Welt bereisen Das Reiseblog des Ökumenischen Heiligenlexikons

Kein Schiff wird kommen

   J. Schäfer          

Mittwoch, 17. April, bis Donnerstag, 18. April

Meine letzten Ziele auf Kreta liegen im Osten der Insel. Das erste ist die Ruine der großen Basilika in Chersonissos, der bei Gerasimos IV. von Kreta und Gefährten erwähnte Joachim war Bischof der Stadt. Im Reiseführer - Eberhard Fohrer: Kreta, 21. Aufl. Michel Müller Verlag, Erlangen 2018, der absolut beste nicht nur für Kreta, sondern aller Reiseführer, die ich kenne - wird noch erzählt, dass die Ruinen frei zugänglich sind, aber die Touristen ständig Bruchstücke, v. a. der Mosaiken, stehlen. Jetzt ist das Gelände ganz abgesperrt, ich muss mich mit der kleinen Kirche Agia Paraskevi direkt unterhalb begnügen.


Schön: der Blick von dort auf die Stadt.

In Fourní in einer Hochebene weitab von jedem Tourismus starb Maria die Seidenraupenzüchterin als Märtyrerin; die Dorfkirche repräsentiert bäuerlichen Stolz.

Schmal und kurvenreich geht es ins Dikti-Gebirge nach Kritsá, aus dem Nikephoros stammte, der ebenfalls als Märtyrer starb.

Auch Markus von Cyriacopolis starb als Märtyrer; Cyriacopolis ist wohl Ierapetra, dessen Metropolitankirche ist wie so viele Kirchen hier Georg geweiht.
Ich bin jetzt wieder an der Südküste; Ierapetra liegt an der engsten Stelle Kretas, auf direktem Weg sind es hier zur Nordküste nur 12 km.

Ein Erlebnis ist das Kloster Kapsa an der Südküste, aber hoch am steilen Berg gelegen; in dem damals in Ruinen liegenden Kloster wurde Johannes von Kapsa geboren, nach wechselvollem Leben, von manchen als Schurkenleben bezeichnet, hat er es neu gegründet.

Die dürfen das, mitten im Kloster.

Das Katholikon; ein fußkranker Mönch kommt dennoch extra die Treppe hoch, damit ich nicht darin fotogrefiere.

Zur Höhle oberhalb des Klosters, in der Johannes zeitweise lebte, geht es steil hinauf.

Beeindruckend ist der Blick von der Höhle in die Schlucht, die (oben links) ins Meer mündet.

Die Pfarrkirche in Lithines, wo Johannes mit seiner Familie zunächst lebte.

Das damals verlassene Kloster bei Armeni in einer fruchtbaren Ebene in den Bergen, das Johannes von Kapsa auch renovierte, ist heute wieder lost place.

Die Berge hier im Osten sind nicht sehr hoch, aber die Gegend ist wenig besiedelt und Tourismus gibt es hier auch nicht, weil es (fast) keine Strände gibt. Deshalb gibt es wenige und sehr schmale Straßen und die sind zudem auffallend zerstört - ich vermute: nicht vom großen Unwetter im Westen, sondern vom Regen der letzten Tage, der hier offenbar sehr heftig war. Unzählige Male habe ich es ja aus vielen Mündern gehört: So kalt war es noch nie. So viel Regen gab es noch nie! Die Fahrerei ist also wieder nervig, der Blick nach Osten entschädigt aber.

In Azokeramos ist dann wirklich der Hund begraben, obwohl das Hochtal recht fruchtbar ist, aber eben fernab von Verkehr, Stadt, Tourismus oder Strand, die Mehrzahl der Häuser ist verlassen und zerfällt. Hier wurde Joseph Samakos „der Geheiligte” geboren.

Solche Kaminaufsätze - ach wie griechisch - sind dann wirklich nur noch als Bild idyllisch.

Die letzte Station für heute könnte ein Höhepunkt sein: das von Touristen meistbesuchte Kloster Kretas, das Kloster Toploú. Joseph Samakos „der Geheiligte”, war hier Mönch, der mit Gerasimos IV. von Kreta und Gefährten gestorbene Bischof Zacharias residierte hier. Aber das sieht so gar nicht nach Kloster aus, sondern ist eine Burg. Am Kap auf der östlichsten Spitze Kretas gelegen, hatte es strategische Bedeutung. Und Mönche sind hier eben nicht zuerst in Kontemplation versunken, sondern Bauern oder Krieger, die fromm leben.

