Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Leipzig und Halle

   J. Schäfer          

Samstag, 15. Oktober bis Samstag, 21. Oktober

Am Samstag ist die erste Station das Schloss Lochau im heutigen Annaburg bei Torgau, in dem Friedrich der Weise starb. Dann folgt das Schloss Hartenfels in Torgau mit diesem prächtigen Eingangstor, in dem Friedrich der Weise und Johann Friedrich von Sachsen geboren wurden. Georg Burkhardt (Spalatin) hat dort letzteren erzogen: Johann Friedrich wurde ein Anhänger der Reformation und ließ in seinem Schloss die erste protestantische Kirche erbauen, die Martin Luther 1544 weihte. Johann Walter war hier Hofkapellmeister.


Nahe beim Schloss ist dieses Sterbehaus von Katharina von Bora mit einem kleinen Museum und wenige Schritte weiter das Priesterhaus, in dem Georg Burkhardt (Spalatin) wohnte, ebenfalls Museum.

In dieser Stadtkirche St. Marien - leider im Moment geschlossen - gründete Johann Walter die Stadtkantorei mit gesangsfreudigen Bürgern - Vorbild so vieler seitdem entstandenen Kantoreien als Laienchöre; hier findet sich der Grabstein von Katharina von Bora und auch die Konkordienformel wurde hier erarbeitet.

Eine ¾ Stunde brauche ich für die 3 km von der Altstadt zum Gefängnis, in dem Carl Lampert einsaß: wieder einmal Umleitung, dazu Stau - am Samstag nachmittag! Es ist ein Graus, schon der Morgen hate mit Umleitung begonnen, insgesamt bringe ich es heute auf deren vier. Neben dem Eingang ist ein Erinnerungsort für die Opfer des Nationalsozialismus mit diesem Denkmal: Nie wieder Krieg und daneben jener für die Opfer der Sowjet- und DDR-Herrschaft.

In Riesa, wo Dietrich I. von Naumburg dereinst ein Kloster gründete, wurden aus dessen Gebäuden diese höchst ansehnlichen kommunalen Bauten …

… und in der ehemaligen Klosterkirche gibt es diese lustige Abendmahlsszene am Altar.

Im kleinen Dorf Striegnitz war Michael Schirmer Pfarrer. Der Gottesdienstplan an der Kirche zeigt Elend auf: im Oktober und November jedenfalls git es hier keinen Gottesdienst. Auch dieses ehemalige Rittergut in Motterwitz bei Grimma, in dem Johann von Staupitz geboren wurde, hat schon bessere Zeiten gesehen. Und meine Kiste schon bessere Straßen. Viele Straßen her sind top, die Straßen zu kleinen Orten und die Nebenstraßen in den Städten dagegen meist noch Pflaster wie zu DDR-Zeiten, tatsächlich wohl noch aus Zeiten von Kaiser Wilhelm - und durch das Gewicht heutiger Fahrzeuge in schrecklichem Zustand.

Im damaligen Kloster in Nimbschen bei Grimma, von dem diese Ruine erhalten ist, war Katharina von Bora Nonne, bis sie dann mit anderen Schwestern floh, nach Wittenberg kam und dort schließlich Martin Luthers Frau wurde. Dann geht es noch zur ehemaligen Fürstenschule - heute ein Gymnasium - in Grimma, die Paul Gerhardt besuchte.
Eine nicht so angenehm ruhige Nacht wird es auf der Raststätte Muldental - die im Nach-Wende-Kapitalismus gebauten Raststätten sind eben kleiner und damit lauter.

In Markkleeberg bei Leipzig betrieb Oskar Brüsewitz eine Schuhmacherwerkstatt. Dann geht es nach Leipzig, zuerst zum Paulinum an der Stelle des ehemaligen Klosters der Dominikaner mit der Kirche St. Pauli das nach seiner Aufhebung 1543 die Universität beherbergte. Die Kirche wurde 1968 abgerissen, 2007 bis 2017 wurde das heutige heutige Gebäude mit wissenschaftlichen Instituten und Universitätskirche erbaut. August Hermann Francke, Ludwig Ihmels Nathan Söderblom und Nikolaus Selnecker lehrten hier, Benjamin Schmolck, Christian Fürchtegott Gellert, Erdmann Neumeister, Friedrich Gottlieb Klopstock, Friedrich Christoph Oetinger, Gottfried Wilhelm Leibniz, Johannes Gramann, Liborius Wagner, Olaus Petri, Theodor Noa und Valerius Herberger waren Studenten. Daneben beeindruckt das Hochhaus des Mitteldeutschen Rundfunks; wenn sein Radiogrogramm, das ich in der Kieste ständig höre, auch nur einen Bruchteil so imposant wäre …

Durch die trotz des kalten und nassen Wetters am Sonntagvormittag belebte Fußgängerzone komme ich zum ehemaligen Geburtshaus von Gottfried Wilhelm Leibniz, daneben zum Wohnhaus von Christian Fürchtegott Gellert und dann zu dieser in der Wendezeit 1989 berühmt gewordenen Nikolaikirche.

