Nach einer geruhsamen Nacht im Villenviertel einer Provinzstadt erreiche ich
Diyarbakır, das Herzen
des kurdischen Teils der Türkei. Schon mehrfach wurde ich darauf angesprochen, dass der Krieg vorbei sei - gemeint
waren die Kämpfe mit den Kurden und der PKK; deren inhaftierter Führer hatte vor einigen Wochen eine Waffenruhe erklärt.
Tatsächlich sind die Polizeikontrollen jetzt weniger als
vor 23 Jahren. Und während wir damals
in Diyarbakır oft von Einheimischen angesprochen wurden, die uns Deutschen stolz erklärten, sie seien Kurden, scheint das
kein Thema mehr. Auffällig: hier sind nur selten Frauen mit Kopftuch zu sehen - Kurden sind liberale Muslime.
Wie in allen Städten, so auch hier: rund um die Stadt unzählige nagelneue oder im Bau befindliche Wohnblocks.
Noch vor der Fahrt mit der Fähre und nach
Sanlıurfa besuchte
ich nördlich von Kahta
das Tal des Euphrat, einer der vier Urströme bei der Erschaffung der Welt nach 1. Mose 2. Dort liegt der Karakus-Tepe,
der Adler-Hügel, von König Mithridates II. von Commagene um 25 v.Chr. als Grab für seine Angehörigen aufgeschüttet
und mit Säulen umgeben, von denen einige erhalten sind. Rechts vom Hügel ist das Tal des Euphrat, darüber der Nemrut Daği.
Nun bin ich also doch noch mit der Fähre gefahren - und hatte auch einen sehr netten Begleiter!
Mittwoch, 22. Mai / Donnerstag, 23. Mai
Ich hatte es schon nicht mehr geglaubt und mir deshalb am Mittwoch Abend überlegt, was ich unternehmen werde, wenn
ich nicht nach Israel komme: klar, der Osten der Türkei ruft, vielleicht auch Armenien und Georgien. Am Donnerstag wollte
ich dann den letzten Tag im Paradies verbringen, morgens noch arbeiten
und dann detailliert planen. Ich habe auch schon gar nicht mehr nach meinem Schiff geschaut: es lag all die Tage im Hafen
in Haifa wie
festgewachsen. Ja, wäre die Einspritzpumpe nicht gewesen, wäre ich am vergangenen Montag in
Iskenderun gewesen,
dann wäre ich längst in Israel! Um die Mittagszeit habe ich mehr aus Langeweile auf die
Schiffskarte geschaut - und siehe da: mein Schiff bewegt sich, ist schon
fast in Iskenderun.
Am Pfingstdienstag haben der Campingplatzbesitzer Fergin, seine perfekt Deutsch sprechende Freundin Swetlana aus
St. Petersburg und ich
einen Ausflug entlang der Küste und nach
Antakya unternommen,
der sich als sehr persönliche Pilgerfahrt herausstellen sollte.
Sechs Tage bin ich jetzt in der Türkei und nun im Paradies gelandet - oder gestrandet, das ist Auffassungssache.
Montag, 13. / Dienstag, 14. Mai
Nachdem ich letzten Sonntag gerade 'mal bis kurz hinter
Ístanbul
gekommen war, war die am Montag abgehende Fähre unerreichbar. Also habe ich den Tag auf dem Parkplatz verbracht und die
Internet-Verbindung zum Arbeiten benutzt. Am Dienstag ging's dann weiter an
Ankara vorbei. Auch hier
sieht man wie in Istanbul wieder unzählige und sämtlich neugebaute Wohnblocks in einer Menge, wie das für Deutschland
unvorstellbar ist. Es ist
höchst beeindruckend, wie die Türkei Wohnraum für die in die Städte drängende Landbevölkerung schafft! Dass sie auch das
Bevölkerungswachstum bekämpft, habe ich im schon erwähnten Buch Glückseligkeit von Zülfü Livaneli gelernt: selbst
in den hintersten anatolischen Dörfern werden die Frauen informiert und werden Liebesballone verteilt. Die Mullahs
sind jedenfalls an dieser Stelle klüger als der Papst! Am Abend erreiche ich einen Rastplatz am
Tuz Gölü, dem
zweitgrößten See der Türkei mit einer Fläche von 1500 km², fast drei Mal so groß wie der
Bodensee. Der See
ohne Abfluss ist nur 1,5 Meter tief, hat mehr als 32% Salzgehalt, liefert 90% des in der Türkei verbrauchten Salzes und
Produkte für Schönheit und Gesundheit, die am Rastplatz verkauft werden.
