Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Rund um den Ätna

   J. Schäfer          

Mittwoch, 29. März, bis Freitag, 31. März

Am Morgen bin ich in Taormina; hier wollte ich dereinst Pfarrer werden - es gab damals eine evangelische Pfarrstelle für Sizilien! -, was aber nicht geklappt hat - wie sich dann alsbald herausstellte, war das großes Glück. Taormina gilt als exklusiver Urlaubsort - tatsächlich ist es ein Ort für Bergsteiger. Außer im Zentrum heißt Taormina: Bergsteigen. Eigentlich habe ich einen recht idealen Parkplatz nahe am Zentrum gefunden; mein Navi lotst mich dann zu Fuß aus unerfindlichen Gründen statt ins Zentrum zuerst hoch zum Santuario Madonna della Rocca - das wollte ich eigentlich mit dem Auto machen. Von oben lohnt der Blick hinab aufs Meer und zum wie meist nun wieder wolkenumschlungenen Ätna alle Mühe.


Innen zeigt sich das Santuario Madonna della Rocca rustikal mit seiner Decke aus Felsen. Im Basilianerkloster, das dereinst hier oben neben dem Kastell bestand, war Lukas von Taormina Abt und Elias der Jüngere sowie Elias Speleota lebten eine zeitlang hier.

Außen: poesieheischend

Von hier oben kann ich dann die Stadt sehen, links hinten das Amphitheater, dessen Zuschauer auf die Schauspieler und im Hintergrund auf den Ätna blicken. Und dann darf ich den Pilgerweg mit unzähligen Stufen hinabsteigen …

… und komme auch dem Theater näher.

Einer der ersten Blickfänge in der Stadt: die Angebote eines deutschen Immobilienmaklers. Hier lassen sich Geschäfte machen!

Der Dom ist - zum ersten Mal sehe ich das hier - von Militär bewacht. Pankratius war der Überlieferung zufolge der erste, Maximus der dritte Bischof der Stadt, Nikon der erste historisch verifizierte.

Das - nicht von Menschenhand gemachte! - Marienbild rettete Taormina 1693 vor den Folgen des schrecklichen Erdbebens.

Stattlich: Kirche und Institut der Salesianer im Herzen der Stadt.

daneben: der Uhrturm

die Katharina von Alexandria geweihte Kirche, erbaut an der Stelle des ehemaligen römischen Konzerthauses …

… und daneben der mächtige Corvaja-Palast, heute kommunales Verwaltungsgebäude …

… mit schönem Innenhof.

Was Touristen, die es in dieser Stadt auch in dieser Jahreszeit schon in beachtlicher Zahl gibt, so alles lieben …

Das ehemalige Kloster der Dominikaner ist heute ein Luxushotel; in seiner Kirche fand Cherubinus von Messina sein Grab.

Auf dem Weg zurück zum Auto - wieder nach oben auf Treppen: ein griechisches Mosaik aus dem 2. Jahrhundert. Hier bewegt man sich wirklich auf historischem Boden.

… und der Blick nach unten zum Meer auf die Isola bella - wirklich schön!

Nun geht es gegen den Uhrzeigersinn rund um den Ätna, als erstes nach Randazzo, wo Dominikus Spadafora geboren wurde. Im ehemaliegen Kloster St. Michael war Aloisius Rabata Prior; dort ist heute ein Altersheim und als dessen Gründer bekommt man ein schönes Denkmal. Im ehemaligen Franziskanerkloster - heute das prächtige Rathaus - lebten Gerhard Cagnoli und Paulus von Randazzo.

Im weit weniger prächtigen ehemaligen Kapuzinerkloster am Stadtrand lebte Humilis.

Von dort hat man einen schönen Blick auf die Stadt …

… und auf den Ätna, wäre er nicht wie meist wolkenverhangen.

Und ganz in der Nähe: die evangelische Kirche - auch wenn man es dem Gebäude nicht ansieht -, die es hier tatsächlich gibt.

Symbol der Stadt ist die Basilika Santa Maria Assunta, in der heute Aloisius Rabatas Gebeine liegen. 1217 bis 1236 wurde sie aus schwarzem Lavastein - wie fast alles hier - gebaut, mit Turm aus dem 19. Jahrhundert.

… aber auch Stein ist vergänglich, besonders der weiche Lavastein: Trotz der hohen Fruchtbarkeit durch die Lavaerde und die häufig am Ätna abregnenden Wolken ist auch hier das Leben nicht einfach. Zwischen 1880 und 1980 ist die Bevölkerungszahl auf Sizilien nicht gestiegen, obwohl es hohe Geburtenzahlen gab: die Auswanderung war oft die einzige Perspektive. Heut beträgt die Arbeitslsoigkeit offiziell 20%, tatsächlich ist sie wesentlich höher, besonders bei jungen Leuten.