Imposant auch: das Rathaus

… und davor die Erinnerung an den 17. Juni 1953.

Wie gut, dass mit meinen Steuergeldern diese Bank gerettet wurde

An der Thomaskirche, die natürlich durch ihren Kantor Johann Sebastian Bach berühmt wurde, muss ich kurz warten, bis der sehr gut bsuchte Gottesdienst zu Ende ist. Johannes Gramann war Rektor der angegliederten Thomasschule, Martin Rinckart wurde vom Kantor der Kirche musikalisch ausgebildet, Nikolaus Selnecker war an ihr Generalsuperintendent. Dann komme ich zu diesem Neuen Rathaus, das an der Stelle der ehemaligen Pleißenburg steht; in dieser fand die Leipziger Disputation des Vertreters der (katholischen) Kirche, Johannes Eck, mit Martin Luther statt, der dabei von Philipp Melanchthon unterstützt wurde.

Mit der Kiste geht es nun zum Haus des Leipziger Missionswerks, das Ewald Ovir und Karl Segebrock nach Afrika aussandte, wo sie dann als Märtyrer starben, dann zur Stelle der ehemaligen Johanniskirche, in der das Grab von Johann Sebastian Bach war; sie brannte nach einem Bombenangriff 1943 aus, die Reste wurden 1963 gesprengt. Dann geht es in den Stadtteil Lindenau zur früheren Liebfrauenkirche - heute Oratorium des Philipp Neri -, an der Alois Scholze Kaplan war, und schließlich zu diesem Naturkundemuseum an der Stelle der ehemaligen Burg, in der Eido I. von Meißen starb.

Dann geht es nach Eilenburg, wo Martin Rinckart geboren wurde, Pfarrer war und starb; er dichtete im 30-jährigen Krieg das Lied Nun danket alle Gott als Danklied nach dem Essen. In Delitzsch war Valentin Ernst Löscher Superintendent. Und es bleibt noch Zeit für Besuche in Halle, zuerst hier auf dem alten Stadtgottesacker mit dem Grab von August Hermann Francke in der Familiengruft.

Am Marktplatz in Halle steht dieses 1891 bis 1894 als Versammlungs-, Sitzungs- und Festgebäude errichtete Stadthaus.

Auf dem Marktplatz: Tafeln zur Erinnerung an den Anschlag, den am 9. Oktober 2019 ein rechtsextremer Täter an Jom Kippur - dem höchsten jüdischen Feiertag - auf die in der Synagoge versammelten Menschen verüben wollte und der dann, weil es nicht gelang, wahllos zwei Menschen erschoss.

Und auch dort: das Denkmal für Halles wohl größte Berühmheit, Georg Friedrich Händel. An dieser Stelle stand früher die Universität. August Hermann Francke und August Gottlieb Spangenberg wirkten hier als Professoren, Bartholomäus Ziegenbalg, Christian Friedrich Schwartz, Friedrich Christoph Oetinger, Friedrich Schleiermacher, Heinrich Melchior Mühlenberg, Johannes Daniel Falk und Justus Falkner waren an ihr Studenten, im Artikel Pietismus wird sie erwähnt.

Auf dem Marktplatz steht auch der Rote Turm, gebaut ab 1418, ursprünglich ein Kirchturm und bis heute mit dem größten Glockenspiel Europas, dessen Vorführung ich live miterleben kann - wirklich schön! Und links steht die Marktkirche, an der Justus Jonas wirkte und die Reformation einführte.

Am damaligen Amtsgericht wirkte Friedrich Weißler, nachdem er zuvor an der Universität - mit diesem 1834 eröffneten Zentralbau - promoviert hatte.

Nächste Station ist das Denkmal für Matthias Grünewald nahe seiner einstigen Wirkungsstätte in der Gasse Am Mühlberg und unweit davon sehe ich dieses ab 1484 errichtete Schloss Moritzburg - heute Kunstmuseum.

