Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Berlin bis Usedom

   J. Schäfer          

Montag, 25. September bis Sonntag, 1. Oktober

Am Montag geht es nun nach Berlin. Mit der Kiste fahre ich zum Pendlerparkplatz Erkner und von dort mit der S-Bahn direkt zum Alexanderplatz, wo mich der Fernsehturm begrüßt. Unweit ist die Ruine der Kirche des ehemaligen Grauen Klosters in Berlin, 1945 durch allierte Bomben zerstört, heute Ort für Ausstellungen. Dieses war bis zur Reformation ein Franziskanerkloster, dann ein Gymnasium, an dem Michael Schirmer Konrektor war.


Vorbei an dieser Rückseite des Roten Rathauses komme ich zur Nikolaikirche; an ihr war Paul Gerhardt Pfarer und Philipp Jakob Spener Probst. Dies ist die älteste Kirche Berlins, im Grundbestand von um 1230, 1945 wurde sie durch Bomben zerstört, 1981 bis 1987 auf Beschluss des Ministerrates der DDR wieder aufgebaut.

Gegenüber: Zum Nußbaum, 1571 errichtet, im Zuge der Ansiedlung historischer Gebäude rund um die Nikolaikirche 1986/1987 hier wieder aufgebaut …

… und davor: der Wappenbrunnen, 1987 durch den Bildhauer Gerhard Thieme geschaffen …

… und wenige Meter weiter die Kalksteinskulptur von Heinrich Zille, dem lokalpatriotischen wie sozialkritischen Maler und Fotografen von Themen aus dem Berliner Volksleben, 2007 durch Thorsten Stegmann erstellt.

Vom Marx-Engels-Forum genannten Platz aus noch einmal der Fernsehturm

… und auf dem Platz das Denkmal für die beiden Theoretiker des Sozialismus.

Gegenüber des Domes: ein Dreirad-LKW.

Der Berliner Dom, 1894 bis 1905 an der Stelle des Vorgängerbaus errichtet, nach Bombenschäden von 1944 in den Jahren 1975 bis 1993 reduziert restauriert, entfaltet barocke Pracht, ist aber m. E. weder das Schlangestehen am Kassenautomaten noch die 10 € Eintritt wert. Adolf Stoecker war hier Hofprediger, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf wurde zum Bischof der Herrnhuter Brüdergemeine geweiht.

Davor: der Lustgarten, in dem am 1. August 1920 der Friedensbundes der Kriegsteilnehmer und andere die erste Friedens-Kundgebung der Weimarer Republik veranstalteten, erwähnt im Artikel Weltfriedenstag, und das Alte Museum mit römischen und griechischen Fundstücken.

Portal des Stadtschlosses, des 2013 bis 2020 mit Rekonstruktiom seiner Fassade vor neuem Gebäude - also als Kitsch - genauer: deutsch-nationalistischem Kaiserkitsch - errichtete Bauwerk. Johann Hinrich Wichern war damals im Originalschloss zugange.

Etwas weiter, der Spree entlang, komme ich zur historischen Jungfernbrücke, der letzten von ehedem neun Klappbrücken, und unweit zur alten Gertraudenbrücke mit dem Denkmal für Gertrud von Nivelles.

Gegenüber dem gigantischen heutigen Auswärtigen Amt - dem größten Gebäude Berlins, ursprünglich 1934 bis 1940 errichtet für die Reichsbank, dann Sitz des Zentralkomitee der SED in der DDR - steht diese Friedrichswerdersche Kirche.

Vor der St.-Hedwigs-Kathedrale - leider Baustelle -, an der Bernhard Lichtenberg wirkte und die für die Patrone Benno von Meißen, Hedwig von Schlesien, Ludwig IX. und Otto von Bamberg steht, erstreckt sich der ehemalige Opernplatz - heute Bebelplatz -; auf ihm fand 1933 die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten statt, geschildert im Artikel Internationaler Tag des Buches. An ihm steht auch diese 1775 bis 1780 erbaute Alte Bibliothek - heute Juristische Fakultät.

Im Norden des heutigen Bebelplatzes liegt die Humboldt-Universität, an der Adolf Stoecker, Albert Schweitzer, Contardo Ferrini, Dietrich Bonhoeffer, Eugen Bolz, Friedrich Schleiermacher, Friedrich August Tholuck, Hildegard Burjan, Johann Hinrich Wichern, Karl Barth, Paul Blau, Robert Schuman, Rudolf Mandrella, Wilhelm Löhe studierten; Bonhoeffer, Schleiermacher und Tholuck lehrten dann auch hier. Daneben protzt dieses Reiterstandbild von Preußenkönig Friedrich dem Großen, geschaffen 1839 bis 1851, 1950 auf Beschluss des SED-Magistrats abgebaut, 1980 auf Anordnung Erich Honeckers am ursprünglichen Standort wieder errichtet.

