sondern für das gesamte europäische Projekt.
Wir haben hier eine wirklich gefährliche Konfrontation. Das ist nicht mehr Diplomatie wie gehabt; es ist vielmehr ein Spiel mit dem Untergang, in dem zwei mit Dynamit beladene Laster auf einer engen Bergstraße aufeinander zurollen und keiner ausweichen will.
Natürlich hat Griechenland sich durch seine unverantwortliche Kreditaufnahme (die allerdings nicht ohne ebenso unverantwortliche Kreditvergabe möglich gewesen wäre) gewaltig in Schwierigkeiten gebracht. Und für diese Verantwortungslosigkeit hat Griechenland einen furchtbaren Preis gezahlt. Sieht man aber nach vorne, wie viel mehr kann das Land schlucken? Natürlich kann es die Schulden nicht komplett zurückzahlen; Das sieht jeder, der rechnen kann.
Leider haben die deutschen Politiker ihren Wählern diese simple Mathematik nie erklärt. Stattdessen haben sie es sich leicht gemacht: Mit Moralpredigten über die Verantwortungslosigkeit der Schuldner, mit Erklärungen, die Schulden müssten und würden komplett zurückgezahlt werden, mit Stereotypen über die trägen Südeuropäer.
Was, wenn die Deutschen nicht aufwachen? Wir nähern uns rapide der Stunde der Wahrheit.

Schon im April 2013 meldete die Wirtschaftswoche, dass die Deutschen nach einer Studie der EZB, trotz ihrer überragenden Wirtschaftsleistung nach 21 Jahren Europäischer Union und elf Jahren Währungsunion gemessen an ihrem mittleren Haushaltsvermögen von 51.400 Euro noch hinter Slowaken, Portugiesen und Griechen die ärmsten Bürger der Eurozone sind. SPD und CDU haben bei der Hamburg-Wahl fast 9 Prozentpunkte verloren, die Wahlbeteiligung betrug gerade noch 56,6 %; knapp 62 % der abgegebenen Stimmen erhielten SPD und CDU, das ist eine Zustimmung von 35 % - gerade recht ein Drittel der Menschen stützt die im Bund amtierende Regierungskonstellation. Frau Merkel wird sich noch wundern …

Bis Donnerstag bin ich hier noch angemeldet. Ob ich noch eine Woche verlängere, wird sich zeigen - es ist ja so schön gemütlich im Altersheim, andererseits: das Frühjahr winkt.

Dienstag, 17. Februar, bis Mittwoch, 25. Februar

Ich bin dann doch noch eine Woche im Altersheim geblieben. Es ist so gemütlich und vertraut hier. Und preiswert: ich war Essen: ein gemischter Salat - der beste, den ich je gegessen habe mit wirklich allen denkbaren Früchten des Gartens -, eine gute Pizza und ein halber Liter Bier (eine Halbe, nicht 0,4 l!) für 13,80 €, da kann man nicht motzen.
Zusammen mit meinem Platznachbarn, einem netten Hamburger, war ich in Málaga, zuerst am Mahnmal für die im Spanischen Bürgerkrieg Ermordeten auf dem ehemaligen Friedhof San Rafael. Tausende beider Seiten wurden dort an der Friedhofsmauer erschossen und dann in Massengräbern begraben. Diese Gräber enthielten geschätzt 4500 Leichname, v. a. der Republikaner, davon 20% Frauen und Schwangere; nach der Schließung des Friedhofs 1987 wurden sie von 2006 bis 2008 erhoben und die Gebeine in dieser Pyramide geborgen …

… deren Wände voll sind mit den Namen der Opfer. Die Toten auf der Seite der Aufständischen Franco-Anhänger, zusätzlich etwa 1100 Menschen, darunter die kirchlichen Märtyrer, wurden schon 1937 bis 1941 exhumiert und in der Kapelle der Märtyrer in der Kathedrale beigesetzt.

Die Kathedrale ist ein mächtiges Bauwerk, nach dem Sieg über die Mauren 1478 ab 1528 über deren Großmoschee errichtet, die wiederum auf der urchristlichen Basilika gebaut worden war.

Einige Märtyrer in Málaga kamen aus dem Augustinerorden, so Diego Hompanera París und Manuel Formigo Giráldez. In der Augustinerkirche beeindrucken wie in allen Kirchen hier die Monumentalfiguren - großer Kitsch!

Nicht fehlen darf beim Besuch der Stadt der Aufstieg zur Alcazaba von Málaga, der maurischen Festung aus dem 11. Jahrhundert, und der oberhalb der Festung liegenden Burganlage des Castillo de Gibralfaro. Der ist schon um diese Jahreszeit schweißtreibend, die Sonne hat richtig Kraft. Belohnung ist der Blick auf die Stierkampfarena inmitten von Hochhäusern und aufs Meer …

… sowie der auf die Kathedrale im Volksmund die Unvollendete, weil der zweite Turm noch fehlt.

Am nächsten Tag besuche ich Vélez-Málaga, wo Petra vom heiligen Josef vom Gebirge Pérez Florido ihren Orden gründete. Die Mauern eines alten Stadttores aus der Zeit der Mauren im 13. Jahrhundert zeigen: es waren gefährliche Zeiten …

… was auch das Wappen des Städtchens bezeugt.

Tracks gibt es keine - das Gerät will nicht.

geschrieben am 31. Januar, am 16. und 28. Februar 2015


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