Neben dem ehemaligen Dom, in dem es Gebeine von Hrabanus Maurus gab, steht das Gebäude der Naturwissenschaftlichen Sammlungen, davor dieser versteinerte Baumstamm, rund 45 Millionen Jahre alt, 1952 beim Braunkohle-Tagebau gefunden.

Mit der Kiste geht es nun zur Kirche St. Georgen im Stadtteil Glaucha, an der August Hermann Francke wirkte, dann zum ehemaligen Bezirkskrankenhaus, in dem nach seiner Selbstverbrennung Oskar Brüsewitz starb und schließlich - schon bei Dunkelheit - zu diesen von August Hermann Francke gegründeten Francke'schen Anstalten; August Gottlieb Spangenberg war dort Schulleiter, Bartholomäus Ziegenbalg und Christian Friedrich Schwartz wurden Missionare der in den Anstalten gegründeten Dänisch-Halleschen Mission, Heinrich Melchior Mühlenberg arbeitete kurz in den Anstalten, Johann Hinrich Wichern besuchte sie, Ludwig Steil nahm an der dort abgehaltenen Bekenntnissynode teil und Nikolaus Graf von Zinzendorf war dort Schüler. Auch Teil der Francke'schen Anstalten ist seit 1817 die Theologische Fakultät, an der Adolf Stoecker, Emil Wilhelm Frommel und Theodor Noa studierten und Friedrich August Tholuck sowie Martin Kähler lehrten.
Ich übernachte am Autohof Halle-Tornau, direkt neben einem Burger-King - dennoch sehr ruhig, denn dieser schließt um 21 Uhr - also doch noch Arbeiter- und Bauernstaat! Aber: mit -1° ist die Nacht saukalt.

Regen und kalter Wind von gestern haben nun am Montag nachgelassen und ich fahre - wieder über Umleitung, was auch sonst - zuerst zum ehemaligen Zuchthaus Roter Ochse, in dem Carl Lampert, Friedrich Lorenz und Herbert Simoneit hingerichtet wurden und an dem es diese Gedenkstätte gibt. Unerreichbar ist das naächste Ziel, das ehemalige Kloster Neuwerk; es lag im noch geschlossenen heutigen Botanischen Garten; von Alexander von Rom gab es dort Reliquien, Lambert von Neuwerk war sein erster Propst.

In Zscherben bei Halle starb während einer Reise Adalbert von Magdeburg. In die Königspfalz an der Stelle dieses heutigen Schlosses in Merseburg begleitete Judith von Polen ihren Mann, als dort der Friedensschluss mit dem deutschen König Heinrich II. erfogte.

Innerhalb des Areals des Schlosses steht auch der Dom von Merseburg; an der Chorschranke sind die Merseburger Bischöfe abgebildet. Der erste Bischof war Boso von Merseburg, nachdem Otto I. der Große das Bistum gegründet hatte; Bischof Eido I. von Meißen gründete das inzwischen aufgelöste Bistum wieder mit Unterstützung von Heinrich II., Laurentius ist der Patron, von Romanus von Rom gibt es Reliquien und Werner von Merseburg war hier Bischof.

In Merseburg sehe ich in der Stadt dann noch die Kirche St. Maximi, errichtet für die Reliquien von Maximus. Dann geht es nach Lützen zu diesem Denkmal, das errichtet wurde an der Stelle des einstigen Schlachtfeldes, auf dem Schwedenkönig Gustav II. Adolf starb, und zum Rathaus in Lützen mit seiner Skulptur.

Die Schlacht bei Hohenmölsen, erwähnt in der Biografie von Werner von Merseburg fand dort statt, wo heute dieses Gelände des Braunkohle-Tagebaus ist, den ich desshalb aus nächster Nähe sehe. Die schwefelhaltige Braunkohle war ja die einzige heimische Energiequelle in der DDR - und man hat diesen Staat deshalb schon an der Grenze gerochen, außerdem hat der Schwefel selbst Neubauten stark beschädigt und wesentlich zum Immobilien-Elend beigetragen. Dass wir heute immer noch weiter Braunkohle abbauen - wenn auch mit besserer Technologie verbrennen - ist natürlich ebenfalls schlicht Sünde; ein gewisser Trost ist immerhin auf dem Bild auch zu erkennen: die Windräder, die es hier überall zuhauf gibt - und auch große Solarparks. Die Neuen Bundesländer sind damit - und mit ihren vielen Radwegen - ganz schön grün - warum schätzen das die AfD-Wähler nicht?

