Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Rund um Parnass und Pilion

   J. Schäfer          

Mittwoch, 12. Juni

Zum Übernachten hatte ich mich für die nahe Autobahnraststätte bei Schimantari entschieden, da die Ebene um Thiva nichts anbot. Aber auch hier gab's Schnaken, Hitze und dazu den üblichen Raststätten-Krach - na ja!
Also ging am Morgen wieder zurück, um zur Metropolitankirche in Livadia zu gelangen, wo einst die - angebliche - Kopfreliquie von Georg dem Märtyrer verwahrt wurde.


Die Weiterfahrt führt mich durchs Dorf Distomo. Kein Deutscher kann da einfach durchfahren, Distomo ist eines der 121 Märtyrerdörfer Griechenlands - davon allein 40 auf Kreta -, das von den Deutschen im 2. Weltkrieg platt gemacht wurde. 218 Menschen im Alter von 2 Monaten bis 88 Jahren wurden am 10. Juni 1944 als Vergeltungsaktion für einen Partisanenanschlag getötet, alle Häuser niedergebrannt. Als Angehörige bei deutschen Gerichten auf Entschädigung klagten, wurde das abgeweisen mit der Begründung, das seien normale Maßnahmen der Kriegsführung gewesen. Auch das Bundesverfassungsgericht wies 2006 die Klage ab, Individualansprüche könne es nicht geben; der Europäische Menschenrechts-Gerichtshof hielt 2011 die Klagen für unzulässig. Als Griechenland dann die Zwangvollstreckung deutschen Besitzes, z. b. von Goethe-Instituten, beschloss, gab es diplomatischen Druck …
Auf dem Hügel oberhalb des Dorfes wurde eine Gedenkstätte errichtet …

… mit den Namen der Opfer …

… und dem Masoleum, in dem ihre Schädel verwahrt werden. Mir wird an solchen Orten - und auch jetzt beim Schreiben - immer sehr flau in der Magengegend, es ist einfach schändlich: das Geschehene sowieso, das Verhalten der deutschen Gerichte und Regierung gegenüber den Geplagten bis heute aber auch.

Nicht weit ist es nun nach Stiri, wo die Pfarrkirche offen ist, weil eine Bestattung vorbereitet wird. David von Euböa lebte hier als Einsiedler, Nikolaus der Pilger wurde hier geboren.

Nahe Stiri ist das Lukas-Kloster, das aus der Einsiedelei des Lukas von Griechenland wuchs, Nikolaus der Pilger lebte kurz dort. Heute ist es noch bewohnt, aber auch Museum und UNESCO-Weltkulturerbe. Im Vordergrund: das große Refektorium, dahinter das Katholikon.

Das Refektorium dient nun als Museum.

Auch dieses Kloster klebt am Berg, rechts das Katholikon …

… mit Mosaiken und Fresken aus dem 11. Jahrhundert, hier das Kuppelfresko, das allerdings nach einem Einsturz im 16./17. Jahrhundert erneuert wurde.

Neben dem Katholikon gibt es noch die Panagia-Kirche, der Kirche der Allerheiligsten (Gottesmutter).

Hier ist jedes Detail einfach wunderbar - Menschen können großartiges vollbringen. Und nutzen es oft so schändlich, Distomo ist nicht einmal 9 km entfernt.

Antikyra am Meer ist ein netter Ort …

… mit einer ebensolchen Kirche, wenig vom Tourismus berührt; leider finde ich nicht den gesuchten Punkt Kalamion, an dem Lukas von Griechenland drei Jahre lebte; erst jetzt weiß ich: gemeint ist die Kirche Panagia Kalamiotissa südöstlich von Antikyra, die aber für mich und meine Kiste wohl nur schwer oder gar nicht zu erreichen gewesen wäre.

