Und wieder bin ich länger geblieben als geplant, nun also auf dem in die Jahre gekommenen, aber trotz italienischem Charme
vergangener Zeiten in allem gut funktionierenden
Campingplatz in Ventimiglia: es galt, drei Tage
mit Dauerregen zu überstehen. Am Samstag ging es dann zuerst nach Ventimiglia zu einem Elektromarkt: ein neuer Fotoapparat
musste her, denn mit viel googlen habe ich gelernt, dass die Reparatur des offenbar durchaus nicht seltenen Problems für
mich als Laien unmöglich ist und in einer Fachwerkstatt - die ich hier ohnehin nicht finde - fast daselbe kostet wie ein
neues Gerät. In Ventimiglia besuche ich deshalb ein Fotogeschäft - das aber so gut wie keine Apparate vorrätig hat,
ebenspwenig wie der andere Laden, auf den man mich verweist. Es muss also einstweilen wieder die Ersatzkamera herhalten.
Dann folgt der Grenzübertritt nach Frankreich - natürlich mit Kontrolle der Kiste. Schließlich lande ich im vornehmen
Küstenort Menton an der Côte d’Azur an der Stelle des ehemaligen Hotels, in dem
Charles Spurgeon starb. Auf dem Weg zur
hoch über dem Ort gelegenen BasilikaSaint-Michel, an der
Charles Dominique Albini erzogen wurde:
dieses Azulejo, das vor der Silhouette von Menton an Papst Pius VII. erinnert: 1796 nahmen französische Truppen seine damalige
Diözese Imola ein, 1814 erhielt er als Papst
von Napoleon den Kirchenstaat zurück: Römische Legionen haben auf der Via Julia (der römischen Straße entlang der Küste)
nun einen langen Weg gemacht.
Ich blieb dann doch noch einen Tag länger als zunächst gedacht auf dem angenehmen
Campingplatz Taimi, denn die nun anstehende Fahrt
in die Berge wäre bei dem anhaltenden Sauwetter mit Schnee schon auf 500 Metern Höhe und dunkelsten Wolken Schwachsinn. Laut
italienischem Fernsehen sind die Temperaturen in ganz Norditalien 10 bis 15° kälter als üblich, die Bilder zeigen Schneemassen
auch in den Bergen der Toskana. Auf Donnerstag war Besserung
vorhergesagt, also ging es dann in die Höhe zum Schnee, aber die Straße war geräumt.
Nach einem Sonntag, der seinem Namen alle Ehre machte und an dem ich zum ersten Mal auf dieser Reise den Pullover
ausziehen konnte, ging es am Montag wieder hinab ins Tiefland, zuerst nach Prato zum ehemaligen
Kloster San Leonardo.
Bernhard von Ecche lebte hier,
Jakobus von der Mark predigte.
Heute ist das Anwesen ein Einkehrhaus, unterstützt von den Evangelischen Kirchen der Region Toskana, der Rumänisch-Orthodoxen
Diözese Italien, der Fokolar-Bewegung Toskana, der Italienischen Buddhistischen Union, der Union Italienischer Jüdischer
Gemeinden, der Union Islamischer Gemeinden Italiens und der Italienischen Hindu-Union; Ökumene geht auch über Relionsgrenzen
hinweg, das könnte der Nahe Osten lernen.
Nächste Station ist Pistoia, zuerst diese ehemalige
Kirche San Desiderio, in der
Barontius von Montalbano bestattet wurde.
In der Einsiedelei Malavalle nahe Castiglione
della Pescaia ließ sich Wilhelm von Malavalle
nieder, Albert schloss sich ihm als Schüler an. Etwas
entfernt, an der Romitorio genannten Stelle,
erschien Wilhelm Maria - beide Orte waren für mich unerreichbar. Und in dieser
Kirche San Giovanni Battista in Castiglione della
Pescaia liegen Wilhelms Gebeine; ihr Turm ist Teil der
Stadtmauer, die Kirche selbst leider als Baustelle geschlossen.
Nach der Rückkehr aus Ostdeutschland musste ich im November feststellen, dass die alte Kiste nunmehr solchen
Reparaturbedarf erreicht hat, dass sich ein Weiterbetrieb für mich nicht mehr lohnt. Also musste ein neueres Modell her.
Die seit 2012 gebauten Ford Transit Custom haben aber einen komplett veränderten Innenraum. So waren die Wintermonate
geprägt vom Umzug der alten Einrichtung in die neue Kiste und deren Anpassung, zudem einer Veränderung des Konzeptes, um
die Zweier-Beifahrersitzbank zu erhalten. Hinzu kamen Anpassungen, die aus der seitherigen Erfahrung geboren waren. Das
war aufwändiger als zunächst gedacht. Aber dann konnte es Anfang März losgehen - wie immer zunächst zur Tante nach
Aigle. Deren Gesundheitszustand verbietet inzwischen allzu lange
Besuche, so dass ich schon am nächsten Tag aufbrach, um über den
Großen St. Bernhard - Pass nach Italien zu kommen.
