Montag, 9. Oktober bis Freitag, 13. Oktober
Schon am Montag breche ich auf aus dem von jeglicher Kommunikation abgeschnittenen Campingplatz Olympiasee und fahre ins nahe Wittenberg, zuerst zum ehemaligen Augustinerkloster, in dem Johann von Staupitz der Vorgesetzte des Mönches Martin Luther war, den Melchior Hofmann dort besuchte und in dem Philipp Melanchthon seine letzte Vorlesung hielt. Viel später war hier das Predigerseminar, das Oskar Brüsewitz besuchte.
Aus dem Kloster wurde dieses Lutherhaus, in dem Martin Luther mit seiner Frau Katharina von Bora wohnte und arbeitete, auch viele Gäste empfing und beherbergte, darunter Patrick Hamilton. Das Lutherhaus ist heute die größte Reformationsgedenkstätte der Welt, UNESCO-Weltkulturerbe und eine Fundgrube von Zeugnissen jener Zeit.
Wenige Schritte weiter steht das Melanchtonhaus,
in dem Philipp Melanchthon lebte; auch dies
ist Museum, allerdings viel weniger sehenswert.
Rechts daneben der Bau der ehemaligen Universität
Leucorea
- heute Stiftung Leucorea mit wissenschaftlichen Instituten -, die
Friedrich der Weise gründete und an der
Melanchton und Martin Luther lehrten, aber auch
deren Gründungsprofessor Johann von Staupitz,
zudem Johannes Bugenhagen,
Justus Jonas
Martin Chemnitz
Nikolaus von Amsdorf,
Valentin Ernst Löscher und
Veit Dietrich. Studenten waren dort
Adam Reusner,
Ernst der Bekenner,
Gottfried Arnold,
Johann Arndt,
Johann Gerhard,
Johannes Gramann,
Johannes Mathesius,
Laurentius Petri,
Leonhard Kaiser,
Nikolaus Graf von Zinzendorf,
Nikolaus Selnecker,
Olaus Petri,
Paul Gerhardt,
Petrus Herbert und
Simon Dach.
Ein paar Meter weiter: diese Gedenktafel. Bartholomäus Bernhardi war Student und dann Lehrer an der Universität und übernahm dann ein Pfarramt, wo er 1521 heiratete.
Etwas weiter steht die Stadtkirche St. Marien - heute
ausnahmsweise leider geschlossen. Es ist kühl, immer noch wie seit vielen Tagen windig und nass vom andauernden Nieselregen.
Hier war Johannes Bugenhagen Pfarrer,
Lukas Cranach der Ältere schuf ihren
Reformationsaltar
, Martin Luther predigte
hier regelmäßig, Nikolaus von Amsdorf
vertrat ihn, Paul Gerhardt war Hauslehrer bei
deren Archidiakon. Daneben steht das Haus, in dem
Johannes Bugenhagen lebte und starb,
gegenüber die ehemalige Lateinschule, die
Simon Dach besuchte.
Unweit: das Rathaus
Am Zugang zum 1. Wohnhaus von Lukas Cranach dem Älteren wird dessen Zustand 1990 gezeigt. Wäre die DDR nicht 1989 als Staat zusammengebrochen, wäre es bald darauf mit ihren Immobilien geschehen … Die 95 Thesen wurden hier gedruckt.
Weniges weiter steht das große 2. Wohnhaus von
Lukas Cranach dem Älteren.
Katharina von Bora wohnte hier zunächst,
William Tyndale ließ hier seine englische
Bibelübersetzung drucken, auch Das
Neue Testament deutsch wurde hier gedruckt. Auch hier gibt es ein Bild vom Zustand 1990 der Druckerwerkstatt; auf ihm
sieht man das dort in der mutigen Wendezeit aufgehängte Protestplakat: Wo Häuser verkommen, verkommen auch Menschen!
Am anderen Ende der Altstadt komme ich zum Schloss - heute Predigerseminar der Evang. Kirche in Anhalt -, das Friedrich der Weisen erbauen ließ und wo Georg Burkhardt (Spalatin) dann sein Hofprediger, Beichtvater und Geheimsekretär war. Gegenüber steht das damalige Wohnhaus von Justus Jonas.
In der Schlosskirche wurden
Friedrich der Weise,
Martin Luther und
Philipp Melanchthon begraben, dort war auch
der Schatz der vom Kurfürst zusammengetragenen Reliquien
und die Tür, an der - angeblich - die 95 Thesen
angeschlagen waren. Johann Hinrich Wichern
nahm hier viel später an einem Kirchentag
teil.
Nach dem ertragreichen Besuch in Wittenberg geht es nach Gräfenhainichen, wo das Geburtshaus von
Paul Gerhardt nicht mehr erhalten ist, das unweit
dieser Stadtkirche stand. Im Ort ist das
Gemeindehaus der Evang. Kirchengemeinde nach ihm
benannt, zudem wurde 1830 bis 1844 die
Paul-Gerhardt-Kapelle gebaut.
Nicht weit ist es dann nach Bitterfeld-Wolfen zum
Campingplatz Goitzsche an einem See des
ehemaligen Tagebaus - ganz neu, sehr groß, alles top - nur das Wetter nicht. Und auch hier wie seither auf allen Plätzen:
Zugang zu den Sanitärs und allem anderen immer nur nach Vorhalten einer Chipkarte - nervig; es gibt hier offenbar ein
Grund-Misstrauen, denn wer sollte sonst schon diese Räume betreten? Und selbst wenn sich einmal ein Fremder einschleichen
würde: der Schaden
durch ihn wäre ja minimal im Vergleich zu den Kosten dieser Kontrollanlagen. Auch sonst habe ich -
zum Beispiel was die Einzäunung von Grundstücken betrifft - den Eindruck, dass ein solches Grund-Misstrauen verbreitet ist,
wohl entstanden aus Erfahrungen mit dem DDR-Regime, aber auch einer Unsicherheit gegenüber Fremdem.
Auf dem Campingplatz Goitzsche kann ich nun in Ruhe die verbliebenen Ergebnisse des letzten Trips und dann die aktuellen
verarbeiten.
Track
Goitzsche
geschrieben am 12. und 13. Oktober 2023