Dennoch lohnt die Fahrt allein aufgrund der Landschaft. Es ist unfasslich, wieviel Aufwand und Liebe zum Detail der Liebe Gott und sein Spieltrieb sich gemacht haben beim Falten der griechischen Landschaft. Fast kein Stück eben, alles sorgfältig in unzählige Falten gelegt. Die Fahrt ging jetzt vom Meer direkt auf 1000 m Höhe …

… um nach Delphi zu kommen. Das eigentliche Ausgrabungsgelände kann ich mir ersparen - wir waren vor gut 30 Jahren dort - mich interessiert die Kastalische Quelle, die direkt an der Straße liegt, wegen Felsstürzen aber seit einiger Zeit unzugänglich ist; sie wird erwähnt bei Juventinus und Maximus. Das Bouleuterion ist wichtig für die Datierung von Paulus' Aufenthalt in Korinth und damit seine gesamte Biografie.
Was nicht im Reiseführer - jetzt: Andreas Neumeier und Peter Kanzler: Nord- und Mittel-Griechenland, 12. Aufl. Michael Müller Verlag Erlangen 2016, ganz ordentlich - steht: es muss hier eine Omnibus-Fabrik geben, ich habe noch nie so viele an einerm Ort gesehen.

Herrlich ist der Blick vom modernen Ort Delphi - gebaut als Ersatz für den für die Ausgrabungen aufgegebenen Ort Kastri - auf den Golf von Korinth.
Dann geht es einen großen Sprung nach Norden, wieder über Berge des Parnass mit dem Pass in fast 900 m Höhe. Nahe der Nordküste der Halbinsel Attika liegt in den Bergen das Kloster in der verlassenen Siedlung Drakospilia, in dem Michael von Chonai im Alter - notgedrungen - lebte und starb. Den Versuch, dort hinzukommen, gebe ich nach einigen 100 Metern auf, der Weg ist für meine Kiste wieder zu ausgewaschen und zu steil.

Sehr mühsam auch der nächste Versuch: ich brauche Geld. Mein Navi zeigt den nächsten Aurotmaten in 48 km Entfernung an! Aber in der nahen großen Stadt Lamia muss es einen geben, also fahre ich an den Hauptplatz - da tummeln sich die Banken ja gerne - und sehe: keine Bank. Der Taxifahrer zeigt mir eine Straße, ich gehe dorthin - keine Bank. Ich frage mein Navi nicht nach Geldautomat sondern nach Bank und bekomme zwei angezeigt, also steige ich die Stufen den Berg hinauf: keine Bank. Nächster Versuch an anderer Stelle - ja, das war eine Bank, ist aber aufgegeben. Weiterer Navi-Tipp: von Erfolg gekrönt, genau am Hauptplatz, gegenüber der Stelle, an der ich geparkt hatte, aber hinter Bäumen versteckt - wusste das der Taxifahrer etwa nicht?. Eine Hitzestunde in Lamia: unbezahlbar, aber ich habe jetzt Geld.

Letztes Ziel für heute ist Agria, nochmals ein ganzes Stück nach Norden, auf die Halbinsel Pilion; eigentlich ist das eine Fahrt auf der Autobahn, aber die ist unterwegs - offenbar dauerhaft - gesperrt, hinter LKWs geht es qualvoll über die bergige und enge alte Straße; schließlich komme ich doch noch an die Kirche in Agria; hier stellte sich der Märtyrer Gideon von Karakallou den türkischen Behörden.
Wenige Kilometer weiter liegt in Kato Gatzea der Campingplatz Hellas - mit topmodernen Sanitärs, sehr sauber, sehr gutem Internet, guter Taverne und brechend voll.