Dahinter steht die auf Anregung von Gottfried Wilhelm Leibniz gegründete ehemalige Preußische Akademie der Wissenschaften - heute Staatsbibliothek - und dann komme ich zu den Touristenmassen, zunächst ans ehemalige Preußische Staatsministerium, wo Dompfarrer Bernhard Lichtenberg dem preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring eine Anklageschrift zu den Morden im KZ Esterwegen überreichte. Wenige Meter weiter steht das Brandenburger Tor. Die heute in der ganzen Stadt zu sehenden Menschen in den türkisblauen T-Shirts waren Teilnehmer am Berlin-Marathon, der am Wochenende mit knapp 48.000 Teilnehmern aus mehr als 150 Ländern stattfand. Sie tragen nun stolz das Signet ihrer Anstrengung durch die Stadt. Zu sehen sind auch die Reste der Farbattacke der Letzten Generation auf das Brandenburger Tor vor Beginn des Marathons.

Nahe des dahinter noch zu erkennenden Reichstages, in dem der Antisemit Adolf Stoecker Abgeordneter war, ist dies das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma.

… und dann noch einmal, diesmal von Westen: das Brandenburger Tor.

… und auch noch einmal: meine Begeisterung über den Verkehr in Berlin. Dies ist die Behrenstraße, parallel zur Straße Unter den Linden, keine 5 Minuten vom Brandenburger Tor, am Nachmittag gegen 16 Uhr, also zur Rush-Hour-Zeit; nicht gesperrt oder sonstwie eingeschränkt, aber die Verkehrspolitik hat insgesamt den Autoverkehr drastisch reduziert - jedenfalls bislang. Die neue CDU-geführte Regierung will das wieder ändern; weil ein schon im Juli fertiggestellter Radweg deshalb noch nicht frei gegeben wurde, wurde vorgestern eine Radfahrerin bei einem Unfall mit einem LKW schwer verletzt. Übrigens: das 49-€-Ticket kostet in Berlin nur 29 €.

Vorbei an dem im Pflaster markierten Grundriss der ehemaligen Dreifaltigkeitskirche vor der riesigen Botschaft der Demokratischen Volksrepublik (Nord-)Korea, an der Friedrich Schleiermacher wirkte, komme ich ans ebenfalls sehr große Bundesfinanzministerium das eine aus Steurgeldern finanzierte FDP-Parole ziert. Das Gebäude wurde ab 1935 als Reichsluftfahrtministeriums errichtet, in ihm wurde im Oktober 1949 die DDR gegründet, nach der Wende war es Sitz der Treuhandanstalt.

Vorbei an diesem Gebäude des ehemaligen Preußischen Abgeordnetenhauses - heute das Berliner Abgeordnetenhaus -, in dem Friedrich von Bodelschwingh sen. und Hieronymus Jaegen Abgeordnete waren, komme ich schräg gegenüber - nun, abgesehen vom Reichstag, für heute zum ersten Mal im früheren West-Berlin - zum ehemaligen GeStaPo-Bunker - heute Teil des 1987 eröffneten Dokumentationszentrum Topographie des Terrors, das die Schrecken des Nationalsozialismus dokumentiert -, in dem Dietrich Bonhoeffer einsaß.

Ich bin nun im berühmten Stadtteil Kreuzberg, in dem auch diese Reste des Anhalter Bahnhofs stehen. Gegenüber bei Lidl kaufe ich mir Essen und Trinken und studiere beim Verzehr die Kreuzberger Szene, hier wie aus dem Vorurteilsbuch zugange: Migranten aus aller Herren Länder, bettelnde Junkies und solche, die selbst dafür zu kaputt sind, dazu eine bunte Mischung auffälliger Menschen aller Art. Unweit ist die von Clemens August Graf von Galen - einschließlich des daran angeschlossenen Kolpinghauses - gestiftete, ab 1910 erbaute und Klemens Maria Hofbauer geweihte Kirche St. Clemens; Kreuzberg war als von Arbeitern bewohnte Vorstadt schon damals sozialer Brennpunkt. Deshalb gab es hier auch - noch etwas weiter - damals das Hospiz der Stadtmission - sinnigerweise an der Stelle des heutigen Gebäudes der Deutschen Rentenversicherung; die Stadtmission war von Adolf Stoecker gegründet worde.
Mein Rundgang ist nun beendet, Mit U- und S-Bahn fahre ich zurück nach Erkner, um dort die Nacht auf dem Pendlerparkplatz zu verbringen. U-und S-Bahn übrigens wirklich sauber - an der Endhaltestelle Erkner kommt ein Putzmann ind den Zug, obwohl der wieder zurückfahren wird, aber es wird also auch im laufenden Betrieb auf Sauberkeit geachtet - und pünktlich - das ist der S-Bahn in Stuttgart vollkommen fremd - und ich habe in allen Zügen zur Stoßzeit um 18 Uhr einen Sitzplatz!

