Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Auf den Spuren von Abraham

   J. Schäfer          

Montag, 27. Mai

Noch vor der Fahrt mit der Fähre und nach Sanlıurfa besuchte ich nördlich von Kahta das Tal des Euphrat, einer der vier Urströme bei der Erschaffung der Welt nach 1. Mose 2. Dort liegt der Karakus-Tepe, der Adler-Hügel, von König Mithridates II. von Commagene um 25 v.Chr. als Grab für seine Angehörigen aufgeschüttet und mit Säulen umgeben, von denen einige erhalten sind. Rechts vom Hügel ist das Tal des Euphrat, darüber der Nemrut Daği.


Die namengebende Säule mit dem Adler.

Von dort geht der Blick ins fruchbare Tal des Urstromes und den Stausee.

Die zwei hinteren Säulen und zwischen ihnen der Nemrut Daği.

Etwas weiter nördlich im Tal des Cendere Suyu, einem Nebenfluss des Euphrat, überquert diese zu Beginn des 3. Jahrhunderts von römischen Legionären erbaute Brücke den Fluss.

Wer nach all den Kilometern durch Staub und Hitze in der Steppenlandschaft der anatolischen Hochebene ...

... ins Flusstal kommt, der erkennt: ja, das ist das Paradies!
Ich höre im CD-Player Hubert von Goisern: Herst as net, wia die Zeit vergeht ... Hier ist sie stehen geblieben.
Türkische Musik ist schrecklich. Aber als wir vor 23 Jahren hier waren, haben wir sie im Land lieben gelernt, dann sogar Musik-Kassetten mit türkische Musik gekauft - und zuhause nie gehört. Dieses Mal will der genius loci in diesem Punkt nicht über mich kommen, das Radio ist schrecklich, also CDs, aber ich habe nur wenige dabei. Sicher aber denkt der alte Mann, den ich als Tramper mitnehme, mindestens genau so über meine Musik, jedenfalls als er das wunderbare Gitarrensolo von Rainhard Stranzinger erdulden muss ...

Die Burg Yeni Kahle, im 13. Jahrhundert von Mameluken an der Stelle einer alten Zitadelle des Reiches von Commagene errichtet, wird gerade restauriert.
Unterhalb lädt mich der Kaffeehausbesitzer ein und erzählt in passablem Englisch, dass er elf Monate im Krankenhaus in Karlsruhe behandelt wurde wegen einer schweren Kopfverletzung nach einem Autounfall, sein Bruder habe ihm das möglich gemacht.
In der Nähe gab es angeblich ein bedeutendes Heiligtum für Thekla von Ikonium.

Nach der Überfahrt mit der Fähre fahre ich nach Süden, wieder über schier endlose Weite. Ganz selten ein kleines Bauerndorf, manchmal noch Nomaden. Abgesehen von LKW und Plastikplanen: so hat schon Abraham gelebt.

Am Nachmittag erreichte ich Sanlıurfa. Ber nach einiger Zeit hatte ich genug vom Trubel der Stadt: ich bin dereinst durch Palermo gefahren; damals stand im Reiseführer, man solle vorher noch sein Auto fotografieren, man werde es hinterher nicht mehr unbeschädigt sehen; der Autor war noch nie in Sanlıurfa.
Auf der Suche nach meinem Schlafplatz kam ich in ein Dorf: unzählige bettelnde Kinder umringten mich sofort. Schließlich fand ich meinen Platz an einer einsameren Plantage, freundlich vom offensichtlich wohlhabenden Besitzer begrüßt, und erlebte den Abendhimmel.

Dienstag, 28. Mai

Am nächsten Morgen war ich in Harran, wo Abraham auf seiner Reise ins Heilige Land durchzog und in der sein Großneffe Laban blieb, bei dem Abrahams Enkel Jakob seine Frauen Lea und Rahel fand. Die Stadtmauer der einst riesigen Stadt mit angeblich der ersten Universität der Welt ist in ihren Grundzügen weithin erhalten und wird derzeit restauriert.

Rahel war wohl nicht viel anders gekleidet.

Harran wird viel von Touristen besucht; auch ich treffe später auf eine Busladung schwäbisch sprechender Rentnerinnen und Rentnern mit Strohhut und Sonnenbrille - und suche schnell das Weite! Die Kinder hier haben deshalb das Betteln gelernt - extensiv!