... denn darin lebt ja sozusagen das alte Jugoslawien - wenn auch nur als ein trauriger Rest - fort. Jugoslawien
war meine Jugendliebe, und der wird man nicht untreu. Und außerdem
haben die Serben damals auf dem Amselfeld /
Kosovo Polje für
uns im Westen das Christentum gegen die heranstürmenden Türken gerettet. *
Am Mittwoch, dem 8. Mai 2013, soll nun meine erste große Reise losgehen. Das Ziel ist Israel / Palästina und Jordanien,
vielleicht auch Ägypten, ich freue mich und bin gespannt auf viele bereichernde Eindrücke.
Zunächst fahre ich auf dem Landweg nach Iskenderun (ja, dort wo jetzt auch die Bundeswehr ist) im Südosten der Türkei,
denn von dort aus geht die derzeit einzige Fähre nach Israel, genauer: nach Haifa. Das sind 3300 km - der Umweg über
Ungarn ist den sehr hohen Autobahngebühren in Kroatien geschuldet, sonst wäre der Weg der gute alte Autoput.
Wenn's gut geht will ich nächsten Montag die Fähre erreichen, die nur alle 8 Tage fährt, sonst heißt es warten und die
Gegend um Antakya - das alte Antiochia am Orontes - erkunden.
Twenty years from now you will be more disappointed by the things that you didn‘t do
than by the ones you did do.
So throw off the bowlines. Sail away from the safe harbor. Catch the trade winds in
your sails.
Explore. Dream. Discover Mark Twain
Für die Reisen gibt es für mich klare Anforderungen:
Das Auto darf nicht zu groß sein: 2 Meter Breite sind das Maximum, damit man auch noch enge Straßen z.B. in
südeuropäischen Städten befahren kann, die Länge darf die Parkplatzsuche nicht unmöglich machen und auch die Höhe
muss für Durchfahrten begrenzt bleiben. Und außerdem darf das Auto auch nicht großen Wohlstand ausstrahlen, das
schafft sonst Distanz zu den Menschen. Und ist übrigens auch unter Sicherheitsaspekten sinnvoll.
Zum Stichwort „Bücher Belletristik“ auf der Packliste:
Planen Sie, über Istanbul zu reisen?
Wenn ja, empfehle ich zur literarischen Einstimmung auf diese Stadt das Buch Unser Istanbul. Junge *
türkische Literatur, eine von Constanze Letsch herausgegebene (und von Christoph K. Naumann aus dem Türkischen
übersetzte) Sammlung von elf stimmungsgeladenen Geschichten, in denen die Stars der türkischen Literaturszene vom
Leben zwischen Basaren, Bädern und Moscheen erzählen (Klappentext).
Mir ist der 2008 im Berliner Taschenbuch Verlag erschienene Band unlängst in der Stuttgarter Stadtbibliothek
in die Hände gefallen. Ich finde einige der Geschichten lesenswert (z.B. Winterschlaf von Ayşegül Devecioğlu),
auch sprachlich (z.B. Die Katzen der Gnädigen Frau von Ali Teoman); und dies umso mehr, wenn man beim Lesen
die erwähnten Stadtviertel, Straßenzüge, Landschaften, Menschen etc. sieht, sei es vorm inneren Auge oder direkt.
* Die jungen türkischen Literaten sind zwischen 1955 (Fahrettin Çiloğlu) und 1982
(Asli Ilgi Kopuz) geboren.
Trixi Geng am 18. Januar 2013:
Eine Riesenliste! Aber ich habe festgestellt, unter Büro fehlt das Adressbuch!
Herzliche Grüße!
Die Kathedrale in Trondheim. Trondheim hieß bis ins 16. Jahrhundert Nidaros, wurde vom Wikingerkönig Olav Tryggvason 997 gegründet. Trondheim war früher Hauptstadt, ist das älteste Bistum in Norwegen und großes Pilgerzentrum, weil Olav von Norwegen hier begraben wurde; nachdem 1537 der Schrein nach Dänemark entführt wurde und mit der Reformation verlor es an Bedeutung. Der Dom ist Norwegens größte Kirche, in ihm werden bis heute die Könige gekrönt. Diese Westfront wurde erst im 19. Jahrhundert fertig.