Am Dienstag geht es wieder mit der Kiste in die Stadt zum alten Garnisonsfriedhof mit dem Grab von Emil Wilhelm Frommel und zum ehemaligen Büro Grüber, in dem Werner Sylten kurz arbeiten konnte. Dann komme ich vorbei am Holocaust-Mahnmal mit den 2710 Stelen, dem Denkmal für die rund sechs Millionen Juden Europas, die unter der Herrschaft der Nationalsozialisten ermordet wurden.

Nach dem Denkmal im Gelände des heutigen Krankenhaus-Areals an der Stelle des ursprünglichen Elisabeth-Krankenhauses, das auf Johannes Evangelista Goßner zurückgeht, komme ich zu dieser Kirche St. Matthias in Schöneberg, an der Clemens August Graf von Galen Pfarrer war, der dann als Löwe von Münster durch seinen Widerstand gegen das NS-Regime berühmt wurde. Was auch hier zu sehen ist: ich bin positiv überrascht, wieviel Grün es in der Stadt gibt.

Direkt gegenüber dieser bekannten Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche mit ihrer als Mahnmal überbliebebnen Turmruine stand das ehemmalige Xavierus-Stift, das Gertrud von Schaffgotsch erworben hatte. Unweit ist das Haus, in dem Elisabeth von Thadden zeitweise lebte.

Nach der Herz-Jesu-Kirche in Berlin-Charlottenburg, wo Bernhard Lichtenberg Pfarrer war, komme ich zu diesem ehemaligen Reichskriegsgericht; hier wurden Franz Jägerstaetter, Franz Reinisch und Rudolf Mandrella verurteilt. Letzte Station in Berlin wird dann das ehemalige Wohnhaus von Dietrich Bonhoeffer und seinen Eltern im Stadtbezirk Grunewald.

Gegen Abend reicht es noch für den Besuch in Ptsdam; dort empfing Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der große Kurfürst, in diesem Stadtschloss - heute Sitz des Landesparlamentes von Brandenburg - die aus Frankreich geflohenen Hugenotten; diese stellten um 1700 ein Drittel der Berliner Bevölkerung und trugen wesentlich zum wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung von Brandenburg-Preußen bei; Migration lohnt sich für beide Seiten, liebe AfD und CDU!

An der Friedenskirche im Schlosspark Sanssouci in Potsdam lernte Elisabeth von Thadden in diesem Pfarrhaus den Pfarrer Friedrich Siegmund-Schultze kennen, den Gründer der ökumenischen Sozialen Arbeitsgemeinschaft
Zum Übernachten fahre ich nach Norden zum Rastplatz Kappgraben.

Am Mittwoch komme ich zum ehemaligen Hoffnungtal Lobetal - heute Hoffnungstaler Stiftung Lobetal - nahe Bernau bei Berlin, wo Friedrich von Bodelschwingh sen. die Anstalt gründete. Zwei Tage vorher war Uwe Holmer gestorben, der früher hier Pfarrer war und bekannt wurde, weil er 1990 den der Haftanstalt entlassen ehemalige DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker und seine Frau Margot, die nun wohnungslos waren, hier aufgenommen hat, obwohl Holmer von der Stasi observiert und den meisten seiner zehn Kinder der Abschluss an der Oberschule und damit ein Studium verwehrt worden war. In dieser Anstaltskirche gibt es aber keine Hinweise darauf.

