Dienstag, 14. April
Ich fahre nocheinmal in die Extremadura nach Spanien zurüch, ins
Kloster El Palancar
nahe Pedroso de Acim, wo Petrus von
Alcántara lebte und eine Reform des Franziskanerordens
vertrat. Ein sehr netter Franziskaner führt mich und drei Spanierinnen - auf Spanisch, so dass ich wenig verstand, aber
immerhin das Wesentliche.
Ans Spanische habe ich mich inzwischen etwas gewöhnt - hier im Süden ist es wesentlich besser zu verstehen als
letztes Jahr im Norden, wo die Berge und das Kastilische offenbar einen
rauen Dialekt erzeugen. Erstaunlich ist, wie anders das Portugiesische klingt. Noch in Spanien hörte ich erstmals einen
portugiesischen Radiosender und dachte, es sei Holländisch - das hört man hier ja ständig. Portugiesisch wird im Rachen
gesprochen, ist wenig melodiös. Als ich erstmals einen Portugiesen nach einer Kirche fragte - portugiesisch geschrieben
igreja
, das ist leicht, aber gesprochen ichrescha
- verstand er mich nicht.
Die Klosterküche, angeblich aus Petrus' Zeit; er war ein großer Asket und wollte den Franziskanerorden wieder zu seinen Ursprüngen des einfachen Lebens zurückführen; die Küche ist stehend nicht zu betreten.
Eine der früheren Klosterzellen; die von Petrus war wesentlich kleiner.
Die Kapelle, heute mit Petrus' Statue.
Kermaikbild in der Kapelle.
Die heutige Kirche.
Im nahen Alcántara, wo Petrus geboren wurde, ist an der Kirche, die an der Stelle seines Geburtshauses erbat wurde, dieses alte Denkmal.
Alcántara, einst offenbar eine stolze Stadt, jetzt kurz vor der portugiesischen Grenze im völligen Abseits, hat bessere Zeiten gesehen. Dieses Haus ist bewohnt.
Zurück in Portugal besuche ich das Dorf Flor da Rosa, den Geburtsort des einst mächtigen Nonius von der heiligen Maria; auch dieser Ort sah bessere Zeiten.
Im ehemaligen Johanniter-Kloster beeindruckt der Sarg des Klostergründers, des Vaters von Nonius. Schön auch die Legende der Klostergründung: es sollte nach dem Willen des Stifters auf einem nahen Hügel errichtet werden, aber jeden Morgen fanden die Arbeiter ihr Werkzeug nicht mehr an der Baustelle, sondern am Ort des heutigen Bauwerks; so wurde erkannt, dass es Marias wille sei, an dieser Stelle verehrt zu werden und der Bauplatz verlegt.
Auch der Kreuzgang erinnert weniger an ein Kloster als an eine Trutzburg - die das Kloster ja auch war - gegen Spanien, von dem Portugal Dank Nonius 1385 endgültig unabhängig wurde. Heute ist das Kloster Pousada; Pousadas sind das Äquivalent zu den spanischen Paradores - dem Staat gehörende Exklusivhotels in alten historischen Gebäuden, immer hoch gelobt ob Ambiente, Küche und Service. Zimmerpreise rund 200 €, Essen 50 €. Meine Kiste ist inzwischen auch historisch, aber deutlich preiswerter.
Mit gewissem Neid lese ich, dass es in
Stuttgart 28° warm
ist. Die hatte ich hier noch nie, diese Woche ist das Wetter nach drei schönen Tagen wieder sehr durchwachsen und der
Wetterbericht macht keine Hoffnung auf Besserung. Meine zwei - ich war zu optimistisch - Pullover sind im Dauereinsatz,
mein Regenschirm auch, die Bilder von heute täuschen.
Wieder einmal eine schmale Gasse führt zum
Kastell in Estremoz,
wo Isabella von Aragón starb und bestattet
wurde.
Das Kastell ist heute die angeblich exklusivste Pousada Portugals.
Die Zufahrt zum Kastell fühhrt über diese Zugbrücke - sicher das erste Mal, dass meine Kiste eine echte historische Zugbrücke befuhr.