Nächste Station ist diese ehemalige Burg bei Groitzsch nahe Leipzig, aus der die Mutter von Hedwig von Schlesien stammte; 1959 bis 1969 wurden der Wohnturm (rechts) und die Rundkapelle ausgegraben.

Im damaligen Ort Lippendorf wurde Katharina von Bora geboren. Der Ort wurde inzwischen verlegt, sein ursprünglicher Platz ist heute diese Industriebrache südlich des Braunkohlekraftwerks, das die LEAG - Lausitz Energie Kraftwerke AG - und die EnBW - das Baden-württembergische Stromunternehmen - betreiben. Ein Glück, dass ich meinen Strom nicht aus dieser Dreckschleuder, sondern von den Elektrizitätswerke Schönau beziehe.

Vom ehemaligen Kloster Posa bei Zeitz, das Dietrich I. von Naumburg gründete, ist fast nichts übrig, dort sind heute Gebäude - und dieser Taubenturm - in Privatbesitz eines Weingutes. Durch den Klimawandel mag Wein hier inzwischen gelingen - ich erinnere mich an den Wein zu DDR-Zeiten: schreckliches Süßgewässer!

Auch in Zeitz steht der Dom im Gelände des Schosses. In diesem Schloss untergebracht: das Deutsche Kinderwagenmuseum. Sicher eine echte Sehenswürdigkeit!

Nachdem auch hier Umleitungen mich genervt habe, wandere ich zu Fuß durch die nun steilen Straßen - die norddeutsche Tiefebene ist schon eine Weile Vergangenheit, die Hügel werden steiler. Und ich erschrecke über den meist schrecklichen Zustand der - oft auch leerstehenden - Häuser: hier ist das DDR-Elend noch Gegenwart. Kein Wunder, dass mir hier auch erstmals ein AfD-Büro begegnet. So komme ich zu dieser Michaelskirche; auf dem Platz davor fand die Selbstverbrennung von Oskar Brüsewitz statt. Letztes Ziel für heute: das ehemalige Krankenhaus in Zeitz, in dem Brüsewitz zunächst behandelt wurde.
Wieder schön groß, weil aus DDR-Zeiten, ist die Raststätte Osterfeld - also gibt es eine ruhige Nacht. Zuvor aber lasse ich mich hinreißen, wider besseres Wissen dort Essen zu gehen: Schnitzel - hart wie Kruppstahl, Kartoffeln zäh wie Leder - man müsste fliehen flink wie Windhund.

Am Dienstag ist mein erstes Ziel dieses Pfarrhaus in Rippicha, in dem Oskar Brüsewitz gelebt hat. Etwas entfernt steht die Kirche, auf dem umgebenden Friedhof finde ich erst nach einigem Suchen das versteckt liegende Grab von Brüsewitz.

In Ossig bei Naumburg - zu erreichen über Umleitung, was auch sonst - stiftete Dietrich I. von Naumburg die Kirche. Dann geht es nach Altenburg zu dieser Kirche St. Bartholomäi; Bartholomäus ist Patron der Stadt, Georg Burkhardt (Spalatin) war dort Superintendent.

Nach dem Schloss, in dem Ernst der Fromme geboren wurde, sehe ich noch dieses Gebäude der ehemaligen Herzoglichen Landesbank, später genutzt von der DDR-Staatsbank, nach der Wende von der Deutschen Bank bis 2004 und der Raiffaisenbank bis 2005, seitdem leer stehend. Auch die Banken haben die goldenen Jahre hinter sich.
Schon früh am Mittag komme ich dann bei Sonnenschein auf den Campingplatz Pahna: ein riesiger Platz, angelegt zu DDR-Zeiten an einem nach Ende des Tagebaus entstanden See, in einem lichten Wald - alles heute Landschaftsschutzgebiet. Die Einrichtungen sind schon älter, aber gut in Schuss, funktionell und sauber. Und ich bin fast allein, das Wetter der nächsten Tage ist wieder mies - also ideal zum Arbeiten, nur etwas kalt.

Tracks
Muldental (Schluss fehlt)
Halle-Tornau (Schluss fehlt)
Osterfeld (Schluss fehlt)
Pahna

geschrieben vom 17. Oktober bis 20. Oktober 2023



Kommentare


Kommentar schreiben

URLs werden automatisch umgewandelt.
[b]DEIN TEXT[/b] für Fett gedruckt
[quote]DEIN ZITAT[/quote] für Zitate
[code]DEIN CODE[/code] für Code
captcha