Dann komme ich zum riesigen ehemaligen Konzentrationslager Sachsenhausen - im heutigen Stadtteil von Oranienburg. Hier waren Alois Liguda, Anton Zawistowski, Augustin Benninghaus, Bronisław Kostkowski, Bruno Zembol, Carl Lampert, Christian Gondeck, Dominik Jędrzejewski, Eduard Detkens, Eduard Grzymala, Fidelis Chojnacki, Florian Stępniak, Franziskus Drzewiecki, Franziskus Rosłaniec, Georg Elser, Gottfried Könzgen, Heinrich Krzysztofik, Karl Leisner, Kasimir Gostynski, Ladislaus Maczkowski, Martin Oprzadek, Maximilian Kolbe, Rupert Mayer, Stanislaus Mysakowski und Stefan Vincenz Frelichowski inhaftiert, Friedrich Weissler und Michael Piaszczyński starben dort.
Das Bild zeigt das Besucherzentrum der 1961 eröffneten Mahn- und Gedenkstätte; erstaunlich ist die große Zahl von Besuchern - hauptsächlich Schülergruppen aus verschiedensten Ländern. Dennoch lehrt das unsägliche Aiwanger-Flugblatt, dass auch gute Information, die bei ihm ja offenbar vorhanden war, nicht vor Nazi-Jargon schützt und Hubert Aiwangers heutiges Verhalten macht deutlich, dass er wenig begriffen hat. Dass das seiner Partei bei den anstehenden Wahlen einen rund 50%-Stimmengewinn bringen soll, wie die Umfragen zeigen, lässt mich erschaudern.

In Neuruppin gründete Wichmann von Arnstein das Kloster der Dominikaner - heute die Kirche Sankt Trinitatis -; von dessen einstigem Hof hat man einen schönen Blick über den angrenzenden See …

… und auch die schön renovierte Altstadt beeindruckt.

Doch die dunkle Geschichte holt mich nochmals ein: im ehemaligen Konzentrationslager Ravensbrück bei Fürstenberg in Brandenburg; Angela Autsch, Bernhard Letterhaus und Nikolaus Groß wurden hier gefangen gehalten, Mutter Maria Skobtsova starb hier. Insgesamt waren etwa 132.000 Frauen und Kinder, 20.000 Männer und 1000 weibliche Jugendliche hier interniert, wovon etwa 28.000 Häftlinge ums Leben kamen. Aber die Lage am See: idyllisch! Da konnten die Leute im nahen Fürstenberg natürlich nichts wissen …

An der Zufahrt: der sowjetische Panzer zur Erinnerung an die Befreiung des KZs am 30. April 1945. Frisch gestrichen …

Nicht weit vom Ort des Grauens ein Ort der Humanität: die Schreibermühle bei Lychen, in der Elsa Brandström ihr erstes Heim für ehemalige kriegsgefangene Deutsche eröffnete - heute ein Lost Place. Dann geht es nach Neustrelitz, wo Bernhard Schwentner nun vor dieser katholischen Kirche seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

Als bei der Weiterfahrt überraschend die nicht in meiner Landkarte verzeichnete Raststätte Demminer Land auftaucht, habe ich mein Nachtquartier gefunden - und sage keiner, dort könne es nicht auch idyllisch sein..

Peenemünde hatte ich mir als Ort zum Arbeiten ausgekuckt, dahin ist es nun nicht mehr weit und ich habe Zeit, also nehme ich den Spritkosten sparenden Umweg über die Tankstelle in Świnoujście / Swinemünde in Polen - und staune, wieviel Verkehr auf der Insel Usedom herrscht: viele Urlauber, viele Wohnmobile - aber das Wetter ist ja auch herrlich. In Peenemünde empfängt mich dann im Hafen dieses alte Segelschiff …

… und direkt daneben dieses ausgemusterte, nun zu besichtigende U-Boot der einstigen Sowjetarmee.
Am Hafen liegt auch mein Stellplatz auf dem Gelände des 1990 gegründeten Marine- und Regattavereins: eine schöne Wiese, gute Sanitäranlagen, wenig Betrieb und sehr ruhig - ideal zum Arbeiten.

Am Sonntag unternehme ich dann den Rundmarsch zur Stelle, an der Schwedenkönig Gustav II. Adolf 1630 an Land kam - heute nur noch einzelne Holzpfähle im Wasser - und zum daran erinnernden Gedenkstein, der heute vor der Kapelle in Peenemünde steht. Und natürlich zu diesem Nachbau der legendären V 2-Rakete - der Aggressor nannte seine Waffe zum Angriff v. a. auf Ziele in England Vergeltungswaffe - schon damals wie heute werden im Kriegsfall Wahrheit und Wortbedeutung inhaltslos. Das riesige Gebäude dahinter war das Kraftwerk der Nazi-Versuchsanstalt für die Rakentenentwicklung, man brauchte ja ungeheuere Energiemengen; als die Sowjets bei Kriegsende die Anlagen weitestgehend zerstörten, blieb das Kraftwerk stehen und arbeitete noch bis 1990. Heute ist es Historisch-Technisches Museum.

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Erkner gibt's nicht
Kappgraben
Demminer Land
Peenemünde

geschrieben vom 28. September bis 1. Oktober 2023


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