Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Eine Winterreise

   J. Schäfer          

Donnerstag, 12. Januar bis 26. Januar

Nachdem der Wetterbericht nach längerer Zeit für Donnerstag den ersten schnee- und eisfreien Tag vorhergesagt hatte, habe ich mir diesen für die Fahrt zu meiner Tante nach Aigle in der Schweiz ausgesucht. Tatsächlich wurde es eine entspannte Tour, sogar ohne Stau.
Für den nächsten Tag war dann schon wieder Schnee angesagt; er kam am übernächste und, wie man sieht: in großer Menge. Für die Weiterfahrt entscheid ich mich deshalb gegen die direkte Route über den Tunnel durch den Großen St. Bernhard - dessen Einfahrt liegt auch schon auf über 1900 Metern - und für den Umweg über Genf und den Mont-Blanc-Tunnel - alles Autobahn und nur rund 1300 Meter hoch. Gleich hinter Aigle begann wieder heftiger Schneefall, auch die ordentlicher Schweizer bekamen ihre Autobahn nicht geräumt, bis hinter Lausanne ging's im Schneckentempo. Die Vorstellung, in zwei Tagen das Ziel auf Sizilien zu erreichen, war endgültig dahin. Immerhin: nach dem Tunnel, in Italien: kein Schnee, sogar Sonne. Am Abend bei Modena sagte ich meiner Tante am Telefon, das Thema Winter sei für mich definitiv vorüber. Ein Irrtum!



Für Samstag sagte die Prognose selbst in Modena Schnee an; er kam auf der Fahrt über den Apennin nach Florenz aber nur mäßig, dennoch kam ich nur bis Eboli südlich von Neapel. Aber auch Christus kam nur bis Eboli, wie der italienischer Schriftsteller, Maler und Politiker Carlo Levi in seinem autobiographischen Bericht postulierte: südlich davon werden die Menschen nicht als solche, sondern nur noch als Tiere betrachtet, denn wir müssen uns der Welt der Christen jenseits unseres Horizontes unterwerfen. Der Süden ist abgehängt, Mezzogiorno, Mafia - die gewalttätige Rebellion gegen die Mächtigen -, Chancenlosigkeit.

Hinter Eboli ging es am Sonntag wieder über die Berge des Apennin, gut 1000 Meter hoch, deshalb Pflicht zur Mitführung von Schneeketten, die ich natürlich nicht hatte; die Polizei kontrollierte, aber glücklicherweise nur LKWs.

Man stellt sich Süditalien irgendwie anders vor …
Dann aber, an der Raststätte bei Lamezia Terme: Meer, Sonne, Wärme - jetzt war der Winter doch wirklich vorbei für mich!? Und am Abend, bei Nacht und Regen, komme ich ans Ziel in Marina di Ragusa, dort hatte ich mir einen Campingplatz ausgesucht. Das Tor war verschlossen, kein Licht nirgends - von wegen: ganzjährig geöffnet. Es war kalt, nass und ich müde; mein Navi kannte einen Platz in der Nähe: Camping Luminoso. Was konnte jetzt besser sein als dieser helle Platz?

Camping Luminoso ist großartig: klein, ruhig, preiswert, sauberst, direkt am Meer, freundliche Besitzer. Wie üblich: Rentner im Wintercamping: Italiener, Schweizer, Österreicher, wenige Deutsche. Hier bleibe ich die nächsten Wochen, arbeite am Heiligenlexikon und warte auf besseres Wetter. Das kommt dann erst nach einigen Tagen mit heftigem Regen, Gewittern und Kälte: am 24. und 25. Januar nachmittags 24° - da kann man nicht meckern. Nachts geht es auch kaum unter die 15°, die das Meer hat - fast 30 Grad Unterschied zu den -14° nachts in Stuttgart; deshalb muss man ja auch im Winter an den Stran: nicht zum Baden, sondern weil das Meer Wärmespeicher ist.

Freitag, 27. Januar

Um nicht ganz einzurosten schaue ich mich heute in der Gegend um. Erstes Ziel ist die Kirche Santa Maria La Nova in Scicli, an der Wilhelm Buccheri als Einsiedler lebte. Viele Menschen wandeln auch dorthin - eine Beerdigung?<

Nein: sie wollen beten am Altar der Maria della Pietà, die dort seit 1994 verehrt wird.

Noto, erreicht nach langwieriger Fahrt über kleine Straßen in meist beklagenswertem Zustand, begrüßt mich mit der Porta Ferdiandea, gebaut als Willkommensgruß für König Ferdinand II. von Bourbon, den Herrscher Siziliens, der 1838 die Stadt besuchte. Mich begrüßt die Stadt, indem sie immerhin einen (illegalen) Parkplatz für mich hat.
Die heutige Stadt entstand ab 1703 sechs Kilometer südöstlich der früheren Stadt - heute das Ruinenfeld Noto Antica -; diese wurde 1693 durch ein Erdbeben komplett zerstört, daraufhin wurde Noto planmäßig und einheitlich im Stil des sizilianischen Barocks neu aufgebaut. Diese Altstadt ist praktisch komplett erhalten, vom Europarat 1989 zur Hauptstadt des sizialnischen Barocks erklärt, von der UNESCO zum Weltkulturerbe.

In der 1711 bis 1750 gebauten Kirche des Franziskanerklosters werden angeblich die Reliquien von Dominikus von Malta verwahrt; sie ist leider verschlossen.

Die Kathedrale ist Ort der Verehrung des Stadtpatrons Konrad Confalonieri von Piacenza. Gerade als ich die Treppen erklimme, schließt eine Nonne die großen Türen - Pech gehabt.

Zum Fotografieren bleibt mir die riesige Tür, die Konrads Leben darstellt und 1982 angefertigt wurde …

… und gegenüber das Rathaus.

Beim Besuch in Konrads Einsiedelei nahe Noto verschlechtert sich das Wetter zunehmend.

Ab 1343 lebte Konrad im damaligen Noto - heute die Ruinen von Noto Antica -, um dort im Krankenhaus die Kranken zu pflegen. Noto Antica ist heute Ruinengelände - am besten überlebt hat das Kastell mit dem mächtigen Nord-Stadttor.

Noch sichtbar sind Reste von Kirchen - hier die des Hospitals der Barmherzigen Brüder von Johannes von Gott, der große Rest ist eine mit Macchia und Bäumen überzogene Steinwüste - ein herrlich einsamer, ruhiger, zum Nachdenken anregender Ort.

Am ehemaligen Hauptplatz hat man die Gedenkstätte für Maria von der Vorsehung errichtet, zum Trotz aller Schrecknisse und Zerstörung.

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geschrieben am 28. und 29 Januar 2017


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