Donnerstag, 13. Juni, bis Samstag, 15. Juni

Nach zwei Tagen Arbeit auf dem Campingplatz Hellas - es ist heftig heiß und unerträglch schwül - geht es am Samstag in die Umgegend, zunächst über die Berge Richtung Ostküste nach Keramidi, wo Gideon von Karakallou eine Zeit lang lebte. Hier gibt es keinen Tourismus - der Ort liegt zu abseits und hoch über dem Meer -, die Zeit scheint stehen geblieben. Auf dem schattigen Dorfplatz vor der Pfarrkirche diskutieren einige Männer schon am Vormittag - über die in drei Wochen in Griechenland anstehenden Wahlen?

Die Kirche ist leider verschlossen …

… viele Häuser stehen leer.

In Velestino, wo Gideon von Karakallou arbeitete und zum Islam konvertierte, steht neben der Pfarrkirche dieser frisch renovierte Stadtturm. Velestino ist bekannt als Heimat des Schriftstellers, Politikers und Revolutionärs Rigas Pheraios, der Nationalist und Vordenker der griechischen Revolution von 1821 war und heute die griechischen 10-Cent-Münzen ziert. Seine Vision war die Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich in Form einer Föderation der Länder Südosteuropas, wobei Griechenland deren Führungsrolle übernehmen sollte.

Sonntag, 16. Juni, bis Dienstag, 18. Juni

Sonntag und Montag waren hier die Pfingstfeiertage, ich verbrachte sie arbeitend auf dem nun auch mit griechischen Wochenend-Touristen weiter aufgefüllten Campingplatz Hellas.
Vatican-News meldet: Im Jahr 2019 befürwortete das Bundesamt für Migration bis Ende April in nur zwei von 147 Fällen das Ersuchen einer Kirchengemeinde, die einem Flüchtling Kirchenasyl gewährt hatte, ein Asylverfahren in Deutschland zu führen, auch wenn eigentlich ein anderer europäischer Staat zuständig gewesen wäre. Somit wurden nur 1,4 % aller Fälle als besondere Härtefälle anerkannt, 2018 waren es nach Angaben der Bundesregierung noch fast 12 %, 2015 und 2016 lag die Quote der anerkannten Fälle bei Kirchenasyl durch das BAmF noch bei 80 %.

Nach den Feiertagen geht es am Dienstag zu Zielen in der Nähe, zuerst zum Laurentios-Kloster in Agios Laurentios, natürlich hoch am Berg - des Pilion - gelegen und durch Laurentios von der Großen Laura gegründet. Trotz anderslautendem Anschlag ist es leider verschlossen, ich sehe das Katholikon nur von außen.

Glück habe ich dafür in der Apostolos-Kirche in Agios Laurentios, die dem Märtyrer Apostolos von Agios Laurentios geweiht ist: sie ist offen, ich kann fotografieren. Als ich das Wesentliche im Kasten habe kommt der bislang in einem Nebenraum tätige Mesner: fotografieren ist strengsten verboten, Ikonen werden verehrt und geküsst, nicht fotografiert!

Erstaunlich immer wieder mit welcher Pracht die Kirchen ausgestattet sind: das Dorf hatte 2011 noch 273 Einwohner und neben dieser noch weitere vier Hauptkirchen, dazu Kapellen und das Kloster.

Mein nächstes Ziel ist Makrinitsa, wo Gideon von Karakallou geboren wurde. Das sind Luftlinie 7 km, ein Klacks - tatsächlich aber 33 km auf engen Bergstraßen, erst kurvenreich wieder zum Meer, dann ebenso wieder nach oben, dauert gut eine Stunde!
Makrinitsa ist ob seiner herrlichen Lage und Urwüchsigkeit ein beliebtes Ziel für Touristen, auch heute am Werktag sind einige Omnibusse hier - Kompliment an deren Fahrer!

Mein nächstes Ziel ist Makrinitsa, wo Gideon von Karakallou geboren wurde. Das sind Luftlinie 7 km, ein Klacks - tatsächlich aber 33 km auf engen Bergstraßen, erst kurvenreich wieder zum Meer, dann ebenso wieder nach oben, dauert gut eine Stunde!
Das Dorf selbst ist ob seiner herrlichen Lage auf rund 650 m Höhe und seiner Urwüchsigkeit ein beliebtes Ziel für Touristen, auch heute am Werktag sind einige Omnibusse hier - Kompliment an deren Fahrer!