Auch sonst ist Estremoz eine sehr hübsche kleine Stadt; viel Marmor wurde verbaut, weil es den hier gibt und der bis heute abgebaut wird.
Das wehrhafte Kastell von etwas Entfernung. Während auf der portugiesischen Seite eine massive Grenzfestung nach der anderen folgt, gibt es auf spanischer Seite nichts dergleichen: eindeutig, wer hier immer wieder wen bedrohte.
Mittwoch, 15. April
Das ehemalige Dominikanerkloster in Évora ist heute Militärakademie des portugiesischen Verteidigungsministeriums, dessen Kirche ein Theater. 1910 wurde Portugal Republik (die dritte in Europa nach Frankreich und der Schweiz!) und ihre Verfassung schrieb eine strikte Trennung von Staat und Kirche fest: Klöster und Orden, Religionsunterricht an Schulen und Theologiestudium wurden verboten, die Zivilehe eingeführt und die Ehescheidung erlaubt; Diktator Salazar, ein strenggläubiger Katholik, der von 1932 bis 1968 herrschte, gab der Kirche zwar manchen Besitz zurück, hielt an der Trennung von Staat und Kirche aber fest und schloss 1940 ein Konkordat mit dem Vatikan, in dem dieser dies akzeptierte.
Nahe der Kathedrale von Évora stehen die Reste des römischen Diana-Tempels - bis 1870 als Schlachthaus benützt und deshalb - trotz Erdbeben - so gut erhalten.
Die Johannes geweihte Kirche ist in Privatbesitz, Mausoluem für die Grafenfamilie de Cadaval. Nicht nur der Staat, auch viele mächtige Familien profitierten von der Säkularisation. Der heutige Graf ist mit einer deutschen Gräfin verheiratet.
Innen ist die Kirche fast völlig mit Azulejos aus dem 18. Jahrhundert ausgeschmückt.
Prächtig, aber geschmackvoll: der Hochaltar.
Am Eingang der Kathedrale
sitzt natürlich ein
Bettler. Das ist in Spanien auch so. Aber in Portugal wird auch auf Straßen und Plätzen extensiv gebettelt, und man sieht
den Menschen ihre Not an. Nach der Nelkenrevolution
von 1974 und der anschließenden Beendigung des Kolonialismus
kamen weit über eine Million Menschen aus den Kolonien ins Land (zurück) - es durfte kommen, wer wollte, deshalb sieht
man hier auch viele Schwarze und einige Inder; am Anfang wurde ihnen noch geholfen, bald schon blieben sie auf sich
allein gestellt. Und inzwischen lassen die Wirtschaftskrise mit über 25% Arbeitslosigkeit und ohne Arbeitslosengeld die
Menschen leiden.
In der Kathedrale gibt es im Museum eine Fülle fein gearbeiteter Reliquiare.
Der Kaiser Herakleus trifft in Jerusalem Patriarch Zacharias.
Ist Portugal noch immer Entwicklungsland - als das es bis zur Aufnahme in die damalige EG 1986 galt? Jedenfalls gibt es wie in Indien Tuk-Tuks …
… und auch dieses Schild direkt am Eingang der
Kathedrale.
Den Rest des Tages nütze ich für Hausmannsarbeiten: Kiste putzen, Wäsche waschen, aufräumen. Und Lissabon planen. Und
was lese ich am Abend: der FC Porto hat gegen Bayern München 3:1 im Champions-Legue-Viertelfinale gewonnen, die Chancen im
Rückspiel seien für die Bayern gering. Ich freue mich für die Portugiesen!
Donnerstag, 16. April, bis Freitag, 17. April
Auf der Weiterfahrt sehe ich ein Hinweisschild auf diesen Cromelech,
dos Almendres
,
aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. Um 1960 wurde er wieder entdeckt, dann wurden die Steine gemäß den archäologischen Befunden
wieder aufgerichtet. Die Fahrt dorthin zieht sich über einen echt schlechten Feldweg - später lese ich in einem Artikel der
Stuttgarter Zeitung
von 1997, dass es damals genauso war. Dann hole ich einen Omnibus ein - eine spanische Schulklasse
macht Ausflug.
