Ich will nach Cannes; nicht wegen der Filmfestspiele, die jetzt eh noch nicht sind, sondern wegen der vorgelagerten
Lérins-Inseln, einem
Ausgangspunkt des mönchischen Lebens in der abendländischen Kirche und einer Stätte des Geistes. Dazu fahre ich über die
schmale und kurvenreiche Küstenstraße. Diese und die Schönheit der Landschaft erinnern an die
Amalfi-Küste und
braucht den Vergleich nicht zu scheuen - die Wohlhabenden wissen, warum sie sich die Côte d'Azur ausgesucht haben. Das Wetter
ist wechselhaft, letzte Nacht gab es ein kurzes Gewitter, dennoch sind schon Leute am Strand und (in der Bildmitte
erkennbar) eine Frau schwimmt sogar.
Es ist Karfreitag, es ist kühl
geworden - und es ist noch immer still - und friedlich. Ich mache mich auf den Weg zum eigentlichen Kloster - und es
gelingen mir dort schöne Bilder, obwohl die
Sonne sich versteckt hält.
Ich bin endlich wieder unterwegs - es hatte gedauert!
Nach der Rückkehr aus der Türkei war wenige Tage später meine Mutter gestorben, im gesegneten Alter von fast 89 Jahren
ist sie friedlich eingeschlafen. Anschließend gab es einiges zu tun in ihrem Haus in Esslingen; was anfangs nach wenigen
Renovierungsarbeiten aussah, entwickelte sich doch zur recht umfangreichen Baustelle mit monatelangem Handwerk - wenn man
schon mal angefangen hat ...
So wurde es nichts mit dem Überwintern in Nordwestafrika, der Winter (der auch bei und ja keiner war) ist vorbei.
Neues Ziel deshalb: Südfrankreich und Spanien (und möglicherweise ein bisschen Portugal). In Spanien war ich (außer bei
der Durchfahrt nach Marokko 1991 und
Portugal 1992 noch nie. Die Resie soll hauptsächlich dem Besuch von Orten
der Heiligen und Recherchen fürs Ökumenische Heiligenlexikon dienen - Ziele dazu
gibt es in Frankreich und Spanien mehr als genug.
Ein erster Besuch unterwegs galt dem kleinen Kloster in
Beinwil, das
Esso von Beinwil gründete.
Gestern Abend haben meine Campingplatz-Nachbarn etwas gefeiert - und dabei wurde gelacht. Da fiel mir auf, dass ich die ganzen
10 Wochen keinen Erwachsenen lachend oder auch nur sichtlich fröhlich erlebt haben; die Türkei scheint ein Land, in dem es
nichts zu Lachen gibt. In meinem Reiseführer steht, die Redeform der Ironie sei den Türken fremd, man solle sie vermeiden.
Ja: es ist ein humorloses Land - das Leben zu hart, der Koran zu rigide, die Regierung zu repressiv? Schade! Das gilt
nicht für die Kinder: die sind meist sichtlich fröhlich, oft ausgelassen, genießen die Freiheit, die sie (noch) haben; gelesen
habe ich, sie gingen auch sehr gerne in die Schule.
Der Abschied vom Campingplatz - hier der Blick von meinem Stellplatz auf das Haus des Besitzers - fällt nicht sonderlich
schwer; es war alles Notwendige vorhanden, aber eben selbstgemacht, und das Wasser war kein fließendes, sondern in
Tanks gelagert und schmeckte schal mit leichtem Fäkaliengeruch. Ab dem zweiten Mal habe ich die Zähne mit gekauftem
Wasser geputzt und nach dem Duschen habe ich mir den Geschmack mit viel Fanta aus dem Mund gespült. Aber das Meer hier war
schön!
Mein Weg geht wieder ein Stück weit nach Osten, nach
Akhisar, das frühere
Thyatira, auch eine der sieben Gemeinden der Sendschreiben der Offenbarung; neben Lob empfängt die Gemeinde auch Tadel, weil
dort eine selbsternannten Prophetin Teile der Gemeinde zur Unsittlichkeit und dem Verzehr von Götzenopferfleisch
verführt. Aber auch Lydia von Philippi, der
erste Christenmensch Europas, wurde hier geboren.