Von der großen Stadt blieb übrig: ein verdrecktes Bauerndorf. Seine Besonderheit: die Trulli-Häuser, die ich bislang aus Apulien kannte.

Vor den - natürlich in Restauration befindlichen - Resten der ehemals berühmten Festung mit einer Größe von 130 x 90 Metern befindet sich dieser grandiose Parkplatz mit einem Wächter, der die für hiesige Verhältnisse enorme Summe von 2 € Parkgebühren verlangt. Kurz darauf kommt ein Auto mit einem jungen Mann, der gutes Englisch spricht. Er komme vom Tourismus-Büro, könne mir eine persönliche Führung anbieten. Für nur 40 Lira (16 €). Ich lehne ab; in diesem Nest finde ich mich allein zurecht. Für 30? Für 20? Für 10? Für 5? Als ich immer noch ablehne, versteht er wohl die Welt nicht mehr.

Es stimmt schon: Tourismus verdirbt den Charakter - auf beiden Seiten!

Die Stadt mit der ersten Universität der Welt ...

... die heute keine Mühen scheut, den Touristen etwas zu bieten.

In der Stadt stand einst die große Moschee - die älteste Anatoliens in islamischer Bauweise, auch Paradies-Moschee genannt, erbaut um 744 bis 750, 104 x 107 Meter groß mit 33,3 Meter hohem Minarett.

Vorher war hier wohl die bedeutsame Kirche, über die Ephraim der Syrer berichtete und an der Abraham von Harran Anfang des 5. Jahrhunderts als Bischof wirkte.

Heute weiden um die Ruinen herum Ziegen und Schafe wie zu Zeiten der Erzväter.

Irgendwann wird irgendeiner kommen und sie irgendwie irgendwohin mitnehmen, Insh'Allah, so Gott will.
Aufgefallen ist mir aber sonst eine wichtige theologische Entwicklung: während vor 23 Jahren sehr viele Autos, v.a. die LKW, mit diesem fatalistischen Insh'Allah beschriftet waren, gibt es diese Aufschrift nicht mehr, stattdessen - v. a. auch auf den unzähligen Kleinbussen -: Allah korusun, Gott beschützt. Vom mittelalterlichen, schicksalsergebenen Glauben also eine Entwicklung zu einem moderneren Begriff eines barmherzigen Gottes.

Es fällt mir nicht schwer, mich von diesem staubigen, heißen Ort, der einmal eine Weltstadt war, zu verabschieden.

Zurück in Sanlıurfa parke ich an der Stelle, an der ich gestern einen freien Internet-Zugang gefunden hatte, um den vorherigen Blogeintrag hochzuladen und E-Mails zu checken. An mir vorbei ziehen diese beiden Müll sammelnden Jungs. Es gibt hier die Dritte Welt neben westlichem Standard. Es gibt überall Schulen, viele Gymnasien, adrette Schülerinnen und Schüler, meist in Schuluniform - aber wohl auch Kinder, die sich der Schulpflicht entziehen (können). (Derzeit schreibe ich wieder nahe einer Schule mit wunderschöner Pausenmusik.)

In Sanlıurfa wird am Nachmittag das Wetter schlecht, es regnet sogar etwas - eine Labsal: nur 28° und sogar etwas Regen, höchst angenehm! Ich besuche einen der wichtigsten Orte der Verehrung Abrahams, besonders für Muslime: den Halil-ur Rahman Gölü.
Der böse Weltherrscher Nimrod, der auf der Festung oberhalb residierte, verurteilte Abraham zum Feuertod, weil er an seinem monotheistischen Glauben festhielt und nicht den Göttern opfern wollte. So wurde der Scheiterhaufen entfacht und Abraham hineingeworfen - der aber flog durch Gottes Fügung hindurch; um ihn sanft aufzufangen, hatte Gott unterhalb der Burg einen See entstehen lassen, in dem Abraham unversehrt landete. Daraufhin bekehrte sich auch Nimrods Tochter Zeliha zum Glauben an den einen Gott. So ist das immer mit den Gewaltherrschern, bis heute: am Ende verlieren sie alles!