Etwas Charme hat der Innenhof, durch die hohen Mauern ist er aber dunkel. Im kleinen Katholikon feiern die Mönche gerade die heilige Liturgie - anscheinend jeder für sich und die Texte leiernd, dass es meinen Ohren weh tut.

Schön ist die erhaltene Windmühle vor dem Kloster. Dessen Abt gilt als geschäftstüchtig, das Kloster unterhält Gastronmie und Shop, hat einen großen Parkplatz und setzt auf Tourismus, produziert Wein, Olivenöl und Windenergie. Da die Halbinsel weithin dem Kloster gehört, hat der Abt - der sich den Bart abrasierte - sie einem britischen Investor verpachtet, der hier das größte touristische Projekt aller Zeiten in Griechenland plant: 2000 Hotelbetten, Yachthafen, Golfplatz, Wellnesscenter usw. Noch kämpfen Naturschützer dagegen …

Ich war heute schneller als gedacht und komme noch am Abend nach Sitia; die Agentur hat noch offen, ich will mein Ticket kaufen für die Fähre, die von hier am Samstag nach Rhodos fährt, aber der Computer will nicht, ich soll morgen wiederkommen. Ich übernachte im Hafen und am Morgen stellt sich heraus: die Fahrt ist gestrichen, auch die nächste, für den 26. April geplante. Mein Vorhaben, von hier aus auf die Inseln zu fahren und so Zeit und Geld zu sparen, ist geplatzt. Da ich Wäsche waschen muss, fahre ich zum Camping Sisi, dem östlichsten schon geöffneten Platz - und bin der einzige Gast auf dem eigentlich schönen, aber ungepflegten Gelände. Auch die Waschmaschine ist kaputt, ich könne die private des Besitzers benutzen, aber auch bei der funktioniere die Schleuder nicht. Danke, nein. So schreibe ich hier, das Internet immerhin ist hier nämlich super.
Auf der Fahrt hierher bewunderte ich nocheinmal Kretas Bergwelt, der Abschied kommt jetzt ja schneller als gedacht.

Freitag, 19. April, bis Montag, 22. April

Dass es schwer wird, am Freitag und mit Beginn der Karwoche und der Osterferien ein Schiff nach Patras zu bekommen, hatte ich befürchtet. Am Morgen in der Agentur in Iráklio: nichts zu machen, ich soll es direkt im Hafen versuchen, vieleicht geht's als Cargo, weil meine Kiste hinten keine Sitze hat. Dort: ich muss bis 14 Uhr warten, dann macht der Cargo-Schalter auf. Der: alles voll, vielleicht um 18 Uhr. Dann: nichts zu machen, aber ich könne nach Chania fahren, dort habe das Schiff lots of space. Nach Chania in zwei Stunden? It's possible! Ich bin skeptisch: gut 130 km über die zwar beste Straße Kretas, aber eben auch nur mit einem Fahrstreifen pro Richtung, gegen die untergehende Sonne, freitagabends? Ich gebe Gas und bin tatsächlich nach zwei Stunden da; das Schiff fährt hier, wie ich erfahre, eine Stunde später - die Entfernung von hier nach Piräus ist kürzer, Ankunft ist für alle Schiffe um 6 Uhr morgens -, da hätte ich es auch etwas normaler angehen können.
Beim Warten im Hafen von Iráklio konnte ich auch sehen, wie ein Krezfahrtschiff - Mein Schiff 4, über 2500 Passagiere, 8 Tage östliches Mittelmeer für zwischen 1250 € und 1950 € - die Leute ausspuckt. Die örtlichen Taxis freuen sich: sie bieten die knapp 6 km zu den Ausgrabungen in Knossos für schlappe 30 € an; ob der Transport des - übergroßen, weil chicken - Rollators extra kostet, habe ich nicht gefragt. Auffallend viele Leute kommen schon am frühen Nachmittag zurück, an Bord ist es eben am gemütlichsten. Acht Stunden sind auch zu viel, um Kreta kennen zu lernen.