Das Interesse der Schüler an den Steinen hält sich in Grenzen, aber sie sind ausgesprochen freundlich und höflich zu mir Fremdem.
Nicht nur der prähistorische Steinkreis, auch der Korkeichenwald und die herrliche Ruhe fernab der nächsten Häuser machen einen wirklich magischen Ort.
In der Provinzstadt
Montemor-o-Novo
wurde Johannes von Gott geboren. Eine
zufällige Straßenszene nahe seines ehemaligen Geburtshauses, an dessen Stelle eine Kirche errichtet wurde.
Auch in diesem Städtchen, wo sicher seltenst Touristen kommen, werde ich intensiv angebettelt - wenn sich schon einmal
die Chance ergibt …
Das ehemalige Krankenhaus der Stadt, heute als Wohnhaus genutzt.
Noch ein Krankenhaus - besser: dessen Tor - jetzt in Lissabon; es war früher das
Jesuitenkolleg.
Johannes Hector de Britto und
Rudolf Aquaviva wurden hier ausgebilder. Die
- wie vor vielen öffentlichen Gebäuden - wachenden Sicherheitsleute weisen mich darauf hin, dass man es nicht fotografieren
darf. ???
Es gibt auch häufig Polizei zu sehen, auch in der Provinz.
Hoch über der Altstadt: das Kastell São Jorge.
Lissabon besitzt nichts, was man gesehen haben muss, aber man muss Lissabon gesehen haben
, schreibt mein (25 Jahre
alter, noch von der Reise 1992 stammender) Führer. Das liegt v. a. am
Erdbeben von Allerheiligen 1755 mit folgendem
Tsunami und Feuersbrunst, bei dem schätzungsweise 100.000 Menschen starben, 15.000 Bauten, 300 Paläste und mehr als 100
Kirchen einstürzten - morgens um 10 Uhr, als die Menschen in der Messe saßen - die größte Katastrophe der Geschichte seit
Pompei.
Justa und Rufina bewahrten zwar den Turm der Kathedrale in Sevilla vor dem Erdbeben von 1755, nicht aber Lissabon; dennoch werden sie auch hier - in der Dominikanerkirche - verehrt.
Die Dominikanerkirche im Herzen der Altstadt ist die für den Orden typische große Hallenkirche. Alvarus von Zamora und Bartholomäus von den Märtyrern Fernandes wirkten hier.
Davor: ein Rentner muss sich mit schuhputzen durchbringen. Wie in der Türkei; im Unterschied zu dort wendet er sich beschämt ab.
Das Nationaltheater am zentralen Rossio-Platz.
Das von Nonius Álvares Pereira
gestiftete ehemalige
Karmeliterkloster, dessen Kirchendach beim Erdbeben einstürzte und über 1000 Menschen unter
sich begrub, wurde nicht wieder aufgebaut und ist seit 1864 archäologisches Museum - ein sehr stimmungsvoller Platz im
Bairro Alto
. Dort steht dieser prächtige Sarkophag - wessen Gebeine er enthält, habe ich leider nicht dokumentiert
und der kleine Führer sagt es auch nicht.
Dort sieht man auch diese ägyptische Mumie und anderes, was in der Kolonialzeit halt so anfiel …
die ehemalige Kirche im Herzen der Altstadt
Portugal pflegt enge Verbindungen zu England, das schon bei der Eroberung der maurischen Besetzungen half und 1640 zum
Schutz vor Spanien nach der wiedergewonnen Unabhängigkeit vom begierigen Nachbarn, der das Land 60 zuvor besetzt hatte,
zum wichtigen Verbündeten wurde - der dies aber nützte, Portugal finanziell auszubluten und im Kampf gegen die Französische
Revolution 1810 sogar selbst besetzte und erst 1820 wieder vertrieben wurde.
So mutet hier manches fat englisch an: z. B. die gelassene Geduld beim Stehen in der Schlange, die man
selbstverständlich und wohlgeordnet bildet. Oder dieser Wachsoldat vor dem Museum der Nationalgarde.
Aus der Oberstadt hat man einen herrlichen Blick über die nach dem Erdbeben von 1755 im Schachbrettmuster aufgebaute Unterstadt.