Im ehemaligen Kloster Maniace - ursprünglich wohl ein Basilianerkloster, 1174 von Margarethe, der Frau des Königs Wilhelm II. von Sizilien, als Benediktinerkloster gestiftet, war Wilhelm von Maniace Abt. Berühmt wurde die Anlage als späteres Kastell Nelson; Admiral Nelson bekam es von König Ferdinand von Neapel geschenkt als Dank für die Hilfe bei der Niederschlagung einer Volkserhebung. 1981 kaufte es der Staat, nun ist es Museum - und wegen Renovierung geschlossen.

Mir bleibt nur der Blick von außen.

In Bronte fahre ich dorthin, wo mein Navi das gesuchte Kolleg anzeigt, das Ignatius Capizzi gründete. Ich komme an der recht neuen Schule an, suchte aber natürlich die alte. Auf dem Weg zur Kirche San Blandino, in der die Gebeine von Wilhelm von Maniace liegen, sehe ich in der Altstadt Wegweiser zum Gesuchten. Zweimal quäle ich mich durch die sehr engen Gassen mit Feierabendverkehr - erfolglos.
Im Frust fotografiere ich - sinnfrei - diese für mich namenlose Kirche.

Am nächsten Ziel, Adrano, will ich am Friedhof übernachten. Anders, als das in der Navi-Karte ausschaute, liegt der aber an einer befahrenen Straße und nah einem nicht sehr vertrauensheischenden Wohngebiet. Also fahre ich an den Friedhof im übernächste Ort - auch an der Straße, aber abseits des Ortes, und nachts fährt sowieso keiner.
Begleitet ist man unterwegs immer von den Auswürfen des Ätna, die sich die Pflanzen zurückerobern.

Ich habe meinen Sizilien-Koller: die allzuoft engen und in den Ortschaften immer durch Parker verstopften Straßen - immerzu zentimetergenau Fahren strengt an; das ewige Geschaukele und Geruckele auf den Straßen mit ihren Schlaglöchern und Erdbeben-Verwerfungen - oft selbst auf der Autobahn - nervt und kostet Zeit; der Müll an den Straßenrändern und in der Landschaft - jetzt nahe Catania deutlich zunehmend - tut meinen Augen weh; die letzten Ziele waren kein großer Erfolg und überhaupt brauche ich viel länger als gedacht. Alles Sch…
Aber dann, kurz vor dem Zubettgehen, traue ich meinen Augen nicht: dreifaches Lavaleuchten am Ätna - live? Oder nur die Beleuchtung von Rifugios? Aber nach längerem Beaobachten ist eindeutig: es bewegt sich.
Und dann, als ich am Morgen aufwache: Brandgeruch in der Nase! Hat mich die Lava schon umzingelt? Nein: es ist vor sich hinkokelndes altes Laub an der Friedhofsmauer.

Am Abend hatte ich im Reiseführer doch noch entdeckt, wie ich das von Ignatius Capizzi gegründete Kolleg in Bronte finden kann; also ging's zurück in die engen Gassen dieser Stadt - und ich fand dort sogar einen Parkplatz und das Gesuchte mit der barocken Kirche und Ignatius' Grab.

Auch von außen: mächtig prächtig für eine Stadt mit knapp 20.000 Einwohnern.

Unterwegs: eine Warnung vor Ätna-Staub, die es hier überall gibt.

In Adrano emfängt mich das riesige,Lucia geweihte, 1158 gegründete ehemalige Kloster …

… und neben der Mutterkirche der 33 Meter hohe Stadtturm aus normannischer Zeit. Adrano hat seinen Namen vom Heiligtum des griechischen Gottes Adranos, der die Personifizierung des Ätna war.

Die Mutterkirche enthält Reliquien von Nikolaus Politi; unweit davon ist die an der Stelle seines Geburtshauses errichtete Kirche.

Auf einem guten Feldweg geht's dann zur Höhle an den Hängen des Ätna unweit von Adrano, in der Nikolaus Politi zunächst lebte.

Nikolaus' Höhle

Die Kirche des ehemaligen Benediktinerklosters in Paternò, wo Hieronymus von Paterno geboren wurde.

Der Innenhof des Klosters - vergangener Glanz.

Neckisch: die Straßenlaternen, jede mit individuellen Figuren.

Eine große Kuppel krönt die Kirche Santa Barbara, geweiht der Stadtpatronin Barbara, die 1576 die Pest besiegt habe.