Im Schein des Vollmonds geht es dann nach Norden in überraschend ruhiger Fahrt - der Tag war nämlich sehr stürmisch.
Kreta ist faszinierend, herausfordernd, urtümlich, arm, lebendig und hat überaus freundliche Menschen, denen man die Prägung durch Hochkultur - wenn auch vor langer Zeit - ebenso abspürt wie ihre ungekünstelte Gastfreundschaft und Menschlichkeit. Dass fast alle sehr ordentlich Englisch sprechen, erleichtert vieles. Zum Überwintern ist es nicht der ideale Ort, auch wenn ich offenbar besonders miese Monate erlebt habe; die Winde, der ständige Wetterwechsel und mäßigen Temperaturen sind dennoch nicht ideal. Aber wer Natur erleben will in ihrer rauhen Schönheit, auch unsere Ausgesetztheit ihren Gewalten gegenüber, aber ebenso ihre überbordende Vielfalt, der ist hier richtig. Und als Deutscher wird man mit den Gräueltaten unserer Vorfahren konfrontiert - Tsipras fordert jetzt doch Reparationszahlungen, wir sollten uns dem nicht einfach verweigern. Auffallend ist auch, wie einiges hier an die Türkei erinnert, nicht nur die verbliebenen Bauten aus osmanischer Zeit, sondern auch Alltagsgewohnheiten; Ouzo heißt hier z. B. Raki. Dass es außer jenen aus dem Widerstand gegen die osmanischen Besatzer kaum Heilige gibt liegt daran, dass die stets wechselnden Fremdherrscher auch kulturell immer gewütet haben, es also praktisch keine Überlieferungen mehr gibt; den Freiheitswillen und die Lebensart der Kreter aber konnten sie offenbar nicht zerstören.
Unter den bisher von mir erlebten Reisehöhepunkten nimmt Kreta - nach der Sahara - 1991 und 2016 - und dem Norden Skandinaviens ohne Zweifel den dritten Platz ein.

Etwas müde - der Dampfer war voll, nur mit Mühe hatte ich noch einen Sitzplatz erwischt und Schlafen im Sitzen ist nicht ganz einfach - fahre ich am Samstag an meinen ersten Stützpunkt auf dem Peloponnes, den Campingplatz Argolic Strand. Das nette ältere Besitzerpaar scheint mich zu erwarten: sie hätten jede Menge Platz. Es sind wenige Deutsche und Österreicher - bei euch ist ja schon Mitte der Osterferien - hier, die haben den Wetterbericht gelesen, und die Athener haben wohl auch keine Lust auf Regen, Wind und Kälte. In der Zeitung lese ich, dass es in Stuttgart am Ostersonntag 27° Wärme geben soll. Der hiesige Wetterbericht sagt 16° mit Regenschauern voraus.

Nach einem ruhigen Sonntag mit Rest- und Planungsarbeit geht es am Montag nach (Alt-)Korinth, zunächst zu den Ausgrabungen; schon der Überblick am Eingang macht klar, dass diese nur einen sehr kleinen Teil der einstigen Stadt umfassen.

Das Brunnenhaus Glauke-Quelle, ein aus dem Fels geschlagenes Brunnenhaus, benannt nach Glauke, der Tochter des Königs von Korinth und zweiten Frau des Heroen Jason. Medea, dessen eifersüchtige erste Frau, schenkte ihrer Rivalin ein vergiftetes Kleid, das Glauke in Brand setzte, weshalb sie sich in diese Quelle stürzte.

Der Tempel für Apoll aus dem 6. Jahrhundert v. Chr.
Mit diesem antiken Korinth verbunden sind Apollos, Bacchylus von Korinth, Barnabas, Crispus von Korinth, Dionysios von Korinth, Erastus von Korinth, Gaius von Korinth, Justus von Korinth, Kyriakos der Einsiedler, Prisca (Priscilla) und Aquila, Silas, Sosthenes, Timotheus, Titus und Tychicus

Die Bema, die Rednertribüne, auf der Paulus sich den Anklagen der jüdischen Gemeinde stellen musste. In byzantinischer Zeit (ab 395) war sie zum Andenken mit einer dreischiffigen Kirche überbaut, die wieder abgegangen ist.
Ich bin ja kein besonders emotionaler Mensch und auch kein Paulus-Fan, aber so ein bisschen bewegt war ich dann doch, nach dem Betreten dort zu stehen, wo er stand

Über die Ausgrabungen geht der Blick auf die Pfarrkirche des heutigen Dorfes Alt-Korinth; die heutige moderne Stadt wurde er nach einem Erdbeben 1858 direkt am Meer gegründet. Ganz rechts im Billd war die Basilika der Julier, das Gerichtsgebäude, in dem die Märtyrer verurteilt wurden: Alexander, Callistus und Gefährten, Codratus und Gefährten, Cyprianus und Gefährten, Helikonis, Nicophorus und Gefährten, Paul der Arzt, Timon sowie Victorinus und Gefährten

Im Museum: eine Statue von Kaiser Augustus

Nach der Pfarrkirche im Ort Alt-Korinth - damals Sitz der Metropoliten, bevor die Stadt nach dem Erdbeben 1858 in die am Meer neu gegründete Stadt verlegt wurd, wo sich seitdem auch die Metropolitankirche befindet -, an der also damals die Metropoliten Makarios Notaras von Korinth und Zacharias von Korinth wirkten - sehe ich am Ortsrand von Alt-Korinth auch die neue, leider verschlossene Pauluskirche.