Auch vor der Fahrt mit dem Aufzug, der Ober- und Unterstadt verbindet, ist geduldig Schlangestehen angesagt; die Touristen lernen von den Einheimischen.
Der Aufzug wurde vom berühmten Eiffel gebaut und funktioniert bis heute.
Auf dem gegenüberliegenden Hügel - Lissabon liegt nicht wie RomRom auf sechs, sondern auf 14 (steilen) Hügeln - steht die und Laurentius von Brindisi - der hier starb - geweihte Kirche São Cristóvão e São Lourenço.
die Kathedrale, ein recht schmuckloser Bau …
… auch innen. Antonius von Padua und Vinzenz von Valencia, die Patrone der Stadt, werden hier verehrt.
Direkt neben der Kathedrale stand das Elternhaus von Antonius von Padua, an dessen Stelle eine Kirche errichtet wurde.
In deren Krypta wird die Stelle verehrt, an der Antonius geboren wurde, daneben werden Votivgaben abgelegt.
Zu Lissabon gehören natürlich die alten Straßenbahnen, die seit über 100 Jahren die steilen Gassen befahren, hier auf dem
Platz
vor
Antonius' Kirche Ich
steige ein, in freundlichem Ton und perfektem Englisch weist mich die Fahrerin darauf hin, dass schon an der nächsten
Haltestelle ihre Fahrt zuende ist und ich umsteigen muss. Und am Ziel verkündet sie in mindestens fünf Sprachen, dass die
Endstation erreicht sei und bedankt sich bei den Fahrgästen!
Gefahren wird nicht nach Fahrplan, sondern nach Verkehrslage, deshalb dauert es oft, bis eine Bahn kommt - brechend voll - und dahinter dann weitere, fast leer. Mit etwas Geduld - die Touristen meist nicht haben, aber die Portugiesen - bekommt man also einen Sitzplatz auf den alten Holzbänken.
Vom Kastell São Jorge
- benannt nach Georg, dem Patron Englands,
weil der erste portugiesische König mit einer Engländerin verheiratet war - hat man einen prächtigen Blick auf die
Unterstadt und die Tejomündung mit der Brücke 25. April
- dem Datum der Nelkenrevolution
von 1974 -, zuvor
benannt nach Salazar, dem Diktator, der 1966 die Brücke bauen ließ, nachdem schon 1876 solche Pläne gemacht worden waren.
Das Kastell wurde von den Römern gebaut, dann von den Westgoten, anschließend von den Mauren erweitert, nach der Reconquista 1147 durch den Königspalast ergänzt, bis es beim Erdbeben 1755 fast völlig zerstört und ab 1980 restauriert wurde.
Dass Pfauen Vögel sind, wusste ich natürlich, aber auf Bäumen habe ich sie noch nie gesehen, und fliegend - aber dafür war mein Foto zu langsam - auch nicht.
Beim Kaffee zeigt sich das Männchen mir in voller Pracht - von hinten …
… und von vorn. Ich sitze vor dem ehemaligen Königspalast und fühle mich fast wie ein solcher.
Und immer wieder begeistert mich die alte Straßenbahn. Und die Geduld der Portugiesen: auch bei den Menschenmassen in der
Rush-hour wird in der U-Bahn nicht gedrängelt; zuerst werden die Alten (nein: ich noch nicht) vorgelassen, damit sie noch
vor der Abfahrt einen Sitzplatz und festen Halt haben.
Auch Autofahren geht gelassen: der Fahrstil ist deutlich italienischer als in Spanien, aber sehr rücksichtsvoll auch im
Gedränge, gehupt wird nur in wirklicher Gefahr.
Die Kirche São Vicente de Fora mit dem angeschlossenen Augustinerkloster, wo Antonius von Padua ausgebildet wurde, ist dem Stadtpatron Vinzenz von Valencia geweiht. Ursprünglich 1147 errichtet, wurde auch sie beim Erdbeben zerstört und 1629 wieder eröffnet.
Auch hier ist der Kreuzgang mit Alzulejos geschmückt. Dieses hier zeigt die Eroberung von Stadt und Festung unter König Alfonso I.
Die Tracks:
Évora ging verloren
Lissabon
geschrieben am 20. und 21. April 2015