Kurz vor dem Tunnel wollte ich die in der Sonne leuchtenden Schneeberge fotografieren - und musste feststellen, dass ich mein
zweitwichtigstes Arbeitsgerät, den Fotoapparat, vergessen hatte - so ziemlich das allerdümmste, was passieren konnte. Es half
nichts - ich musste zurück nach Stuttgart.
Auch wenn der letzte Abend wirklich schön anzusehen war: am Sonntag verabschiede ich mich vom
Campingplatz Pahna und, weil es auf dem Weg liegt,
fahre ich nochmals zur Michaelskirche in Zeitz,
denn ich hatte die Gedenksäule für Oskar Brüsewitz
übersehen. Dann komme ich nach Weißenfels zum Schloss mit der integrierten
Schlosskirche, an der
Erdmann Neumeister als Hofprediger wirkte,
und ich finde auch die ehemalige Schuhfabrik Banner
des Friedens in Weißenfels, in der Brüsewitz arbeitete.
Auf dem angenehmen Stellplatz in Peenemünde blieb
ich dann noch einen Tag länger als zunächst beabsichtigt. Am Dienstag ging es dann zuerst nach Greifswald, wo an der
Universität - damals im vormaligen Kloster der
Dominikaner, heute die Poliklinik -
Johannes Bugenhagen studierte, und dann auf
die Insel Rügen, die mich norddeutsch mit solchen
Reetdach-Häusern empfängt. Am heutigen Feiertag sind trotz des nun deutlich herbstlichen Wetters und stürmischen Windes viele
Ausflügler unterwegs, aber die lange Anfahrt geht über sehr gut ausgebaute Straßen. Viele Straßen sind hier sehr gut ausgebaut,
meist auch von radwegen begleitet, der Aufbau Ost hat sich gelohnt! Und sie sind hier im ebenen Land oft kilometerlang
schnurgerade. Was mich aber stört: sehr oft sind sie als Alleen von dicken Bäumen direkt am Straßenrand gesäumt; ein
Reifenplatzer, Unfall mit kleiner Ablenkung oder Fahrfehler ist das ziemlich sichere Todesurteil. In Meck-Pomm und
Sachsen-Anhalt gibt es deshalb manchmal Leitplanken, Brandenburg verzichtet darauf.
Am Montag geht es nun nach Berlin. Mit der Kiste fahre ich zum
Pendlerparkplatz Erkner und von dort mit der S-Bahn
direkt zum Alexanderplatz, wo mich der Fernsehturm
begrüßt. Unweit ist die Ruine der Kirche des
ehemaligen Grauen Klosters in Berlin, 1945 durch allierte Bomben zerstört, heute Ort für Ausstellungen. Dieses war bis
zur Reformation ein Franziskanerkloster, dann ein Gymnasium, an dem
Michael Schirmer Konrektor war.
Nach Ende der Sommerferien kann ich wieder losfahren, Ostdeutschland ist mein Ziel.
Unterwegs besuche ich das Grab von
Albrecht Dürer in dem unter Denkmalschutz
stehenden Johannisfriedhof in Nürnberg und dann diesen
Soldatenfriedhof - heute: Ehrenfriedhof -
in Erlangen, wo Josef Mayr-Nusser bestattet war.
Am Donnerstag komme ich dann in die FORD-Werkstatt
von Rimini zur Reparatur der Seitenscheibe - und frage nocheinmal nach dem Radlager, weiterfahren sei ja gefährlich. Das
bejaht der Meister, er werde eine Probefahrt unternehmen - geht doch. Ja, da sei ein Geräusch, er will es auf der Hebebühne
überprüfen; Diagnose dann: nicht Radlager, sondern Antriebswelle - damit kann man fahren, bis sie endgültig defekt ist.
So komme ich am Abend noch nach San Marino - erst mit der Kiste hoch hinauf, dann zu Fuß noch höher; und obwohl das
Wetter mies ist, der Berg liegt im Nebel, ist dort der Massentourismus zugange, die Altstadt auch ganz darauf ausgerichtet -
Badetouristen mit Tagesausflug, mehr als die Hälfte offenbar Osteuropäer. 2 Millionen Touristen besuchen jährlich das
Land, ⅔ der Wirtschaft des Landes erbringt der Dienstleistungssektor, Industrie gibt es nicht, aber weitgehende Steuerfreiheit
- Diesel kostet rund 10 Cent weniger als in Italien, was ich natürlich nutzte. Das Bruttoinlandsprodukt lag 2019 bei
61.575 $ pro Einwohner (Deutschland: 50.425 $, EU insgesamt 41.175 $), damit liegt das Land im weltweiten Ranking an 11. Stelle.