Erhalten sind mitten im Zentrum der modernen Stadt die Mauern einer
Basilika, die im 5. / 6. Jahrhundert an der Stelle der
früheren Agora erbaut wurde.
Den zuhause oft über das Wetter Schimpfenden kann ich versichern: zu viel Hitze ist auch blöd. Und der Ramadan auch,
obwohl ich gleich beim ersten iftar eine sehr nette Tischgenossin hatte.
Aber der Reihe nach:
Samstag, 6. Juli
Ephesus wurde um
6000 v. Chr. gegründet, damals auf dem Hügel, auf dem heute die Burg und die Ruine der
Johannes-Kirche stehen;
die Griechen verlegten das Zentrum der Stadt um 300 v. Chr. an den heutigen Ort der Ausgrabungen. In der hellenistischen und
Römerzeit hatte die Stadt
200.000 Einwohner. Obwohl sie das Privileg der Steuerfreiheit genossen, gab es 88 v. Chr. einen Aufstand, bei dem
der Überlieferung zufolge in einer einzigen Nacht 80.000 Italiker in Ephesus getötet wurden; die Römer konnten den
Aufstand dennoch niederschlagen, die Stadt wurde steuerpflichtig. Ephesus war die größte Stadt der Provinz Asia und ab
29 v. Chr - anstelle von
Pergamon - deren
Hauptstadt. Im Jahr 17 durch ein Erdbeben völlig zerstört, wurde die Stadt wieder aufgebaut. Unter byzantinischer
Herrschaft wurde die Stadt wieder zurück an ihren Ursprungsort verlegt, das heutige Selçuk.
Das Bild zeigt die Basilika Stoa, die königliche Halle
Ich breche auf, um Kolossä
zu finden. Ich weiß ziemlich genau, wo es liegen muss - viel ist nicht übrig, das weiß ich - aber ich finde es nicht. Hinterher
stelle ich fest, dass ich fast 80 km überflüssig in der Gegend herumgefahren bin: weil türkische Hauptstraßen v. a. in den
Zufahrten der Städte in der Mitte einen unüberwindbaren Grünstreifen haben; weil ich nirgendwo einen Wegweiser finde; weil ich
die Marmorsteinbrüche von weitem für Ausgrabungen halte; weil ich an der Stelle vorbeifahre ohne es zu merken, das
Schild steht nur in der Gegenrichtung; weil mein Navi die Orientierung verliert; kurzum: ich schwitze und ärgere mich. Als
ich schon aufgegeben habe, entdecke ich doch noch einen kleinen Wegweiser und dann diese Steine - dafür muss ich durch einen
Bach waten - wahrscheinlich Abwasser von den Sägen der Marmorfabriken.
Nach erholsamer Nacht besuche ich die Burg in
Silifke, deren Ursprünge
auf die Hethiter im 13. Jahrhundert v. Chr. zurückgehen. Unter den Griechen enthielt sie einen Athene-Tempel, auch unter den
Römern war sie Kultstätte, dann Festung der Byzantiner gegen die Araber, ab 1210 für zwanzig Jahre Festung der
Kreuzfahrer, dann Burg der Ottomanen.
Ich stand über dem Schlund der Hölle und am Eingang zum Himmel; wer's nicht glaubt, wird es sehen. Zunächst erlebte ich
noch den himmlischen Sonnenuntergang am See von
Beyşehir; die
Sonnenuntergänge hier gehörten zu den weltweit schönsten, habe ich inzwischen gelernt aus dem Prospekt der Stadt, den mir
der Campingplatz-Besitzer stolz überreichte.