Auch hier auf dem Hügel über der Stadt, neben dem ehemaligen Franziskanerkloster - Hieronyma war hier Tertiarin -: ein mächtiger Turm, errichtet 1072 von Roger I. …

… und der Friedhof; deren Bauwerke beeindrucken mich immer wieder: Sehnsucht nach Unsterblichkeit, in Stein gegossen.

Eine recht neue Wallfahrtsstätte mit Blick auf den Ätna gibt es seit 1998 bei Belpasso wegen Marienerscheinungen.

In Trecastagni kome ich am frühen Nachmittag an; das Santuario für Alphio, Cirino und Philadelphio ist um diese Zeit natürlich geschlossen.

Darüber raucht der Ätna; innerhalb von zwei Tagen hat er sein Schneekleid fast völlig verloren. Aber wie bei einer schönen Frau: etwas bekleidet sieht er attraktiver aus.

Eine Wucht: die nach dem Erbeben von 1693 neu aufgebaute, 1705 wieder geweihte Kirche San Sebastiano in Acireale. Sebastian wird hier als der volkstümliche Patron verehrt.

Unweit, direkt neben der Kathedrale: die Petrus und Paulus geweihte Kirche. Mein Reiseführer 1 schreibt: Die Bewohner von Acireale standen in Konkurrenz zu Catania und wollten alles schöner und besser haben (was ihnen aber nicht gelang). Ansatzweise aber doch!

In der Kathedrale wird die Ortspatronin Veneranda von Gallien verehrt; dass das auch für Expedit gilt, habe ich nicht gefunden 2.

Auch der KatakombenheiligeKatakombenheilige sind als heilig verehrt Gebeine vor allem in den deutschsprachigen Gebieten nördlich der Alpen, die aus Katakomben in Rom stammen, von denen man oft nicht den Namen des Verstorbenen kennt und keinesfalls seine Lebensgeschichte. Besonders nach der Reformation, in der katholische Kirchen oft ihrer Reliquien beraubt worden waren, wurden als Ersatz in Rom die Gebeine Tausender erhoben; ihnen wurde ein Name zugeordnet und oft auch eine Geschichte, (nicht nur) bei bekanntem Namen oft die Geschichte eines tatsächlichen Heiligen. Clemens aus den Katakomben des Prätestatus in Rom hat hier seinen Platz.

Auf dem Campingplatz in Catania bin ich ohne Internet, weil davor gerade der neue Glasfaser-Anschluss verlegt wird.
Das geschieht hier derzeit an vielen Orten, auch in tiefster Provinz - Deutschland hinkt dem meilenweit hinterher; auch das nun erneut liberalisierte Gesetz zur Störerhaftung - weil der erste Versuch wie von allen Fachleuten prophezeit das Problem nicht löste - bringt keine wirkliche Verbesserung der Internet-Verfügbarkeit, weil sich schon wieder die Lobby der Medienkonzerne durchgesetzt hat; Deutschland bleibt Entwicklungsland. Hier verlegt man das Glasfaser-Kabel ganz einfach: ein knapp 10 cm schmaler und ebensowenig tiefer Schlitz in der Straße, Kabel rein, Sand drauf, fertig; weil Autoreifen breiter sind, können sie den Sand nicht aufwirbeln, auf eine Unebenheit mehr in der Straße kommt es eh nicht an - und Radfahrer müssen eben aufpassen; Radfahren bei sizilianischem Verkehr ist sowieso nur was für Lebensmüde oder Leute mit grenzenlosem Gottvertrauen.

Draußen im Meer begegnen sich am Abend Tradition und Moderne.
Abends gehe ich hier Essen, der Campingplatz hat eine Pizzeria. Gegen später kommen fünf junge Männer und benehmen sich, wie man sich Mafia vorstellt. Sogar der Besitzer - vorher nie gesehen - eilt herbei, um sie zu begrüßen. Aber: ich sehe sicher nur Gespenster, bin in Vorurteilen gefangen.
Am nächsten Tag, als drei davon sie über den Platz spazieren, macht der gute Geist des Platzes - ein perfekt Deutsch sprechender Kleinwüchsiger - bei mir seinem Ärger Luft: Ich will nur gerne wissen, wie die ihr Brot verdienen, er müsse dafür den ganzen Tag rennen - er rennt wirklich ständig mit seinen kurzen Beinen.
Also offenbar doch Mafia! den Eindruck habe ich schon seit Adrano: aggressive Stimmung, verschlagene Blicke besonders bei jungen Männern, nicht mehr chaotisches, sondern geisteskranken Autofahren: die Mafia hat ihren Schwerpunkt aus Palermo, wo der Verfolgungsdruck wohl zu hoch wurde und es eh nur Verwaltung und landwirtschaftliches Hinterland gibt, in die Industrie- und Handelsstadt Catania verlegt, wo wirkliches großes Geld zu machen ist.

