Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Stürmische Zeiten

   J. Schäfer          

Mittwoch 13. Februar, bis Sonntag, 24. Februar

Eine Herausforderung war das Wetter am vorvergangenen Mittwoch und Donnerstag: dunkle Wolken, teils heftiger Regen - er hat mit immerhin die Salzschicht von meiner Kiste gewaschen, die ich mir auf den deutschen und schweizerischen Autobahnen eingefangen hatte, eine Waschgelegeneheit habe ich seither nicht gefunden - und dazu ein Orkan mit laut Wetterbericht 125 km/h Windgeschwindigkeit - da wackelt die Kiste, die Bäume biegen sich und das Meer rauscht. Paleochora ist nicht nur die wärmste Gegend Kretas - wobei es dann am Abend auch nur noch 8° hatte und meine Standheizung viel Arbeit bekam -, sondern die Südwestecke der Insel ist auch die sturmreichste. Dass Paulus hier in der Gegend bei seiner Fahrt nach Rom hier ganz in der Nähe wegen eines Sturms strandete, wird leichjt nachvollziehbar.
Der Campingplatzbesitzer - genauer: der englische Lebensgefährte der griechischen Besitzerin - erzählt, soviel Regen wie in letzter Zeit habe es hier noch nie gegeben - schon seit Oktober immer wieder, das sei ganz außergewöhnlich, seitdem waren 600 l/m², fast das Doppelte der normalen Jahresmenge. Und allein am Donnerstag gab es laut Wetterbericht zusätzlich 80 l/m², ⅔ der normalen Monatsmenge für Februar.
Das deutschsprachige Radio Kreta meldete am Freitag auf seiner Webseite: Eisige Winde, sintflutartiger Regen, Hagel und Schnee. Viele Straßen sind überflutet. Wind aus Nord mit 10 Beaufort. Kein Schiff wird kommen. Erdrutsche überall. Temperaturen an den Küsten um 6°. In den Bergen Minus und viel Schnee. Die meisten Schulen bleiben heute und morgen geschlossen. 30% aller Straßen in der Gemeinde Platanias sind zerstört.
Der Sturm hielt - etwas schwächer - noch an bis vorvergangenen Samstag; ab Sonntag kam dann wieder die Sonne und die Temperaturen stiegen etwas, starke kühlende Windböen gab es aber weiterhin. Ich bin froh an meiner Standheizung!


Am Montag dann, als ob Petrus den Schalter umgelegt habe: Ruhe und Sonne, herrliches Wetter und Wärme. Vom Ort Paleochora aus blicke ich auf die Halbinsel, an der mein Campingplatz liegt.

Die Heiligen Kretas habe ich in den vergangenen Tagen nun wohl (fast?) alle gefunden und bearbeitet, am Samstag unternehme ich den ersten Ausflug Richtung Norden. Kreta lebt v. a. an seiner Nordküste, dort führt die große Hauptstraße entlang, dort sind die Städte. Zur Südküste durchs Gebirge führen nur einzelne Stichstraßen wie die nach Paleochora, einige Orte sind sogar nur zu Fuß oder per Schiff erreichbar, es gibt hier keine Küstenstraße. Also fahre ich wieder über die Berge mit ihren vereinzelten Ortschaften - und halte diesmal an dem auffälligen Denkmal nahe Kakopetros, das mir schon bei der Herfahrt ins Auge fiel: an dieser Stelle wurde der ehrwürdige kretische Bürger am 28. August 1944 von der deutschen Wehrmacht erhängt.
Auf Kreta haben die Deutschen im 2. Weltkrieg - wie an anderen Orten Griechenland - furchtbar gewütet. Nach der Besatzung der Insel gelang den britischen Truppen die Flucht nach Süden und von dort mit dem Schiff nach Ägypten; dass dies möglich war, verdankten sie den griechischen Widerstandskämpfern, die die Deutschen tagelang aufhalten konnten; als Rache wurde dann nicht nur viele Männer exekutiert, sondern auch Frauen und auch Kleinstkinder ja ganz Dörfer in den Bergen dem Erdboden gleichgemacht. Kakopetros war 1941, 1943 und 1944 Stätte solcher Massaker - die bis heute ungesühnt blieben.

Mein erstes Ziel war Lidl in Platania; auch die großen Märkte gibt es nur an der Nordküste, und so bot sich die Gelegenheit zum Großeinkauf. Aber der Laden war zu, die Überschwemmung hatte zugeschlagen, wie man an der Tür zum Lager sieht stand das Wasser fast 1 Meter hoch. Statt Einkäufern waren am Samstag Arbeiter dabei, den ganzen Markt in riesige Container auszuräumen.
Darf man bei Lidl einkaufen? Bei Radio Kreta lese ich den Beitrag von 2012: Wie Lidl in Griechenland abkassiert: Tatsächlich können die Griechen bei Lidl manches deutlich günstiger einkaufen als in den großen Supermärkten oder in den Tante-Emma-Läden. Aber wie günstig ist günstig? Gingen die griechischen Lidl-Kunden in einen deutschen Markt des Einzelhändlers, würden sie erstaunt feststellen: trotz des deutlich höheren Einkommensniveaus in Deutschland sind dort viele Produkte erheblich billiger als bei Lidl Hellas. Wie viel billiger, das hat Sokrates Xynidis recherchieren lassen, der griechische Vizeminister für Wirtschaft und Wettbewerb. Im Auftrag des Ministeriums verglichen Marktforscher die Preise von 70 Lidl-Eigenmarken-Produkten in Griechenland, Frankreich, Italien und Bulgarien. Das Ergebnis: 46 der 70 Produkte sind in Griechenland am teuersten. Verglichen wurden die Netto-Verkaufspreise, abzüglich der Mehrwertsteuer, die in Griechenland mit 23 Prozent beziehungsweise 13 Prozent für Grundnahrungsmittel deutlich höher ist als in Deutschland.

Nach dem Einkauf in einem nicht weit entfernten anderen Lidl-Laden und dem Mittagsschlaf am Strand - eine Griechin geht hier schwimmen, brrrrrrr - erreiche ich das Dorf Melissourgio, die Heimat von Emmanuel und seiner Familie, die 1861 als Märtyrer starben.

Auf dem Friedhof lerne ich: die Gräber werden hier als οικος, Haus, bezeichnet. Jedenfalls massiv wie ein Haus sind sie auch …

Nächstes Ziel war die alte byzantinische Kirche bei Episkopí, wo Bischof Melchisedek, der 1821 als Märtyrer starb, seinen Sitz hatte. Dort gibt es ein Fresko des Erzengels Michael aus dem 12. Jahrhundert …

… und das Fragment einer Gedenktafel für Melchisedek.

Tracks
Melissourgio

Logbuch Reiselogbuch - 2019-1-1

geschrieben am 24. Februar 2019



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