Am Morgen aber wurde es schwierig: Ich hatte es insgeheim befürchtet und es ist so eingetroffen: als ich aufbrechen wollte
in die Ford-Werkstatt nach
Beyşehir, ging die Kiste
gar nicht mehr an. Also bitte ich an der Rezeption des Campingplatzes, die Ford-Werkstatt anzurufen - es ist keine offizielle,
große, aber - so habe ich im Internet gefunden - eine auf Ford spezalisierte mit Computer-Diagnose und Fachwissen. Der
englische Sprechende nette Mitarbeiter des Campingplatzes lässt sich mit all den guten Worten, die ich vorbringe,
nicht bewegen, die von mit gewünschte Werkstatt anzurufen, sondern telefoniert mit einer anderen, die neben
allen anderen Automarken laut ihrer Visitenkarte auch Ford repariert; man macht hier die Geschäfte mit seinen Freunden.
Ich werde morgen nach sehr schönen Tagen und gut erholt Yaşar, den Besitzer, und seinen schönen Kaya-Camping verlassen -
noch nicht ahnend, dass mich die Kiste tatsächlich nicht liebt ...
Heute sehe ich mir noch die Feenkamine und die Kirche in
Paşabağ bei Göreme an, wo
angeblich Simeon Stylites der Ältere
lebte.
Ohne großen Plan schaue ich mir Sehenswertes in der Gegend an; noch nicht die ganz großen Highlights
Kappadokien mit den vielen
Touristen, sondern eher stillere Plätze, so den Ort
Ortahisar, der von
einem großen Wohnfelsen überragt wird.
Doğubeyazıt zu
verlassen fällt nicht schwer: außer dem Palast gibt es hier nichts, die Stadt ist schwül und staubig. Außerdem habe ich
gerade meine Krise: nach der Hochstimmung der vergangenen viereinhalb Wochen kommt die unausweichlich, jetzt ist sie da:
die Hitze, das ewige Weißbrot, kein Essig am Salat, Spätzle nur selbst gekocht und Schweinebraten gar nicht. Das ewig
nervige Autofahren, überall Menschen - man ist nie auch nur einen Augenblick alleine - und alle sprechen dieses merkwürdige
Türkisch. Der mehrmals täglich dröhnende Gebetsruf des Muezzin, meist wenig melodiös; die Armut der Leute, die mich zwar
nicht betrifft, aber dennoch belastet; der Staub - und nochmal Staub - und immer Staub. Ach, wäre es zuhause doch gemütlich
und behaglich ...
Ich habe das Wochenende auch deshalb im schönen
Muş verbracht, um am
Montag die große Ford-Werkstatt aufzusuchen, denn ich habe den Verdacht, dass meine Bremsen schlecht sind. Sofort empfängt
mich dort ein junger Mechaniker, offenbar sehr intelligent und fähig, aber kein Wort Englisch. Im Reiseführer hatte ich
nachgeschaut: frenler - versteht er aber nicht. Ich zeige aufs Pedal, sofort macht er sich an die Arbeit, tatsächlich
sind die Scheibenbremsbeläge fast verbraucht - wozu war ich vor der Abreise bei Inspektion und TÜV? Eine hübsche junge
Dame kommt, die kann Englisch, ist aber so heißer, dass sie kaum einen Ton herausbringt. Wir gehen lange Wege in ihr Büro.
Çaj für mich, den Mechaniker, die junge Frau. Wir sitzen. Sie tippt in den Computer - was wohl, sie hat keine Papiere von mir.
Sie tippt, er trinkt, ich warte. Wir gehen nach unten, ein Mann im schwarzen Anzug mit Lackschuhen kommt auf mich zu, gutes
Englisch: 25 € für die Beläge an den Vorderrädern, ob das ok sei? Und ob! Der Mechaniker macht sich an die Arbeit. Die
neuen Beläge passen nicht in der Türkei haben wir andere - kenne ich schon. Der Mechaniker versucht, sie passend zu
fräsen, was nicht gelingt. Sie werden versuchen, die richtigen aufzutreiben, ich gehe mit dem Schwarzbefrackten in sein
Büro.