Der Blick auf Volos und die nach der Stadt benannte Bucht ist fantastisch.

Ikonostase in der Johannes dem Vorläufer geweihten Kirche am durch riesige Platanen schattigen Dorfplatz.

Hohl, aber lebendig: eine der Platanen am Dorfplatz.

Wasser gibt es hier in Hülle und Fülle aus den Wäldern des Berges Pilion, hier der Brunnen am Dorfplatz …

… dessen Abwasser unter der Kirche hindurch und dann ins Tal fließt (rechts unten).

Unverkennbar ist der türkische Baustil vieler Häuser und der (einstige) Reichtum der Besitzer. Das viele Wasser ermöglichte Gerbern ihr Handwerk und brachte so Reichtum, Makranitsa war Anfang des 19. Jahrhunderts die an Geld und Bevölkerung reichste Stadt der Region und hatte auch besondere Privilegien von den Osmanen erhalten.

34 km bergauf auf gut 1200 m Höhe zum Pass im Pilion-Massivs, an dem im Winter (bis April) die Skilifte in Betrieb sind, und wieder hinab auf der Ostseite bis fast ans Meer: nach Zagora zur Pfarrkirche bin ich gut eine Stunde unterwegs. Aber bei der Fahrt in der Höhe und fast immer durch dichten Wald sind die Temperaturen sehr angenehm; überhaupt ist glücklicherweise seit gestern die unerträgliche, schwüle Hitze gewichen, wohl Dank der Ausläufer der Unwetter über Mitteleuropa gibt es jetzt manchmal Wolken.
Der Reichtum des Dorfes Zagora stammte aus der Seidenproduktion mit Exporten nach ganz Europa und aus der Schiffsflotte, mit der sie im Mittelmeer und im Schwarzen Meer unterwegs waren.

Ein großes Kloster war Metamorphosis tou Sotiros, der Verklärung des Erlösers, geweiht, Arsenios von Paros der Jüngere und Christodoulos lebten zeitweise dort; heute ist nur noch das zur Pfarrkirche umgebaute Katholikon erhalten, die wie schon das Kloster auch eine Schule beherbergt …

… und daneben diese, eine der zum Kloster gehörenden Kapellen.

Nach der älteren Kirche, die dem Märtyrer Triandaphyllus in Zagora geweiht ist, sehe ich auch die neue Kirche, die man 1981 ihm zu Ehren baute. Daneben steht diese berühmte frühere Schule, die der aus Zagora stammende Patriarch Kallinikos III. 1762 bauen ließ mit Unterstützung von Ioannis Prinkos, einem Händler aus Zagora, der in Holland reich geworden war. Zuvor gab es schon eine Schule im Kloster Metamorphosis tou Sotiros, dann ab 1702 eine im Kloster Agios Prodromos, heiliger Johannes der Vorläufer.

Das Katholikon des Klosters Agios Prodromos neben der Schule von 1762, heute Friedhofskirche. Die Schulen in Zagora waren - wie alle anderen, oft von den Klöstern und im Geheimen betriebenen Schulen - entscheidend dafür, dass griechische Sprache und Kultur sowie orthodoxer Glaube in der Zeit der Osmanischen Herrschaft erhalten wurden. Auch Rigas Pheraios, der uns in Velestino schon begegnete, ging hier zur Schule.

Abschluss des Ausfluges, der kurz hätte werden sollen und dann einen ganzen Tag dauerte: die Cyriaca von Nicomedien geweihte Kirche in Zagora.

Tracks
Kato Gatzea
Velestino
Zagora

Logbuch Reiselogbuch-2019-1-9

geschrieben am 16., 17. und 19. Juni 2019


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