Samstag, 1. April, bis Mittwoch, 5. April

Nach einem Tag Arbeit auf dem Campingplatz geht es zuerst nocheinmal zum Santuario nach Trecastagni, das jetzt am Morgen geöffnet ist. Eine höchst merkwürdige, niedrige und dunkle, wohl ein Grab imitiierende, 1993 geschaffene Kapelle ist die Gedenkstätte für Alphio, Cirino und Philadelphio.

Für die Prozession in der Karwoche stehen schon die Tragefiguren bereit.

Das ehemalige Benediktinerkloster San Nicolò l'Arena nahe Nicolosi ist heute Sitz der Verwaltung des Ätna-Naturparks, der Zaun am Samstag leider geschlossen. In diesem Kloster lebten Angelus Sinisius, Paganus von Sizilien und Wilhelm von Maniace.

Und dann geht es bergauf zum Ätna durch ziemlich frische Lavamassen - auf einer deshalb hervorragenden Straße. Irgendwo am Ätna lebten zeitweise Gerhard Cagnoli, Laurentius von Frazzanò und Lukas von Taormina als Einseidler.

Am Parkplatz auf knapp 2000 m Höhe angekommen erspare ich mir die Seilbahn - 32 € -, denn dann ginge es auch nur mit geländegängigen Bussen weiter - 62 € - und auch damit nicht ganz nach oben sondern dorthin, wo die Führer einen nach ihrem Entscheid fahren. Am Parkplatz sieht man einen - friedlichen - Nebenkrater …

… (fast) die rauchende Bergspitze …

… den Silvester-Krater …

… und natürlich Verkäufer, die auf Kundschaft warten. Am heutigen Samstag sind doch eine ganze Reihe von Leuten bei dem schönen Wetter auf den dennoch kalten Berg gekommen.

Oberhalb von Zafferana Etnea gibt es die Höhle von Polyphemos; der Riese und Zyklop hatte Odysseus mit seinen Gefährten gefangen genommen und einige davon aufgegessen, bis sie den Einäugigen blendeten und entkommen konnten - so erzählte es Homer.

Auch meiner Kiste will der Riese gefährlich werden …

… deshalb schnell ein paar hundert Meter weiter zu Maria; sie rettete den Ort 1991 / 1992 vor Ausbrüchen und bewahrte ihn vor Feuer - damals rollte die Lava auf den Ort zu, Versuche sie umzuleiten durch Mauern und Sprengungen scheiterten, aber direkt am Ortsrand stoppte sie, deshalb wurde 1993 die Gedenkstätte errichtet. Etwa an dieser Stelle stand das Kloster, das Sabinus von Catania gründete und das zur Keimzelle von Zafferana Etnea wurde, aber dann aufgegeben und von Lava und Erdeben spurlos zerstört wurde.

Nicht aus Lavagestein: die Fassade der Mutterkirche von Zafferana Etnea

… und nebenan das Rathaus, bei einem Erdbeben 1984 zerstört, dann neu gebaut und 2009 wieder eingeweiht. Man sieht: der Ätna bringt Gefahren mit sich - unvergesslich ist mir, wie wir vor 30 Jahren Essen in diesem Ort waren in einem Lokal, das nur noch über die Terrasse zu betreten war, denn die Eingangstür war durch einige Meter hohe Lava unzugänglich, aber genau da hatte sie gestoppt und das Haus blieb unversehrt - und der Vulkan produziert fruchtbaren Boden und Regen und damit Wohlstand.

Nachdem der Campingplatz in Catania derzeit kein Internet hat und ich nun schon sechs Tage offline bin, gehe ich auf den Campingplatz bei Acireale - rustikal und urwüchsig auf einem Felsen hoch über dem Meer - auch mit Problemen bei der Internet-Verbindung, die aber mit der Hilfe meines Sohnes, nach stundenlangem versuchen und übers Handy schließlich lösbar waren - und ohne Waschmaschine, die ich jetzt brauche.

Der Ort selbst ist ein Fischerdorf direkt am Wasser.
Weil es am Campingplatz in Catania eine gute Waschmaschine gibt, geht es nach zwei Tagen Arbeit dorthin zurück - und inwischen funktioniert auch hier die Verbindung zur Welt wieder, die ich zum Arbeiten brauche.

1 Daniela Schetar, Friedrich Köthe: Sizilien, 7. Aufl. Reise Know-How Verlag, Bielefeld 2010 - empfehlenswert!

2 Im Nachhinein dann doch, nur verehrt in der Kirche Gesù e Maria, in der ich nicht war.

Tracks
Adrano
Catania
Acireale

geschrieben am 2., 3. und 4. April 2017


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