Die Feuerfunken, die mit Abrahams ins Tal fielen, verwandelten sich im See in Fische, die bis heute als heilige Fische verehrt werden und nicht gefangen und gegessen werden.

Direkt am See steht eine Moschee, deren Mauern und Turm noch den christlichen Vorgängerbau erahnen lassen

Um den Teich sind weitere Moscheen, Gräber bedeutender Muslime, ein großer Park, natürlich ein Basar und trotz des Werktages tausende Menschen. Es gibt viele Restaurants, Teehäuser, große Hotels, ein Parkhaus: Europa-Park für Gläubige. Ich gönne mir ein Eis - 4 Kugeln für 80 Cent, das sind wahrhaft christliche Preise am heiligen Ort. Und deshalb gleich noch eines.

An der Stelle der heutigen großen Moschee unterhalb der Festung darf man ein früheres urchristliches Zentrum vermuten. Die damals Edessa genannte Stadt war ein für die junge Christenheit sehr bedeutsamer Ort. Der damalige Herrscher wurde übrigens von Alexander Akoimetes zum Christenglauben bekehrt. Ephraim der Syrer gründete eine bedeutsame christliche Schule. Schon Judas Thaddäus war zum König von Edessa, Abgar V., geschickt worden; der König wollte ein Bild Christi malen lassen, weil der ihn geheilt hatte, wobei der Maler dann aber von solchem Glanz geblendet wurde, dass er nicht weitermalen konnte, und Gott selbst das Bild vollendete; nach anderer Überlieferung wurde Abgar geheilt, als ihm das Grabtuch Jesu gebracht wurde; der habe es dann über dem Stadttor anbringen lassen; dieses nicht von Menschenhand gemachte Bild des Erlösers wurde ab 525 nach seiner Wiederauffindung zum Vorbild aller Christus-Darstellungen im Römischen Reich und kam später nach Turin, wo es seither als Grabtuch von Turin verehrt wird.

Auf dem Vorplatz der Moschee an einem der heiligsten Orte des Isalm geht es auch nicht anders zu als auf dem Markusplatz in Venedig.

In der Moschee ist die Quelle für die heiligen Teiche (hinter der Scheibe, zu dunkel um zu Fotografieren) mit natürlich heilkräftigem Wasser, das man sich in Flaschen abfüllen kann.

Näher an der Burg als der Halil-ur Rahman Gölü ist ein kleinerer See mit ebenfalls heiligen Fischen; in ihm landete Nimrods Tochter Zeliha, die nach ihrer Bekehrung von ihrem Vater auch ins Feuer geworfen wurde, aber dieselbe Rettung erlebte wie Abrahams; nur durfte sie nicht ganz so weit fliegen und der See war kleiner ...

Ein kühler Nachmittag am Park, ich bin glücklich und zufrieden wie diese Katze.

In einem südlichen Vorort von Sanlıurfa liegt das Grab des - im Islam Propheten - Hiob, im Koran der Enkel von Jakob . Nach dem Koran wurde er mit Schrecklichem geprüft wie im Alten Testament - er verlor Frau und Kinder, dann wurde er krank, schließlich um seiner Geduld und seines unerschütterlichen Glaubens willen wieder gesund, mit einer schönen Frau und neuen Kindern belohnt. Auch dieser Ort, wo man durch diesen Eingang ins Felsengrab hinabsteigen kann, ist mitten in der Woche gut besucht.

Geheilt wurde Hiob durch das Wasser aus diesem Brunnen, das nun an die Wasserhähne gepumpt wird, von denen man es mitnehmen kann.

Vor seiner Heilung lebte Hiob sieben Jahre krank in dieser Höhle, in der er dann auch begraben wurde. En kleines Opfer kann nicht schaden ...

Ebenfalls im Süden von Sanlıurfa ist der Vorort Kadin, das frühere Kiduna, wo die Prostituierte Maria die Büßerin von ihrem Onkel bekehrt wurde und dann als Einsiedlerin lebte. Heute ist der Ort eine typische vergammelte Vorstadt und offenbar Sanierungsgebiet.

Am Abend fahre ich wieder Richtung Norden, gen Diyarbakır. Die Berge grüßen mit herrlichem Sonnenuntergang.

Die Tracks:
Şanlıurfa
Siverek

geschrieben am 30. Mai 2013


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