Während die Ausgrabungen im Westen des Dorfes Alt-Korinth liegen, liegen die Ruinen der großen Kraneion-Basilika - benannt nach dem früheren Olivenhain - im Osten. Die Basilika wurde um 510 gebaut und im 10. Jahrhundert - nach Aufgabe der Siedlung Alt-Korinth und Übersiedlung der Bewohner auf die Festung Akrokorinth - ersetzt durch eine kleinere Kirche, die nur noch als Friedhofskirche diente. Die Ruinen sind eingezäunt, aber zugänglich. Hier anzusiedeln sind Arsenios von Korfu, Athanasios von Korinth, Fantinus der Jüngere, Lietbert von Cambrai-Arras, Lukas von Taormina, Paulus von Korinth und sein Bruder Petros von Argos „der Wundertäter”.

Sehr gut erhalten ist das Taufbecken des ehemaligen Baptisteriums.

In Lechaion gibt es das weitgehend verlandete Becken des ehamaligen Hafens, erwähnt bei Paulus' 2. Missionsreise; das Gelände ist weiträumig eingezäunt, aber ich habe Glück, das Tor steht offen und so kann ich nahe rankommen.
Ebenfalls eingezäunt ist das Gelände der früheren Basilika direkt am Meer; sie wurde um 475 gebaut und war mit 180 m die längste und mit einer Gesamtfläche von 11.000 m² die größte in Griechenland, fiel aber im 7. Jahrhundert bei einem Erdbeben ein. Hier ist das Tor zu, ich kann nur von Weitem die drei Säulen fotografieren.

In Kenchreä, dem Hafen im Osten von Korinth, gibt es Reste der Basilika, gebaut auf einem früheren Isis-Tempel, aber die Reste der meisten Gebäude liegen heute unter Wasser. Phoebe hat hier Paulus beherbergt, als er auf seiner 2. Missionsreise und 3. Missionsreise vorbei kam; er taufte sie und weihte sie zur Diakonin - die römisch-katholische Kirche schafft das auch heute noch nicht, Frauen als Diakone hätten keine kirchliche Tradition. Was Paulus im Römerbrief (16, 1) schreibt: Phöbe, die Diakonin der Gemeinde von Kenchreä, sei nicht eindeutig. Gut, dass der Papst, der von vielen als Wissenschaftler betrachtet wird, wenigstens sicher ist, den Grund für den vieltausendfachen Missbrauch von Kindern durch seine Priester zu wissen: die 68-er.

Nachdem ich bei der Herfahrt achtlos darübergefahren bin, muss jetzt das Foto her: von der Ostseite her sieht man schön die bis zu 80 m hohen Felsen und die Brücken über den Kanal von Korinth, den schon Cäsar bauen wollte, der aber erst 1893, nach der Selbständigkeit Griechenlands, realisiert wurde.

An dieser Stelle führt eine Straßenbrücke über den Kanal; wenn ein Schiff kommt, wird diese versenkt.

Von der mittleren Straßenbrücke aus bietet sich dann dieses Bild; im Hintergrund sieht man die Autobahnbrücke.

Hinter dem Isthmos, dessen Kanal den Peloponnes zur Insel machte, liegt auf dem Festland am Meer Loutraki und darüber, hoch am Berg, das Patapios-Kloster, wo Patapios von Theben zeitweise in einer Höhle lebte und dann seine Gebeine zum Schutz vor den Türken hingebracht wurden. Auch die Kopfreliquie von Hypomonia wird hier verwahrt.

Am Eingang des Nonnenklosters grüßt dieses Mosaik von Patapios.

Von hier oben eröffnet sich der Blick auf die Stadt Loutraki (links), den Westausgang des Kanals und das moderne Korinth.

Tracks
Loutraki

Logbuch Reiselogbuch-2019-1-5

geschrieben am 18., 21., 24. und 25. April 2019


Ähnliche Beiträge




Kommentare


Kommentar schreiben

URLs werden automatisch umgewandelt.
[b]DEIN TEXT[/b] für Fett gedruckt
[quote]DEIN ZITAT[/quote] für Zitate
[code]DEIN CODE[/code] für Code
captcha